Spermien sind Meister des platzsparenden Packens



Bio-News vom 11.07.2022

Wer anlässlich des nahenden Urlaubs über den wieder einmal viel zu kleinen Koffer stöhnt, der sollte sich ein Beispiel an den menschlichen Spermien nehmen. Bei der Spermienproduktion muss eine gewaltige Menge DNA auf engstem Raum verpackt werden, ohne dass dabei etwas kaputt geht. Eine zentrale Rolle spielen dabei bestimmte Proteine, um die sich der DNA-Faden wickelt – die Protamine.

Spermien stehen während ihrer Produktion vor einer nahezu unlösbaren Aufgabe: Sie müssen 23 DNA-Fäden mit einer Gesamtlänge von einem Meter in einem Kopf verpacken, dessen Durchmesser gerade einmal drei tausendstel Millimeter beträgt. Und dabei dürfen sich die hauchfeinen Fäden weder zu einem unentwirrbaren Knoten verschlingen, noch dürfen sie reißen.


Spermien künstlerisch dargestellt.

Publikation:


Lena Arévalo, Gina Esther Merges, Simon Schneider, Franka Enow Oben, Isabelle Sophie Neumann, Hubert Schorle
Loss of the cleaved-protamine 2 domain leads to incomplete histone-to-protamine exchange and infertility in mice
PLOS Genetics

DOI: 10.1371/journal.pgen.1010272



Wir setzen uns schon einmal auf den Koffer, um ihn zu schließen. Der Körper greift bei der Spermien-Entstehung zu einem ähnlichen Trick: Normalerweise bildet die DNA ein vergleichsweise lockeres Knäuel. In den Samenzellen wird sie jedoch enorm komprimiert. „Würde sie im Normalfall so viel Raum einnehmen wie eine Wassermelone, wäre sie danach nur noch so groß wie ein Tennisball“, verdeutlicht Prof. Dr. Hubert Schorle vom Institut für Pathologie des Universitätsklinikums Bonn den Prozess mit einem Bild.

DNA muss enorm komprimiert werden

Biologinnen und Biologen sprechen auch von Hyperkondensation. In ihrem lockeren Zustand sind die DNA-Fäden um zahlreiche kugelförmige Eiweißmoleküle gewickelt, die Histone. Sie ähneln in diesem Zustand 23 winzig kleinen Perlenketten. Bei der Hyperkondensation werden die Histone zunächst gegen Übergangs-Proteine ausgetauscht. Diese werden in einem Folgeschritt gegen sogenannte Protamine ersetzt. Aufgrund ihrer chemischen Zusammensetzung üben Protamine eine sehr starke Anziehungskraft auf die DNA aus. Der Faden legt sich daher in sehr straffen und engen Schleifen um sie.

Dr. Lena Arévalo (re.) und Prof. Dr. Schorle (li.) diskutieren die Ergebnisse.

„Die meisten Säugetiere scheinen nur eine einzige Sorte von Protaminen zu produzieren, das PRM1“, erklärt Dr. Lena Arévalo, die in der Arbeitsgruppe von Prof. Schorle habilitiert. „Bei Menschen, aber auch Nagetieren wie der Maus ist das anders – sie verfügen noch über einen zweiten Typ, das PRM2.“ Wozu dieses zweite Protamin genau benötigt wird, war bislang nicht bekannt. Man wusste jedoch, dass von ihm während der Spermien-Entwicklung sukzessive einige Teile abgeschnitten werden.

Und genau diese abgeschnittenen Teile scheinen der neuen Studie zufolge immens wichtig zu sein: Wenn Mäuse nur ein verkürztes PRM2-Molekül produzieren, dem die normalerweise entfernten Schnipsel fehlen, dann sind sie unfruchtbar. „Der Ausbau der Übergangs-Proteine im Zuge der Hyperkondensation ist bei ihnen gestört“, sagt Arévalo. „Außerdem scheint die Verdichtung bei ihnen zu schnell abzulaufen, sodass die DNA-Fäden brechen oder anderweitig Schaden nehmen.“

Hoffnung auf Therapien gegen männliche Unfruchtbarkeit

Möglicherweise kann ein defektes Protamin 2 auch bei Männern unserer eigenen Spezies zur Unfruchtbarkeit führen. Die Bonner Arbeitsgruppe will dieser These nun weiter nachgehen. „Es gibt nur wenige Gruppen, die die Rolle der Protamine bei der Hyperkondensation analysieren“, sagt Schorle, der auch Mitglied im Transdisziplinären Forschungsbereich (TRA) „Leben und Gesundheit“ der Universität Bonn ist. „Als bislang einzigem Labor weltweit ist es uns gelungen, Mauslinien zu züchten, mit denen sich bestimmte Defekte beider PRM-Gene gezielt studieren lassen. Das ermöglicht es uns und anderen, die Prozesse bei der Spermienentstehung weiter zu erforschen.“ Mittelfristig könnten daraus auch neue Therapien gegen Infertilität des Mannes erwachsen, hofft der Forscher.


Diese Newsmeldung wurde mit Material der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn via Informationsdienst Wissenschaft erstellt

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