Netzwerke aus Pilzen und Pflanzen – Mykorrhiza-Netzwerke



Bio-News vom 22.04.2024

Bayreuther Forschende beleuchten den natürlichen Nachweis für das Vorkommen und die Funktion von Netzwerken aus Pilzen und Pflanzen – sogenannte Mykorrhiza-Netzwerke. Durch dieses „Wood Wide Web“ können Pflanzen untereinander Ressourcen und sogar Informationen austauschen.

Über 90 % aller Landpflanzen leben in einer engen Symbiose mit Pilzen, der Mykorrhiza. Lange Zeit wurde die Mykorrhiza als eine Interaktion zwischen zwei Partnern – einer Pflanze und einem Pilz – betrachtet. Es gibt jedoch Hinweise darauf, dass insbesondere Wälder von ganzen Netzwerken aus Pflanzenwurzeln und Pilzgewebe durchzogen sein könnten, die einen Austausch von Ressourcen und sogar Informationen zwischen verschiedenen Pflanzen, vermittelt durch gemeinsame Pilzpartner, ermöglichen.


Pilzmyzel.

Publikation:


Merckx, V.S.F.T., Gomes, S.I.F., Wang, D. et al.
Mycoheterotrophy in the wood-wide web

Nat. Plants (2024)

DOI: 10.1038/s41477-024-01677-0



Diese Hinweise verleiteten gerade im populärwissenschaftlichen Bereich teilweise zu phantasievollen Spekulationen, oft ohne fundierten wissenschaftlichen Hintergrund. Als Reaktion darauf haben führende Wissenschaftler in jüngsten Publikationen die tatsächliche Bedeutung dieser Netzwerke kritisch hinterfragt. Um Zweifel an der Bedeutung von Mykorrhiza-Netzwerken auszuräumen, haben Bayreuther Forschende die Forschungsliteratur durchforstet und den bislang vernachlässigten Nachweis für das Vorkommen und die Funktion des „Wood Wide Web“ in den Mittelpunkt gestellt. Mit dieser Erkenntnis können zukünftig viele selten vorkommende und vom Aussterben bedrohte Pflanzenarten am Waldboden durch ein angepasstes Waldmanagement gezielter geschützt werden.


Mykorrhiza-Netzwerk am Beispiel von Monotropa uniflora, hier verbunden mit Baumwurzen übergemeinsame Pilze. Originalabbildung aus der Publikation verändert und ergänzt.

In einer aktuellen Übersichtsarbeit eines internationalen Konsortiums unter Beteiligung von Prof. Dr. Gerhard Gebauer und seiner wissenschaftlichen Mitarbeiterin Franziska Zahn von der Universität Bayreuth wurden mykoheterotrophe Pflanzen und ihre Rolle in unterirdischen Netzwerken näher betrachtet. Mykoheterotrophe Pflanzen stellen im Gegensatz zu autotrophen Pflanzen ihre Versorgung mit Kohlenstoff nicht über die Photosynthese, sondern über einen Pilz-Partner sicher.

Der überwiegende Großteil der Landpflanzen nutzt die Symbiose mit Mykorrhiza-Pilzen in den Wurzeln: Die Pflanze erhält über den Pilz limitierte Nährstoffe aus dem Boden; der Pilz erhält im Gegenzug Kohlenstoff aus der Photosynthese der Pflanze. Lebt ein Mykorrhiza-Pilz in Symbiose mit mehreren Pflanzen, entsteht ein unterirdisches Netzwerk, auch „Wood Wide Web“ genannt. Das weit verbreitete Vorkommen und die Bedeutung dieses Netzwerks ist in der wissenschaftlichen Gemeinschaft umstritten. „Dabei wurde jedoch eine wichtige Gruppe von Pflanzen weitgehend übersehen, die einen ganz offensichtlichen Beleg für die Existenz von Mykorrhiza-Netzwerken liefert“, sagt Gebauer: „die mykoheterotrophen Pflanzen.“

Vollständig mykoheterotroph lebende Pflanzen sind meist klein und werden am Waldboden schnell übersehen. Sie liefern allerdings den entscheidenden Nachweis für die Bedeutung des „Wood Wide Web“: Sie besitzen keine grünen Blätter und können somit keine Photosynthese betreiben, weshalb sie sich vollständig auf Kosten der Mykorrhiza-Pilze ernähren. Diese Pilzpartner gehen gleichzeitig eine zweite Partnerschaft mit Waldbäumen ein und können einen Kohlenstoffaustausch zwischen den Pflanzen vermitteln. „Damit belegen die vollständig mykoheterotrophen Pflanzen die Existenz von Mykorrhiza-Netzwerken, an denen mindestens drei Partner – zwei Pflanzen und ein Pilz – beteiligt sind“, so Gebauer.

Somit können Mykorrhiza-Netzwerke in Wäldern den Kohlenstofftransfer zwischen Pflanzen unterstützen und stellen dadurch das oben genannte Dogma des Kohlenstoff-gegen-Nährstoff-Transfers in der Symbiose zwischen Pilz und Pflanze infrage. Ebenso muss die Annahme hinterfragt werden, dass sich alle grünen Pflanzen strikt durch Kohlenstoffgewinn über die Photosynthese ernähren. Die Forschenden beschreiben die Bandbreite an Möglichkeiten für den Kohlenstofftransfer: Am einen Ende des Spektrums befinden sich die vollständig mykoheterotrophen Pflanzen, die Kohlenstoff ausschließlich vom Pilzpartner beziehen. Am anderen Ende sind diejenigen Pflanzen, die Kohlenstoff ausschließlich aus der Photosynthese erhalten. Dazwischen gibt es Pflanzen, die sich zu unterschiedlichen Anteilen auf Kosten des Pilzpartners und aus der Photosynthese ernähren.


Diese Newsmeldung wurde mit Material der Universität Bayreuth via Informationsdienst Wissenschaft erstellt.

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