Wie extensiv genutztes Grünland besser mit dem Klimawandel zurechtkommt



Bio-News vom 22.07.2024

Der Klimawandel beeinflusst zukünftig die Artenvielfalt und Produktivität von Wiesen und Weiden erheblich. Die Ausmaße dieser Veränderungen sind jedoch von der Bewirtschaftungsweise abhängig. Dies ist das Ergebnis einer Studie, bei der ein Forschungsteam Daten aus dem umfangreichen Klima- und Landnutzungsexperiment GCEF analysiert hat, das seit einem Jahrzehnt am UFZ durchgeführt wird. Hochleistungsgrünland zeigt sich dabei anfälliger für Dürreperioden als weniger intensiv bewirtschaftete Flächen. Dies könnte erhebliche wirtschaftliche Folgen für die betroffenen Landwirte haben, warnen die Wissenschaftler.

Grünland zählt zu den bedeutendsten und am häufigsten vorkommenden Ökosystemen unseres Planeten. Diese offenen Flächen, die von Gräsern und Kräutern dominiert werden, nehmen nicht nur über ein Viertel der globalen Landfläche ein, sondern speichern auch mindestens ein Drittel des terrestrischen Kohlenstoffs. Sie spielen eine wesentliche Rolle in der Nahrungsmittelproduktion und können auf vergleichsweise geringer Fläche eine hohe Artenvielfalt aufweisen. Doch welche Perspektiven bieten sich für diese Lebensräume? Aktuelle Studien bieten hierzu neue Einsichten.


Kühe auf einer artenreichen Weide.

Publikation:


Lotte Korell, Martin Andrzejak, Sigrid Berger et al.
Land use modulates resistance of grasslands against future climate and inter-annual climate variability in a large field experiment

Global Change Biology (2024)

DOI: https://doi.org/10.1111/gcb.17418



Es ist bereits bekannt, dass hauptsächlich zwei Faktoren die Grasländer weltweit bedrohen. In Europa werden diese Gebiete heute stärker gedüngt, öfter gemäht und intensiver beweidet als in der Vergangenheit. Landwirte bevorzugen zudem das Aussäen weniger Grassorten, die hohe Erträge liefern. Diese gesteigerte Landnutzung beeinflusst die Artenvielfalt und die Funktionalität von Wiesen und Weiden erheblich. Ähnliche Auswirkungen hat der Klimawandel, der in Deutschland unter anderem zu einer Veränderung der saisonalen Niederschlagsverteilung und einer Zunahme hydrologischer Extreme wie Starkregen und Dürren führen wird. Dieser wird als ein weiterer bedeutender Risikofaktor für diese Ökosysteme angesehen.

Wenn beide Entwicklungen zusammenkommen, können sie sich gegenseitig verstärken. Was dabei im Einzelnen passiert, weiß allerdings noch niemand so genau. Denn die meisten Experimente zu diesem Thema haben sich bisher entweder auf das Klima oder auf die Landnutzung konzentriert. „Das Besondere an unserer Studie ist, dass wir das Zusammenspiel beider Faktoren untersucht haben“, erklärt Dr. Lotte Korell, Biologin am UFZ und Erstautorin der Publikation.


Artenreiche, extensiv bewirtschaftete Mähwiese in der GCEF, dem Klima- und Landnutzungs-Experiment des UFZ
Artenarmes, intensiv bewirtschaftetes Grünland in der GCEF, dem Klima- und Landnutzungs-Experiment des UFZ

Das Langzeitexperiment des UFZ in Bad Lauchstädt, bekannt als GCEF (Global Change Experimental Facility), ermöglichte dies. Es umfasst 50 Parzellen, jede 16 mal 24 Meter groß, die unterschiedlich intensiv bewirtschaftet werden. Mit Foliendächern können dort Temperaturen und Niederschlagsmengen verändert werden. So bekommen manche Flächen im Frühling und Herbst zehn Prozent mehr und im Sommer zwanzig Prozent weniger Niederschlag im Vergleich zu den unbeeinflussten Kontrollflächen, was den erwarteten klimatischen Bedingungen für Mitteldeutschland in der Zukunft entspricht.

In die neue Studie floss eine achtjährige Datenreihe aus diesem Experiment ein. Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler werteten die Artenvielfalt und die Produktivität der Pflanzen auf den verschieden bewirtschafteten Flächen von 2015 bis 2022 aus. „In diese Zeit fielen drei der trockensten Jahre, die diese Region seit dem Beginn der Aufzeichnungen erlebt hat“, erinnert sich Lotte Korell. Diese Dürren hatten offenbar einen deutlich stärkeren Effekt auf die Pflanzenwelt als der experimentell simulierte Klimawandel.

Der Trend zeigte in beiden Fällen dieselbe Tendenz: Artenreiches Grünland, das selten gemäht oder beweidet wird, bewältigte Hitze und Trockenheit deutlich besser als intensiv bewirtschaftete Hochleistungswiesen. "Das liegt wahrscheinlich unter anderem an der Artenvielfalt", erklärt Lotte Korell. Diese variierte nämlich stark, abhängig von der Nutzung der Flächen.

Auf den extensiv bewirtschafteten Wiesen und Weiden des GCEF gedieh eine vielfältige Mischung aus über 50 einheimischen Gräsern und Kräutern. Im Gegensatz dazu hatte das UFZ-Team auf dem intensiv genutzten Grünland zu Experimentbeginn lediglich die fünf Grasarten ausgesät, welche die Landesanstalt für Landwirtschaft und Gartenbau Sachsen-Anhalt Landwirten für trockene Gebiete empfiehlt. Darunter befanden sich Varianten wie das Wiesen-Knäuelgras (Dactylis glomerata) und das Deutsche Weidelgras (Lolium perenne).

Gräser, die auf maximalen Ertrag gezüchtet und in der landwirtschaftlichen Praxis stark gedüngt wurden, erwiesen sich anfangs als produktiver als vielfältigeres Grünland. Doch diesen Vorteil konnten sie nur unter günstigen Wetterbedingungen nutzen. Bei Trockenheit schnitten sie deutlich schlechter ab als die Pflanzen auf extensiv genutzten Wiesen und Weiden. In Dürreperioden gingen sie vermehrt ein und wurden durch Arten wie Vogelmiere (Stellaria media), Hirtentäschel (Capsella bursa-pastoris), Löwenzahn (Taraxacum officinale) und Kleiner Storchschnabel (Geranium pusillum) ersetzt. „Meist sind das eher kurzlebige Arten, die als Samen überdauern“, erklärt Dr. Harald Auge, ebenfalls Biologe am UFZ und Letztautor der Studie. Wenn die konkurrenzstärkeren Pflanzen der Trockenheit zum Opfer fallen, nutzen sie die Gelegenheit und erobern deren Lebensräume: Sie wandern entweder aus dem extensiven Grünland ein oder keimen aus dem Samenvorrat im Boden.

Für Landwirte ist diese Entwicklung wenig erfreulich, da die meisten neu eingewanderten Arten einen niedrigeren Futterwert als die ursprünglich gesäten Gräser aufweisen. Insbesondere das Gewöhnliche Greiskraut (Senecio vulgaris), welches in den Experimenten unter den Neuankömmlingen häufig vorkam, ist giftig und mindert somit die Produktivität der landwirtschaftlichen Flächen.

Eine solche „Degradierung“ von Hochleistungsgrünland durch einwandernde Arten kennen Landwirte schon lange. Sie rechnen deshalb auch damit, ihre Flächen alle paar Jahre umbrechen und neu einsäen zu müssen. „Das kann durch den Klimawandel aber häufiger nötig werden und entsprechende Mehrkosten verursachen“, sagt Lotte Korell. Vielleicht geht einige Jahre lang alles gut, und es regnet genug. Es kann aber auch sein, dass wieder mehrere Dürresommer aufeinanderfolgen. Der Klimawandel macht die Verhältnisse unberechenbarer.

Wer ausschließlich Intensivgrünland bewirtschaftet, steht in solchen Zeiten vor größeren Planungsschwierigkeiten und trägt ein erhöhtes wirtschaftliches Risiko. Extensiv bewirtschaftete Wiesen und Weiden tragen nicht nur wesentlich zum Erhalt der Artenvielfalt bei, sondern stabilisieren auch die Produktivität des Grünlands in Zeiten des Klimawandels.


Diese Newsmeldung wurde mit Material des Helmholtz-Zentrums für Umweltforschung - UFZ via Informationsdienst Wissenschaft erstellt.

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