Pflanzen zwischen Licht und Schatten
Bio-News vom 16.11.2022
In der Forschung werden Pflanzen häufig unter konstantem Licht angezogen, was nicht den natürlichen Bedingungen in der Natur entspricht. Mit Hilfe von Versuchen auf der Grundlage wechselnder Lichtbedingen, also dem natürlichen Spiel zwischen Licht und Schatten, konnten Forschende die Bedeutung zweier Schlüsselproteine für die dynamische Steuerung der Photosynthese aufdecken.
Pflanzen betreiben zum Wachsen Photosynthese. Dabei geben sie Sauerstoff ab und stellen mithilfe von Sonnenenergie Kohlenhydrate her, die die Nahrungsgrundlage aller Menschen und fast aller Tiere auf der Erde sind. Unter natürlichen Bedingungen kann sich das Lichtangebot innerhalb sehr kurzer Zeit sehr schnell ändern. Verantwortlich dafür sind Wolken, die am Himmel vom Wind vor sich her geblasen werden und für Licht und Schatten sorgen. Auch die Blätter der Pflanzen, die gleichfalls vom Wind bewegt werden, beschatten mal das eine, mal das andere Blatt. Da Pflanzen sesshaft sind, also sich nicht vom Schatten in die Sonne bewegen können, wenn wenig Licht vorhanden ist oder sie sich umgekehrt nicht vom Sonnenlicht in den Schatten begeben können, wenn sie zu starkem Sonnenlicht ausgesetzt sind, müssen sie auf andere Weise auf wechselnde Lichtbedingungen reagieren können.
Publikation:
Thekla von Bismarck, Kubra Korkmaz, Jeremy Ruß, Kira Skurk, Elias Kaiser, Viviana Correa Galvis, Jeffrey A. Cruz, Deserah D. Strand, Karin Köhl, Jürgen Eirich, Iris Finkemeier, Peter Jahns, David M. Kramer und Ute Armbruster
Light acclimation interacts with thylakoid ion transport to govern the dynamics of photosynthesis in Arabidopsis.
New Phytologist, Vol. 236, Issue 5 (2022)
DOI: 10.1111/nph.18534
Wie für uns Menschen ist nämlich zu viel Sonneneinstrahlung auch für Pflanzen schädlich. Insbesondere ein schneller Wechsel zwischen wenig und viel Licht ist für Pflanzen problematisch. Wie die Netzhaut in unseren Augen, nutzen Pflanzen in Ihren Blättern Moleküle, die die Lichtteilchen einfangen. Bei wenig Licht sind diese Lichtfänger sehr effizient, um möglichst viel von dem wenigen Licht aufzufangen. Wenn sich die Lichtbedingungen plötzlich ändern und mehr Licht die Pflanze erreicht, kommt zu viel Lichtenergie in der Pflanze an. Diese Energie kann den empfindlichen Photosynthese Apparat in den Zellen überlasten bzw. schädigen. Pflanzen müssen dementsprechend ihre Photosyntheseleistung ständig den augenblicklichen Gegebenheiten anpassen, um einerseits maximale Lichtausbeute zu erhalten, andererseits aber auch keinen Schaden zu nehmen durch zu viel Licht.
Bisher werden Pflanzen in Gewächshäusern und Laboren fast ausschließlich bei gleichmäßiger Beleuchtung angezogen. Deshalb ist unser Verständnis darüber, wie die Anpassung an wechselnde Lichtbedingungen funktioniert bisher noch sehr begrenzt. Dass kann im schlimmsten Fall dazu führen, dass Pflanzen, die in Laboren und Gewächshäusern gezüchtet wurden, im Feld plötzlich viel schlechter wachsen als erwartet.
Regulierung der Photosynthese bei wechselnden Lichtbedingungen
Die Forscherinnen und Forscher um Dr. Ute Armbruster vom MPI-MP in Potsdam-Golm und David Kramer vom College of Natural Science der Michigan State University (USA) haben für ihre Studie die Modellpflanze Arabidopsis thaliana, zu Deutsch Ackerschmalwand, untersucht. Die Pflanzen wurden unter einer großen Anzahl unterschiedlicher Bedingungen angezogen, darunter statisches, schwankendes und natürliches Licht. Im Zentrum der Studie standen zwei Ionentransportproteine mit den Bezeichnungen VCCN1 und KEA3. Aufgrund, der von ihnen durchgeführten Ionenbewegungen spielen sie eine Schlüsselrolle für die dynamische Anpassung der Photosyntheseleistung. Aus früheren Untersuchungen weiß man, dass VCCN1 bei plötzlich zu starker Lichteinstrahlung einen Sonnenschutz aktiviert, damit die Pflanze keinen Schaden nimmt. Wenn die Lichtintensität nachlässt, baut das zweite Protein KEA3 diesen Sonnenschutz schnell ab, damit die Pflanze wieder mehr Licht einfangen kann. Die beiden Proteine VCCN1 und KEA3 wurden allerdings bisher noch nie unter realistischen Lichtbedingungen untersucht.
Durch einen innovativen neuen Ansatz bei der Photosynthesemessung in Kombination mit dem gezielten Einsatz von Gen-Knockouts – also Pflanzen, deren Gene für VCCN1 und KEA3 ausgeschaltet wurden - konnten die Forscherinnen und Forscher zeigen, dass die Aktivitäten der Proteine VCCN1 und KEA3, von den jeweiligen Wachstumslichtbedingungen abhängen. Aufgrund des Hinweises der Leiterin der Infrastrukturgruppe Pflanzenanbau Dr. Karin Köhl, sich bei der Analyse auf zwei Wachstumslichtfaktoren zu konzentrieren, konnte gezeigt werden, dass sowohl die Lichtmenge, als auch die Anzahl von Lichtveränderung einen starken Einfluss auf die Funktion der Ionentransporter haben. Die Schutzfunktion von VCCN1 ist nur in Pflanzen von Bedeutung die zuvor unter schwachem Licht aufgezogen wurden. Die Aktivität von KEA3 hingegen, welches die Deaktivierung des Schutzes beschleunigt, funktionierte sogar auch während Starklichtphasen, wenn die Pflanzen unter Bedingungen mit viel Licht aufwuchsen. Der Sonnenschutz hängt außerdem vom Ausmaß der Lichtfluktuationen ab, denen die Pflanzen ausgesetzt sind. Bei stark wechselnden Lichtbedingungen produzieren Pflanzen den orangenen Farbstoff Zeaxanthin, welcher an der Sonnenschutzfunktion beteiligt ist. Auch die Produktion dieses Sonnenschutzes wird unter Starklichtbedingungen von KEA3 unterdrückt.
"Unsere Studie zeigt, dass wir die Wirkung von Wachstumslicht und die schnelle Reaktion auf Lichtschwankungen nicht getrennt voneinander betrachten können", so die leitende Autorin der Studie, Thekla von Bismarck. "Die Integration mehrerer Zeitskalen und Stoffwechselebenen auf eine immer komplexere Weise wird die künftige Herausforderung der Pflanzenforschung sein. Diese Herangehensweise wird wichtige Ansätze zur Verbesserung der Ernteerträge auf dem Feld liefern."
Zusammenarbeit und Förderung
Die vorliegende Studie zum Verständnis der dynamischen Photosynthese unter natürlichen Lichtbedingungen wurde durch eine Kombination von Fachwissen und Infrastruktur des MPI-MP und des DOE-Plant Research Laboratory an der Michigan State University ermöglicht.
Die gemeinsamen korrespondierenden Autoren der Veröffentlichung erhielten für die Arbeit an dieser Studie finanzielle Unterstützung durch das ERA CAPS Flux4Lives-Konsortium.
Diese Newsmeldung wurde mit Material des Max-Planck-Instituts für Molekulare Pflanzenphysiologie via Informationsdienst Wissenschaft erstellt.