Transpolardrift geschwächt – Meereis schmilzt bereits in seiner Kinderstube



Bio-News vom 02.04.2019

Neue AWI-Meereis-Studie offenbart extremes Ausmaß der Meereisschmelze in der Arktis.

Der starke Eisrückgang in der Arktis beeinflusst das Meereis auf seiner Wanderung über den Arktischen Ozean. Wie Forschende des Alfred-Wegener-Instituts, Helmholtz-Zentrum für Polar- und Meeresforschung in einer neuen Studie berichten, erreichen heutzutage nur noch 20 Prozent des Meereises, welches in den flachen, russischen Randmeeren des Arktischen Ozeans entsteht, tatsächlich die zentrale Arktis und begeben sich dort auf die sogenannte Transpolardrift. 80 Prozent des jungen Eises dagegen schmelzen, bevor es seine Kinderstube verlassen hat. Vor dem Jahr 2000 waren es nur 50 Prozent. Damit rückt nicht nur ein eisfreier Sommer in der Arktis einen weiteren Schritt näher. Mit dem Meereis geht dem Arktischen Ozean auch ein wichtiges Transportmittel für Nährstoffe, Algen und Sedimente verloren, berichten die Wissenschaftler. Die neue Studie erscheint am 2. April als Open-Access-Artikel im Online-Fachmagazin Scientific Reports und ist frei zugänglich.

Die flachen russischen Schelf- oder Randmeere des Arktischen Ozeans gelten als Kinderstube des arktischen Meereises. In der Barentssee, der Karasee, der Laptewsee und in der Ostsibirischen See wird im Winter nämlich am laufenden Band Meereis produziert. Verantwortlich dafür sind extrem niedrige Lufttemperaturen von bis zu minus 40 Grad Celsius sowie ein starker, ablandiger Wind, der das im Flachwasserbereich gebildete junge Eis auf das Meer hinausschiebt. Im Verlauf des Winters wird das junge Meereis dann von der Transpolardrift erfasst, einer der zwei Hauptströmungen des Arktischen Ozeans. Sie transportiert die Eisschollen innerhalb von zwei bis drei Jahren aus dem sibirischen Teil des Nordpolarmeeres quer durch die zentrale Arktis bis in die Framstraße, wo das Meereis schließlich schmilzt. Vor zwei Jahrzehnten trat noch rund die Hälfte des Eises aus den russischen Schelfmeeren diese transarktische Reise an. Mittlerweile aber sind es nur noch 20 Prozent. Die restlichen 80 Prozent des jungen Eises schmelzen, noch bevor es älter als ein Jahr ist und die zentrale Arktis erreichen konnte.


Um die Folgen eines sich ändernden Eis- und Stofftransport für das Ökosystem Arktis besser abschätzen zu können, werden Proben genommen, anhand derer sich die Menge an eingeschlossenen Materials bestimmen lässt. Beispielsweise in Form von Eiskernen die durch die Forscher des Alfred-Wegener-Instituts regelmäßig auf Expeditionen mit dem Eisbrecher Polarstern gezogen und anschließend analysiert werden.

Publikation:


Thomas Krumpen, H. Jakob Belter, Antje Boetius, Ellen Damm, Christian Haas, Stefan Hendricks, Marcel Nicolaus, Eva-Maria Nöthig, Stephan Paul, Ilka Peeken, Robert Ricker, Rüdiger Stein
Arctic warming interrupts the Transpolar Drift and affects longrange transport of sea ice and ice-rafted matter
Scientific Reports

DOI: 10.1038/s41598-019-41456-y



Bestätigt wird dieser Trend durch die Ergebnisse von Meereisdicken-Messungen in der Framstraße, welche die AWI-Meereisphysiker regelmäßig durchführen. „Eis, das heutzutage die Arktis durch die Framstraße verlässt, ist rund 30 Prozent dünner als noch vor 15 Jahren. Gründe dafür sind zum einen die steigenden Wintertemperaturen in der Arktis sowie eine deutlich früher einsetzende Schmelzsaison. Zum anderen wurde dieses Eis eben nicht mehr in den Schelfmeeren gebildet, sondern viel weiter nördlich. Es hatte demzufolge deutlich weniger Zeit, durch die Arktis zu treiben und zu mächtigerem Packeis heranzuwachsen“, erklärt Thomas Krumpen.

Jene Eisschollen, welche die Transpolardrift heute noch bis in die Framstraße trägt, werden größtenteils auf hoher See, also in küstenfernen Regionen des Arktischen Ozeans gebildet. Im Gegensatz zum Eis aus den Schelfmeeren enthalten sie daher deutlich weniger Partikel wie zum Beispiel Algen, Schweb- und Nährstoffe. Denn Wellen, Wind und Gezeiten wirbeln in flachen Küstenzonen deutlich mehr Partikel vom Meeresboden auf als auf hoher See. Außerdem tragen Flüsse wie die Lena und der Jenissei viele Schwebstoffe und Mineralien in den Küstenbereich ein, die dann beim Gefrieren des Wassers im Eis eingeschlossen werden.

In den flachen Zonen der Barentssee, der Karasee, der Laptewsee und in der Ostsibirischen See wird im Winter am laufenden Band Meereis produziert. Verantwortlich dafür sind extrem niedrige Lufttemperaturen von bis zu minus 40 Grad Celsius sowie ein starker, ablandiger Wind, der das im Flachwasserbereich gebildete junge Eis auf das Meer hinausschiebt. Dabei werden Algen, Schweb- und Nährstoffe an die Oberfläche gemischt und in das Eis mit eingebaut.

Transportierte das Meereis aus den Schelfmeeren diese mineralische Fracht früher bis in die Framstraße, so entlassen die schmelzenden Schollen sie heute bereits auf ihrem Weg in die zentrale Arktis. In der Framstraße dagegen kommt weniger Material in einer anderen Zusammensetzung an. Diese Erkenntnis resultiert unter anderem aus Sinkstoffanalysen, die AWI-Biologen seit etwa zwei Jahrzehnten in der Framstraße durchführen. „Anstelle sibirischer Mineralien landen mittlerweile mehr Überreste abgestorbener Algen und Kleinstlebewesen in unseren Sedimentfallen“, sagt Co-Autorin Eva-Maria Nöthig. Langfristig sei zu erwarten, dass die Veränderung des Partikeltransportes durch das Meereis die biogeochemischen Kreisläufe und ökologischen Prozesse im zentralen Arktischen Ozean nachhaltig verändern werde.

Die Entwicklung des Meereises und die ökologischen Prozesse im Arktischen Ozean sind auch Forschungsfragen auf der MOSAiC-Expedition, die im September startet. Dabei wird der deutsche Eisbrecher Polarstern in die Arktis aufbrechen und ein Jahr lang fest eingefroren im arktischen Eis durch das Nordpolarmeer driften. Versorgt von weiteren Eisbrechern und Flugzeugen werden insgesamt 600 Menschen aus 17 Ländern an der Expedition teilnehmen. Ein Vielfaches an Wissenschaftlern wird mit den Daten arbeiten, um die Klima- und Ökosystemforschung auf ein neues Niveau zu heben. Geleitet wird diese größte Arktis-Forschungsexpedition aller Zeiten vom Alfred-Wegener-Institut.


Diese Newsmeldung wurde mit Material des Informationsdienstes der Wissenschaft (idw) erstellt

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