Süße Tomaten durch Mykorrhiza



Bio-News vom 04.11.2020

Mykorrhizapilze sind als natürlicher Dünger im Garten- und Landschaftsbau immer mehr gefragt. Wissenschaftlern ist es erstmals gelungen, ein Mykorrhizasubstrat für die kommerzielle Tomatenproduktion zu entwickeln. Dabei erwiesen sich die Früchte mykorrhizierter Pflanzen als qualitativ hochwertiger, als die der nicht-mykorrhizierten Pflanzen.

Die Mykorrhiza ist eine Symbiose zwischen Pilzen und Pflanzen, die weit verbreitet ist. Etwa 80 Prozent aller Landpflanzen gehen diese Lebensgemeinschaft mit ca. 200 verschiedenen Arten von Mykorrhizapilzen ein. Viele Pflanzenarten sind zum optimalen Wachstum auf ihre spezifischen Mykorrhizapilze angewiesen. Der Pilz besiedelt die Wurzel der Pflanze und versorgt seinen Wirt mit Wasser und Nährstoffen, wie Stickstoff und Phosphat. Im Gegenzug erhält er von der Pflanze Zucker, der das eigene Überleben sichert. Im Ergebnis der Symbiose wächst die Pflanze schneller, bildet mehr Biomasse und Früchte und ist oft resistenter gegen Trockenstress und Krankheitsbefall.


Tomatenanzucht zu Forschungszwecken im IPB-Gewächshaus.

Publikation:


Ramona Schubert, Stephanie Werner, Hillary Cirka , Philipp Rödel , Yudelsy Tandron Moya, Hans-Peter Mock, Imke Hutter, Gotthard Kunze & Bettina Hause
Effects of Arbuscular Mycorrhization on Fruit Quality in Industrialized Tomato Production
International Journal of Molecular Sciences 2020, 21 (19), 7029

DOI: 10.3390/ijms21197029



Die Kultivierung der Pilze als heilsbringende Symbiosepartner von Kulturpflanzen steht jedoch vor vielen Herausforderungen, da einige Pflanzenarten sich gar nicht mykor­rhizieren lassen und andere die Symbiose nur unter bestimmten Bedingungen und bevorzugt mit bestimmten Pilzarten eingehen. Professionelle Hersteller von Mykorrhiza-Präparaten sind daher ständig auf der Suche nach passenden Pilzarten und optimalen Besiedlungsbedingungen für ausgewählte Kulturpflanzenarten. Für den kommerziellen Anbau von Tomatenpflanzen in Gewächshäusern beispielsweise gibt es bisher kein geeignetes Mykorrhizasubstrat. Unter Laborbedingungen hingegen können Tomaten gut mykorrhiziert werden, was am IPB seit Jahren erfolgreich zu Forschungszwecken geschieht. Das war der Grund, das KMU-Kooperationsprojekt Mycotom ins Leben zu rufen. Mit dem Ziel, die Erkenntnisse aus der Mykorrhiza-Forschung in die Praxis zu transferieren, starteten die beiden Leibniz-Institute IPB und IPK gemeinsam mit der INOQ GmbH im Januar 2017 ihre eigene fruchtbare Symbiose.

Zusammen mit dem IPK erfolgte zunächst die Suche nach tomatenspezifischen Mykorrhizapilzen, die mit kommerziellen Sorten, wie Picolino und Brioso interagieren. Als geeignet erwies sich Rhizophagus irregularis, ein Mykorrhizapilz, der weltweit verbreitet ist und viele Pflanzenarten besiedelt. Am IPB unter Leitung von Mykorrhiza-Expertin Professor Bettina Hause wurden dann verschieden Bodensubstrate getestet. In großen Gewächshäusern für den kommerziellen Anbau verwendet man zumeist Kokosmatten zur Anzucht der Pflanzen – in der Forschung hingegen Blähton. „Das Kokossubstrat erwies sich als gänzlich ungeeignet zur Mykorrhizierung“, konstatiert Bettina Hause. „Wir haben lange Testreihen mit Substraten durchgeführt, die unterschiedliche Kokos- und Torfanteile aufweisen, ehe wir eine geeignete Mischung fanden, auf der sich die Pflanzen mykorrhizieren lassen.“

Ein noch größeres Problem stellte die Düngung dar. Tomatenpflanzen lassen die Besiedlung durch den Mykorrhizapilz nur dann zu, wenn sie in Not sind. Unter Laborbedingungen stresst man die Pflanzen, indem man ihnen nur 20 Prozent ihrer benötigten Phosphatmenge zugesteht. Unter diesem Nährstoffmangel mykorrhizieren die Pflanzen sehr schnell, um mit Hilfe des Pilzes noch die letzten Mineralien aus dem Boden zu ziehen. Unter kommerziellen Anzuchtbedingungen hingegen werden die Pflanzen voll gedüngt, damit die Ernte reich und vollmundig ausfällt. Die IPB-Wissenschaftler fanden heraus, dass die Pflanzen bei einem Phosphatangebot von 70% die Besiedlung ihrer Wurzeln mit Rhizophagus irregularis zulassen, ohne dabei einen Ertragsverlust zu erfahren. „Die Mykorrhizierung erfolgt hier zwar langsam, aber sie ist stabil“, sagt Bettina Hause.

Im Anschluss an die geglückte Mykorrhizierung unter Großanzuchtbedingungen entdeckten die Wissenschaftler, dass die Symbiose sich auch auf den Geschmack der Tomaten positiv auswirkt. Früchte von mykorrhizierten Pflanzen enthielten mehr Zucker, mehr antioxidativ wirksames Lycopin und sehr viel mehr Aminosäuren als jene der nicht-mykorrhizierten Kontrollpflanzen. Fazit: Wer gesunde und schmackhafte Tomaten will, sollte die Pflanzen mykorrhizieren. Mit Hilfe dieser Ergebnisse entwickelt die INOQ GmbH kommerziell erhältliche Mykorrhiza-Substrate, die von Züchtern und Gärtnern als natürlicher Dünger eingesetzt werden können. Besonders bei Tomaten-Großproduzenten wird sich dieser Schritt auch finanziell auswirken, da an mineralischem Phosphordünger gespart werden kann.

Vor allem wegen ihrer Fähigkeit Phosphate aus dem Erdreich zu mobilisieren, spielen Mykorrhizapilze auch bei der Einsparung von Mineraldünger eine Rolle, denn die natürlichen Vorräte an anorganischem Phosphor werden in ca. 40-70 Jahren aufgebraucht sein. Mykorrhizapräparate finden zunehmend nicht nur im Garten- und Landschaftsbau, sondern auch zur Rekultivierung von Bergbaufolgelandschaften, zur Sanierung von schwermetall- und salzbelasteten Flächen, bei Deponiebegrünungen und Aufforstungen Verwendung.


Diese Newsmeldung wurde mit Material des Instituts für Pflanzenbiochemie via Informationsdienst Wissenschaft erstellt

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