Sei mein Schwarm – Buntbarschschwestern schwimmen gemeinsam, um ans Ziel zu kommen
Bio-News vom 24.01.2015
Im Schwarm zu schwimmen bietet vielen Fischen Schutz. Wer aber mit wem schwärmt, ist von Art zu Art unterschiedlich.
Ein Forschungsteam vom Konrad-Lorenz-Institut für Vergleichende Verhaltensforschung der Vetmeduni Vienna hat Buntbarsche im zentralafrikanischen Tanganjikasee untersucht.Die Forschenden beobachteten, dass Weibchen sich im Laufe ihres Lebens weiter vom Geburtsort entfernen als Männchen. Um Risiken zu minimieren und die Verbreitung der eigenen Erbinformation zu sichern, schwimmen die Weibchen dabei häufig mit ihren Schwestern im Schwarm. Die Ergebnisse wurden in der Fachzeitschrift Oecologia veröffentlicht.
Publikation:
Wouter F. D. van Dongen, Richard H. Wagner, Yoshan Moodley und Franziska Lemmel-Schädelin
Sex biases in kin shoaling and dispersal in a cichlid fish
Oecologia
DOI: 10.1007/s00442-014-3079-3
Wie und wohin sich Tiere nach dem Verlassen ihres Nests verbreiten, hängt von der Tierart und den ökologischen Umständen ab. Viele Fische bilden einen Schwarm, um nicht vom nächstbesten Feind gefressen zu werden. Schwimmen Verwandte miteinander im Schwarm, ist der Vorteil noch größer, da der gemeinschaftliche Schutz den eigenen Verwandten zu Gute kommt. Das fördert das Weiterbestehen und die zukünftige Verbreitung der eigenen Erbinformation.
Franziska Lemmel-Schädelin, Wouter van Dongen, Yoshan Moodley und Richard Wagner vom Konrad-Lorenz-Institut für Vergleichende Verhaltensforschung untersuchten Buntbarsche (Neolamprologus caudopunctatus) im zweitgrößten See Afrikas und zweit tiefsten See der Erde, dem Tanganjikasee. Seine Oberfläche beträgt rund 33.000 Quadratkilometer. Das entspricht etwa der Größe von Niederösterreich und Oberösterreich zusammen. Die Forschenden untersuchten dort, wie das Geschlecht und die Größe der Fische ihre Verbreitung und ihr Schwarmverhalten beeinflussen.
Weibchen verbreiten sich weiter als Männchen
Während zahlreicher Tauchgänge im Oktober und November 2008 untersuchten Lemmel-Schädelin und ihre Kolleginnen und Kollegen das Migrationsverhalten und die Verwandtschaftsverhältnisse von mehr als 900 Buntbarschen. Dazu sammelten die Forschenden DNA-Proben der Rückenflossen und dokumentierten Körpergrößen sowie Geschlecht der Barsche. Nach Analyse der Daten zeigte sich, dass sich Weibchen im Laufe ihres Lebens viel weiter von ihren elterlichen Bruthöhlen entfernen als Männchen.
„Um Inzucht oder den Wettkampf um begrenzte Ressourcen zu vermeiden, ist es bei vielen Tieren grundsätzlich so, dass sich ein Geschlecht weiter vom Geburtsort weg bewegt als das andere. Bei Säugetieren sind das meist die Männchen, während die Weibchen eher in der Nähe der Nester bleiben. Im Gegensatz dazu sind es bei der untersuchten Buntbarschart offenbar die Weibchen, die abwandern “, erklärt Verhaltensbiologin Lemmel-Schädelin.
Verwandtschaft im Schwarm fördert Verbreitung der eigenen Gene
Ein weiteres Phänomen fanden die Forschenden bei der Untersuchung der Verwandtschaftsverhältnisse innerhalb der Schwärme. Kleine, und deshalb wahrscheinlich jüngere, Weibchen schwimmen im Schwarm eher mit ihren Schwestern. Kleine Männchen tun das nicht, sondern suchen sich Schwärme mit nicht verwandten Männchen. Bei größeren und somit älteren Fischen findet sich diese Bevorzugung von Schwärmen mit Verwandten nicht mehr.
Richard Wagner erklärt dieses Verhalten so: „Weibchen entfernen sich etwa elf Mal weiter von ihrer Elternhöhle als Männchen. Das ist natürlich mit einer gewissen Gefahr für die Weibchen verbunden. Wir beobachteten, dass sich Weibchen eher mit ihren Schwestern im Schwarm umgeben. Wahrscheinlich, um die Gefahren einer Reise in die Ferne möglichst gering zu halten und die Chancen, dass es wenigstens eine aus der Familie schafft, zu erhöhen.“
„Die Forschung an Buntbarschen ist aus evolutionsbiologischer Sicht besonders interessant“, meint Lemmel-Schädelin. „In den drei größten afrikanischen Seen, dem Victoriasee, dem Tanganjikasee und dem Malawisee leben Buntbarscharten, die von arten- und anzahlarmen Gründerpopulationen abstammen. Diese Stammtiere gelangten über Flüsse in die Seen. Sie fanden dort verschiedene ökologische Nischen vor und entwickelten sich daraufhin sehr unterschiedlich. Aus diesem Grund lässt sich in diesen Gewässern sozusagen der Evolution über die Schulter schauen und besonders die Bildung neuer Arten sowie ein reiches Repertoire an unterschiedlichsten Verhaltensweisen erforschen“, schwärmt Lemmel-Schädelin.
Diese Newsmeldung wurde via Informationsdienst Wissenschaft erstellt.