Vegetarier sind schlanker und weniger extrovertiert als Fleischesser
Bio-News vom 15.06.2020
Je weniger tierische Produkte man zu sich nimmt, desto geringer ist der Body-Mass-Index und desto weniger neigt man zu Extrovertiertheit. Zu dieser Erkenntnis kommt eine großangelegte Studie von Wissenschaftlerinnen des Max-Planck-Instituts für Kognitions- und Neurowissenschaften. Ein Zusammenhang mit depressiven Verstimmungen, wie ihn andere Untersuchungen gefunden hatten, konnte sie dagegen nicht bestätigen.
Mehr als 6,1 Millionen Deutsche gaben laut einer Erhebung des Allensbach-Instituts im vergangenen Jahr an, sich vegetarisch zu ernähren, 400.000 Menschen mehr als zwei Jahre zuvor. Eine großangelegte Studie am Max-Planck-Instituts für Kognitions- und Neurowissenschaften (MPI CBS) in Zusammenarbeit mit dem Uniklinikum Leipzig hat nun an fast 9.000 Personen untersucht, wie diese Form der Ernährung mit dem Körper und der Psyche zusammenhängt – unabhängig von Alter, Geschlecht und Bildungsstand.
Dabei zeigte sich: Je seltener der Anteil tierischer Nahrung auf dem Speiseplan einer Person ist, desto geringer ist im Schnitt ihr Body-Mass-Index (BMI) und damit ihr Körpergewicht. Eine Ursache dafür könnte der geringere Anteil an stark verarbeiteten Lebensmitteln in der pflanzlichen Ernährung sein. „Dick machen vor allem übermäßig fett- und zuckerreiche Produkte. Sie regen den Appetit an und zögern das Sättigungsgefühl heraus. Verzichtet man auf tierische Nahrungsmittel, nimmt man im Schnitt weniger solcher Produkte zu sich“, erklärt Evelyn Medawar, Erstautorin der zugrundeliegenden Publikation, die jetzt im Fachmagazin Nutrients erschienen ist. Zudem: Vegetarische Lebensmittel enthalten Ballaststoffe und wirken sich positiv auf das Mikrobiom im Darm aus. Auch dadurch könnten sie früher satt machen als solche aus tierischen Zutaten. „Menschen, die sich vorwiegend pflanzlich ernähren, nehmen daher womöglich weniger Energie auf“, fügt Medawar hinzu. Neben einem veränderten Sättigungsgefühl könnten zudem Lebensstilfaktoren wie mehr Sport und ein höheres Gesundheitsbewusstsein eine entscheidende Rolle spielen.
Für den BMI scheint es dabei auch einen Unterschied zu machen, von welchen tierischen Produkten sich eine Person ernährt. Sind es vorwiegend sogenannte primäre Tierprodukte, das heißt Fleisch, Wurst und Fisch hat sie meist einen höheren BMI als jemand, der vorranging sekundäre Tierprodukte isst, also Eier, Milch, Milchprodukte, Käse und Butter. In ersterem Falle ist der Zusammenhang statistisch signifikant.
Publikation:
Evelyn Medawar, Cornelia Enzenbach, Susanne Roehr, Arno Villringer, Steffi Riedel-Heller, and A. Veronica Witte
Less animal-based food, better weight status: Associations of the restriction of animal-based product intake with body-mass-index, depressive symptoms and personality in the general population
Nutrients 12 (5), 1492 (2020)
DOI: 10.3390/nu12051492
Was das für die Ernährung bedeuten könnte, macht Medawar an einem Beispiel fest: „Dass eine Person einen 1,2 Punkte niedrigeren BMI hatte, bedeutete im Durchschnitt, dass sie auf bestimmte tierische Produkte ganz verzichtete, also etwa die primären, und sich vegetarisch ernährte. Oder dass sie zwar auch weiterhin Fleisch und Fisch aß, diese dafür aber insgesamt seltener.“ Ob letztlich die Ernährung die Ursache für ein geringeres Körpergewicht ist oder andere Faktoren dafür verantwortlich sind, lässt sich anhand der Daten nicht sagen. Aufschluss darüber soll nun eine Folgestudie in Zusammenarbeit mit dem Uniklinikum bringen.
Pflanzliche Ernährung und Persönlichkeit
Die Forscherinnen fanden zudem heraus, dass vegetarische oder vegane Ernährung auch mit der Persönlichkeit zusammenhängt. Insbesondere mit einem der fünf großen Persönlichkeitsfaktoren, der Extrovertiertheit. Es zeigte sich, dass Menschen mit vorwiegend pflanzlichen Lebensmitteln auf dem Speiseplan introvertierter sind als solche, die sich vorrangig von Tierprodukten ernährten. „Woran das liegt, ist schwer zu sagen“, so Veronica Witte. „Es könnte daran liegen, dass introvertiertere Personen eher zu restriktiverem Essverhalten neigen oder sich aufgrund ihres Essverhaltens stärker sozial abgrenzen.“ Auch hier müssten weitere Studien dazu folgen, wie sich Menschen mit den Eigenschaften ihrer Ernährung identifizierten.
Dass pflanzliche Ernährung mit neurotischem Verhalten einhergeht, wie es andere Studien vermuten ließen, konnten sie hingegen nicht bestätigen. „Frühere Analysen hatten herausgefunden, dass neurotischere Menschen generell häufiger bestimmte Gruppen an Lebensmitteln weglassen und sich dahingehend restriktiver verhalten. Wir fokussierten uns hier allein auf den Verzicht von tierischen Produkten und konnten keine Korrelation beobachten“, erklärt Studienleiterin Veronica Witte.
In einem dritten Teil gingen sie schließlich der Frage nach, ob eine vorwiegend pflanzliche Ernährung häufiger mit depressiven Verstimmungen einhergeht. Auch hier hatten frühere Studien eine Beziehung zwischen beiden Faktoren nahelegt. „Auch das konnten wir nicht erkennen“, sagt Witte. „Möglicherweise hatten in früheren Analysen andere Faktoren die Ergebnisse verwischt, darunter der BMI oder auffällige Persönlichkeitsmerkmale, die bekanntermaßen mit Depressionswerten zusammenhängen können. Die rechneten wir heraus.“ Auch die stärkere Akzeptanz und Verbreitung pflanzlicher Ernährung könnten hier mit reinspielen.
Untersucht hatten die Wissenschaftlerinnen diese Zusammenhänge innerhalb des sogenannten LIFE-Projekts, einer breit angelegten Studie in Kooperation mit dem Uniklinikum Leipzig. Die Ernährungsweise bestimmten sie anhand von Fragebögen, in die die Teilnehmer eintragen sollten, wie häufig sie die einzelnen Tierprodukte in den letzten 12 Monaten zu sich nahmen – von „mehrmals täglich“ bis „nie“. Die Persönlichkeitsmerkmale wie Extrovertiertheit und Neurotizismus erhoben sie anhand eines sogenannten Persönlichkeitsinventars (NEOFFI), die Depressivität mit dem sogenannten CESD-Test, einem Fragenbogen, der verschiedene Symptome einer Depression erfasst.
Diese Newsmeldung wurde mit Material des Max-Planck-Instituts für Kognitions- und Neurowissenschaften via Informationsdienst Wissenschaft erstellt.