Neuer alter Pfleilschwanzkrebs aus Franken



Bio-News vom 15.02.2021

Ein Paläontologen-Team entdeckte in Franken einen neuen 197 Millionen Jahre alten Pfeilschwanzkrebs aus der Jurazeit. Überraschend für die Forscher war: Das Tier gehörte zu einer Familie von Pfeilschwanzkrebsen, die eigentlich seit Ende der Triaszeit als ausgestorben galt. Die Ergebnisse wurden nun in der paläontologischen Fachzeitschrift Geological Magazine veröffentlicht.

In der Sandgrube Pechgraben bei Neudrossenfeld (Oberfranken) werden seit langem jurazeitliche Sande der Bayreuth-Formation (Hettangium, ca. 197 Millionen Jahre alt) abgebaut. Für Paläontologen interessant sind allerdings die zwischen den Sandablagerungen liegenden Tonschichten, die zahlreiche wertvolle Pflanzenfossilien der Jurazeit enthalten. Bei einer Notgrabung durch das Paläontologische Museum Nierstein im Jahr 1999 fanden sich neben solch versteinerten Pflanzenresten auch ein etwa 5cm großer unscheinbarer Abdruck eines Pfeilschwanzkrebses, der keiner bisher bekannten Art zugeordnet werden konnte.

Publikation:


Bicknell, R., Hecker, A., & Heyng, A.
New horseshoe crab fossil from Germany demonst-rates post-Triassic extinction of Austrolimulidae
Geological Magazine, 1-11

DOI: 10.1017/S0016756820001478

Die Paläontologen Russell Bicknell von der Universität Armidale, Australien, Andreas Hecker vom Jura-Museum Eichstätt (SNSB Regionalmuseum) und Alexander Heyng, Geowissenschaftlicher Dienst amh-Geo, gelang es nun den Pfeilschwanzkrebs zu rekonstruieren und wissenschaftlich zu beschreiben. Die Untersuchungen zeigten, dass das Fossil einer bisher unbekannten Gattung aus der Familie der Austrolimulidae angehört. Dies hat die drei Forscher überrascht, denn diese Pfeilschwanzkrebs-Familie galt bislang als ausgestorben – und zwar bereits seit dem großen Massenaussterben an der Trias-Jura-Grenze (vor 201 Millionen Jahren). Die Wissenschaftler gaben der neuen Art den Namen Franconiolimulus pochankei - benannt nach Hartmut Pochanke, dem Baggerfahrer der Sandgrube, der die Tonschichten für die Notgrabung freigebaggert und so für die Paläontologen erst zugänglich gemacht hat. Dass als ausgestorben geltende Tier- und Pflanzen-Gruppen in geologisch späterer Zeit wieder nachgewiesen werden, wird als Lazarus-Effekt bezeichnet.

Der etwa 5cm große unscheinbare Abdruck eines Pfeilschwanzkrebses entpuppte sich als neue Art Franconiolimulus pochankei.

Pfeilschwanzkrebse sind sehr eigentümliche Tiere. Anders als der Name vermuten lässt, sind sie keine Krebse, sondern mit den Spinnentieren verwandt. Pfeilschwanzkrebse sind heute noch mit vier Arten vertreten. Die bekannteste ist der bis 85cm große Amerikanische Pfeilschwanzkrebs Limulus polyphemus, der an der westlichen Atlantikküste von Mexiko bis Maine (USA) lebt. Ihre äußere Form, bestehend aus einem zweiteiligen Körper und langem spitz zulaufenden Schwanz hat sich über mehrere hundert Millionen Jahre nicht wesentlich verändert. Deshalb werden heutige Pfeilschwanzkrebse oft als „lebende Fossilien“ bezeichnet. Sämtliche heutigen Pfeilschwanzkrebs-Arten gehören zur Familie der Limulidae, die erstmals in der Mittleren Trias-Zeit, vor rund 240 Millionen Jahren auftrat.



Für die Rekonstruktion der Lebewelt von Franconiolimulus pochankei erwies sich die enge Vernetzung der SNSB Regionalmuseen, zu denen das Jura-Museum Eichstätt gehört, als besonders wertvoll: Durch weitere Funde, die unter anderem am Urweltmuseum Oberfranken in Bayreuth, ebenfalls ein SNSB Regionalmuseum, bearbeitet werden, konnte der Lebensraum von Franconiolimulus pochankei rekonstruiert werden. Vor rund 197 Millionen Jahren lebte der Pfeilschwanzkrebs in einem tropischen Flussarm, umgeben von einem dichten Urwald mit Farnbäumen, Riesenschachtelhalmen und Nadelbäumen. Funde von Tier-Fossilien aus diesem Ökosystem sind außerordentlich selten. Neben dem Pfeilschwanzkrebs sind lediglich wenige Süßwassermuscheln, einige Eier von Haien und Insekten gefunden worden. Das bedeutet aber nicht, dass die Tierwelt individuen- und artenarm gewesen wäre. Ähnlich wie heute in den tropischen Flüssen Südamerikas wurden sämtliche tierischen Überreste von Aasfressern und Bakterien vermutlich sofort zersetzt. Lediglich die schwerer abbaubaren Pflanzen erhielten sich außerordentlich gut.


Diese Newsmeldung wurde mit Material Staatliche Naturwissenschaftliche Sammlungen Bayerns via Informationsdienst Wissenschaft erstellt.

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