Schmetterling beweist: Karpaten waren in der Eiszeit teilweise bewaldet
Bio-News vom 12.01.2021
Senckenberg-Wissenschaftler haben die Rückzugsorte des Tagfalters Erebia aethiops während der letzten Eiszeit in Europa untersucht. In ihrer Studie zeigen sie, dass die Schmetterlinge mindestens fünf europäische Gebiete als eiszeitliche Refugium nutzten. Dieses Ergebnis führt zu der Annahme, dass diese Bereiche am Rand der Hochgebirge – anders als bislang vermutet – lokal sogar bewaldet waren und so den Schmetterlingen einen Lebensraum bieten konnten.
Das heutige Verbreitungsgebiet des Waldteufels (oder Graubindiger Mohrenfalter, Erebia aethiops) erstreckt sich vom französischen Zentralmassiv und Nordengland über Mittel- und Osteuropa bis ins östliche Sibirien. Dabei ist der mittelgroße Tagfalter auf Laubmischwälder und deren angrenzende Wiesen angewiesen. „Uns interessierte, wo sich diese Schmetterlinge aus der Familie der Edelfalter in den letzten Eiszeiten seit etwa 500.000 Jahren aufgehalten haben“, erklärt Martin Wendt, Doktorand am Senckenberg Deutsches Entomologisches Institut in Müncheberg, und fährt fort: „Diese sogenannten ‚glazialen Rückzugsgebiete’ sind in der Regel Orte hoher Biodiversität, deren Verständnis unerlässlich für ein gelungenes Naturschutzmanagement ist.“
Publikation:
Wendt, M., Husemann, M., Kramp, K. et al.
Reconstruction of forest dynamics in the Western Palaearctic based on phylogeographic analysis of the ringlet butterfly Erebia aethiops
Sci Rep 11, 201 (2021)
DOI: 10.1038/s41598-020-79376-x
Hierfür untersuchten Wendt und Institutsleiter Prof. Dr. Thomas Schmitt 859 Tiere aus 35 Populationen vom Zentralmassiv in Frankreich über die Alpen und die rumänischen Karpaten bis zu den Bergen Bulgariens. Mittels molekulargenetischer Analysen konnten die Müncheberger Insektenforscher zeigen, dass die Schmetterlinge sich während der letzten Eiszeit in mindestens fünf Gebieten in Europa zurückgezogen haben. „Besonders am Fuß der östlichen Alpen und südlichen Karpaten scheinen über diesen Zeitraum gute Bedingungen für Erebia aethiops geherrscht zu haben“, fügt Wendt hinzu.
Daraus schließen die Forschenden, dass diese Gebiete – anders als bislang vermutet – zumindest teilweise bewaldet gewesen sein müssen. Schmitt resümiert: „Belege für verschiedene Baumarten, wie beispielsweise Pollen, gab es bereits – bislang war es aber unklar, ob es sich hier um einige wenige Bäume oder ein richtiges Ökosystem Wald handelte. In Anbetracht der ökologischen Bedürfnisse unserer untersuchten Art muss es aber eine relativ hohe Baumdichte gegeben haben.“
Der evolutionäre Ursprung dieser Verwandtschaftsgruppe in der Gattung Erebia befindet laut der Studie jedoch im östlichen Asien. „Von dort aus hat sich der Vorfahre des Waldteufels nach Europa ausgebreitet. Heute ist der Tagfalter durch den Verlust seines Lebensraums, strukturreiche Waldränder und lichte Wälder mit artenreicher Vegetation und vielen Blüten, bedroht. Um sinnvolle Naturschutzmaßnahmen umzusetzen, ist es unerlässlich, die Vergangenheit der Tiere und ihr Verhalten bei Umweltveränderungen zu verstehen“, schließt Wendt.
Diese Newsmeldung wurde mit Material des Senckenberg Forschungsinstituts und Naturmuseen via Informationsdienst Wissenschaft erstellt.