Pelzige Südamerikaner in Europa: Biberratten



Bio-News vom 06.08.2020

Vom Menschen eingeführte invasive Arten verursachen in Europa jährlich enorme Schäden und können sich negativ auf die Biodiversität auswirken. Viele dieser Arten befinden sich noch in Ausbreitung, die durch den Klimawandel beschleunigt werden kann. Nun zeigt eine Studie von Biologen der Universität Wien, dass im Falle der Nutria in den nächsten Jahren europaweit mit einer deutlichen Ausbreitung zu rechnen ist.

Wer dieser Tage bei einem Spaziergang an einem Gewässer – etwa entlang der Leitha, March, Mur, aber auch am Neusiedler See oder im Rheindelta – meint, einen Biber gesichtet zu haben, sollte nochmals genau hinschauen, denn es könnte sich auch um eine Biberratte, auch Nutria genannt, handeln – ein nicht ganz bibergroßes, aus Südamerika stammendes Nagetier, das vor allem wegen seines Felles auf vielen anderen Kontinenten eingeführt wurde. Auch in Europa wurde die Nutria häufig in Zuchtfarmen gehalten und vor allem nach dem Zusammenbruch des Pelztiermarktes kam es zu zahlreichen Freisetzungen in die Natur. Heute ist die Nutria in vielen Ländern Europas weit verbreitet, etwa in Deutschland, Frankreich, Italien und Tschechien – nicht ohne Konsequenzen.


Nutrias fühlen sich auch vielerorts in Städten wohl – wie etwa hier neben der hochfrequentierten Karlsbrücke in Prag, wo sie zusammen mit den Wasservögeln reichlich gefüttert werden.

Publikation:


Schertler A, Rabitsch W, Moser D, Wessely J, Essl F
The potential current distribution of the coypu (Myocastor coypus) in Europe and climate change induced shifts in the near future

NeoBiota

DOI: 10.3897/neobiota.58.33118



Ein Nager mit Konfliktpotential

Der wassergebundene Pflanzenfresser bewohnt die Ufer von Flüssen, Seen, Teichen und Sümpfen. Je nach Gegebenheiten werden Höhlensysteme angelegt oder Schilfnester gebaut. Die possierlichen Tiere gelten als anpassungsfähig und siedeln sich auch im urbanen Raum an. Dort erfreuen sie sich wenig scheu der Fütterung durch Tierfreunde, was oft zu einer starken Zunahme der Bestände führt. "Bei hohen Populationsdichten entstehen beträchtliche Schäden an Uferbefestigungen und in der Landwirtschaft, etwa auf Maisfeldern. Auch natürliche Lebensräume und seltene Pflanzenarten können geschädigt werden", erläutert Anna Schertler, Autorin der Studie. Außerdem sind Nutrias potentielle Überträger diverser Krankheiten, etwa der Toxoplasmose. Daher ist die Nutria seit 2015 durch die EU-Verordnung zu invasiven Arten erfasst, mit dem Ziel, eine weitere Ausbreitung in Europa zu verhindern.

und die Zukunft der Nutria

Inwieweit Europa generell für die Nutria geeignet ist, wurde im Rahmen der nun veröffentlichten Studie untersucht. Die Forschenden trugen für ganz Europa die Vorkommensdaten der letzten Jahrzehnte zusammen und identifizierten klimatische Bedingungen, bei denen die Art sich besonders gut halten kann. "Es zeigte sich, dass die derzeit bekannten Vorkommen nicht einmal die Hälfte der potentiell geeigneten Fläche in Europa abdecken und dass somit in den nächsten Jahren mit einer weiteren deutlichen Ausbreitung zu rechnen ist", so Franz Essl, Mitautor der Studie. "Im Zuge des Klimawandels und milderer Winter werden auch nördlichere Regionen zunehmend nutriafreundlicher. Wie die Art auf trockenere und heißere Bedingungen im Süden reagieren wird, sollte aber noch genauer erforscht werden", führt Anna Schertler weiter aus.

Klar ist somit, dass Nutrias langfristig in Europa bleiben werden. Es ist daher sinnvoll, sich auf eine Reduktion der Populationsdichten und somit einhergehender Ausbreitung und Schäden zu konzentrieren. Vor allem in urbanen Gebieten ist Aufklärungsarbeit gefragt, um Wildtierfütterungen und die Folgeschäden davon zu vermeiden. "Auch sind viele länderübergreifende Vorkommen, etwa entlang von Grenzflüssen, zu finden. Hier ist eine koordinierte internationale Zusammenarbeit essentiell", so Anna Schertler.

Wer dieser Tage bei oben erwähntem Spaziergang auf den pelzigen Exoten treffen sollte: Solche Beobachtungen können auf Melde-Plattformen, wie etwa "NaturaList" (siehe Kasten), vermerkt werden. So leistet man einen wertvollen Beitrag für die weitere Erforschung der Verbreitung der Nutria in Europa.


Diese Newsmeldung wurde mit Material der Universität Wien via Informationsdienst Wissenschaft erstellt.


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