Weltweite Bedrohung von Primaten betrifft uns alle
Bio-News vom 19.01.2017
Wissenschaftler des Deutschen Primatenzentrums (DPZ) fordern zusammen mit einem internationalen Expertenteam sofortige Maßnahmen zum Schutz von Primaten.
Weltweit sind 60 Prozent der derzeit rund 500 bekannten Primatenarten vom Aussterben bedroht. Primaten leben in tropischen und subtropischen Gebieten der Erde und sind vor allem in Regionen Afrikas, Südamerikas, Madagaskars und Asiens verbreitet. Dennoch ist das Artensterben ein globales Problem. Ein internationales Forscherteam, dem auch zwei Wissenschaftler des Deutschen Primatenzentrums – Leibniz-Institut für Primatenforschung angehören, bewerteten in ihrer Studie die wirtschaftliche, soziale, kulturelle, ökologische und wissenschaftliche Bedeutung von Primaten und die globalen Konsequenzen des Artensterbens. Sie rufen dazu auf, das Bewusstsein für die bevorstehenden Aussterbeereignisse zu stärken und umzudenken. Sofortige Maßnahmen zum Schutz der Primaten sollten auf Erhaltung und Nachhaltigkeit ausgerichtet sein (Science Advances).
Publikation:
Estrada, A. et al.
Impending extinction crisis of the world’s primates: why primates matter
Sci. Adv. 2017;3: e1600946
Goldstumpfnasen, Kattas, Java-Plumploris oder Rotkehl-Nachtaffen - noch ist die Artenvielfalt von Primaten groß. Sie sind ein wesentlicher Bestandteil der tropischen Biodiversität, tragen zur natürlichen Regeneration und damit zum Funktionieren tropischer Lebensräume bei und sind integraler Bestandteil vieler Kulturen und Religionen. Weltweit stehen über die Hälfte aller Primatenarten vor dem Aussterben. Um abschätzen zu können, wie stark der Mensch das Artsterben beeinflusst, kombinierte das Forscherteam Daten der internationalen Roten Liste der Weltnaturschutzorganisation IUCN (International Union for the Conservation of Nature) mit Daten aus der Datenbank der Vereinten Nationen (United Nations).
Für die nächsten 50 Jahre sagen die Wissenschaftler Aussterbeereignisse vieler Arten voraus. „Der Mensch greift immer stärker in den Lebensraum der Primaten ein und beutet die natürlichen Ressourcen aus“, erklärt Christian Roos, Wissenschaftler am Deutschen Primatenzentrum (DPZ) und Co-Autor der Studie.
Primaten leben meist in Regionen, in denen große Armut und mangelnde Bildung herrscht. Diese Bedingungen zwingen die Bevölkerung dazu, Raubbau an den Umweltressourcen zuzulassen. Umfangreiche Waldregionen werden abgeholzt und gerodet um freie Flächen zum Beispiel für Landwirtschaft nutzen zu können. Für den Transport und Export der Güter werden Straßennetze durch die Wälder gebaut. Rund 76 Prozent der Arten haben durch Landwirtschaft große Teile ihrer Lebensräume verloren. Das Artensterben wird auch direkt durch illegale Jagd und Handel mit Primaten in großem Maßstab beeinflusst.
In manchen Regionen sind bis zu 90 Prozent der Arten betroffen. Sofortmaßnahmen in diesen Regionen sollten darauf ausgerichtet sein, die Gesundheit und den Zugang zu Bildung für die regionale Bevölkerung zu verbessern. Nachhaltige Flächennutzungspläne sollten entwickelt werden, um traditionelle Lebensgrundlagen zu erhalten, die zur Ernährungssicherheit und zum Umweltschutz beitragen. „Die Lebens- und Wirtschaftsweise in den industrialisierten Ländern trägt zur Bedrohung von Primaten bei. Viele der Ressourcen und Produkte, zu deren Gewinnung Lebensräume von Primaten vernichtet werden, wie beispielsweise Bodenschätze, Rindfleisch, Palmöl und Soja, werden letztlich in den industrialisierten Ländern verbraucht“, sagt Eckhard W. Heymann, Wissenschaftler am DPZ und Co-Autor der Studie.
Das Expertenteam ruft Regierungsverantwortliche, Wissenschaftler, internationale Organisationen, Nichtregierungsorganisationen, die Wirtschaft und Bürger dazu auf, das Bewusstsein für die Aussterbeereignisse zu stärken und sich der Konsequenzen für den Menschen bewusst zu werden. „Arterhaltung ist eine ökologische, kulturelle und soziale Notwendigkeit. Wenn unsere nächsten Verwandten, die nicht-menschlichen Primaten, aussterben, ist dies ein Alarmsignal, dass sich die Lebensbedingungen auch für Menschen sehr bald dramatisch verschlechtern“, so Heymann.
Diese Newsmeldung wurde via Informationsdienst Wissenschaft erstellt.