Wilderei in Südostasien: Von der Effektivität der Entfernung von Drahtschlingen
Bio-News vom 03.06.2024
Das Auslegen von Drahtschlingen ist in tropischen Wäldern Südostasiens weit verbreitet. Diese nicht-selektive Methode der Wilderei dezimiert Wildtierbestände erheblich und führte dazu, dass viele größere Säugetierarten – lokal und weltweit – ausgerottet wurden.
Daten aus elf Jahren aus den Saola-Schutzgebieten von Thua Thien Hue und Quang Nam in Vietnam zeigen, dass Ranger-Patrouillen zur Entfernung der Fallen zwar personalintensiv und teuer sind, die Anzahl der Fallen aber um fast 40 Prozent reduzieren und damit die unmittelbare Bedrohung für Wildtiere verringern konnten. Eine weitere Reduktion war jedoch trotz anhaltender Bemühungen nicht möglich.
Publikation:
Tilker A, Niedballa J, Viet HL, Abrams JF, Marescot L, Wilkinson N, Rawson BM, Sollmann R, Wilting A
Addressing the Southeast Asian snaring crisis: impact of 11 years of snare removal in a biodiversity hotspot
Conservation Letters (2024)
DOI: 10.1111/conl.13021
Von 2011 bis 2021 beseitigten Ranger des WWF Vietnam und lokaler Behörden fast 120.000 Schlingfallen aus den zusammenhängenden Reservaten Thua Thien Hue Saola und Quang Nam Saola in Zentral-Vietnam. Diese Naturschutzgebiete beherbergen eine Reihe endemischer, seltener und bedrohter Arten, darunter das Annamitische Streifenkaninchen (Nesolagus timminsi) und den Perlenfasan (Rheinardia ocellata).
Das Beseitigen von Schlingen ist arbeitsintensiv und kostspielig, da die Ranger große Distanzen in unwegsamem Gelände zu Fuß zurücklegen müssen. Es ist als Vorgehen gegen Wilderei jedoch vergleichsweise unumstritten, da andere Maßnahmen wie die Verhaftung und strafrechtliche Verfolgung von Wilderern komplizierter um- und durchzusetzen sind. Bislang gibt es nur wenige wissenschaftliche Untersuchungen zu den Auswirkungen der Schlingfallen-Beseitigung auf die Zahl der Schlingen und damit auf die Zahl der gewilderten Tiere über einen längeren Zeitraum.
Ein internationales Team von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern des Leibniz-Instituts für Zoo- und Wildtierforschung (Leibniz-IZW), des WWF Vietnam und des WWF Asien-Pazifik sowie der Universitäten Exeter und Montpellier analysierte Daten von Patrouillen aus 11 Jahren und kam zu dem Schluss, dass ein konsequentes Entfernen der Schlingen die Bedrohung für den Wildtierbestand deutlich verringern kann: Im Laufe der 11 Jahre ging die Zahl der Schlingfallen in beiden Reservaten um 37 Prozent zurück. Der Effekt war an leicht zugänglichen Stellen der tropischen Wälder deutlicher, vermutlich weil dort häufiger patrouilliert wurde.
„Unsere Auswertungen zeigen auch, dass in einem Gebiet, in dem intensiv patrouilliert wurde, danach weniger neue Schlingfallen ausgebracht werden“, sagt Jürgen Niedballa, Datenwissenschaftler am Leibniz-IZW. „Patrouillen wirken längerfristig abschreckend und sind daher eine wichtige Maßnahme, um der Wilderei-Krise in Südostasien entgegenzuwirken.“
Die Zahl der Schlingen in abgelegeneren Teilen des Waldes sank jedoch weniger stark als in den leichter zugänglichen Teilen. „Die räumliche Analyse der Patrouillendaten ist für unser tägliches Management von großer Bedeutung“, ergänzt Hung Luong Viet, Projektleiter des WWF Vietnam. „Die Karten, die die Verteilung der Schlingen in den Schutzgebieten zeigen, helfen uns, unsere Patrouillenaktivitäten auf die Teile der Reservate zu konzentrieren, die am meisten Aufmerksamkeit benötigen.“
Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler stellten außerdem fest, dass der messbarere Rückgang der gefundenen Schlingfallen hauptsächlich in den ersten sechs Jahren der Patrouillen erreicht wurde. Danach blieb die Anzahl der Schlingen trotz kontinuierlicher Anstrengungen stabil und konnte nicht weiter gesenkt werden „Unsere Ergebnisse zeigen, dass die Beseitigung von Schlingen allein wahrscheinlich nicht ausreicht, um Wildtiere in Naturschutzgebieten in Südostasien vollständig zu schützen“, sagt Andrew Tilker, Wissenschaftler am Leibniz-IZW und Artenschutzkoordinator für Asien bei Re:wild. „Das gilt vor allem für seltene und mittels Schlingen leicht zu fangende Arten, von denen viele in Vietnam vom Aussterben bedroht sind.“
Die Ergebnisse zeigen, dass es wichtig ist, die Beseitigung von Schlingen als Teil eines umfassenderen Schutzkonzepts zu betrachten, welches sich auch mit den Ursachen der Wilderei befasst, so das Team. „Sich allein auf das Entfernen von Schlingen zu verlassen, wird nicht ausreichen, um die Bedrohung in großem Umfang zu bekämpfen“, sagt Tin Nguyen Van Tri, Wildlife Practice Lead des WWF Vietnam.
„In Zusammenarbeit mit anderen Naturschutzpartnern engagieren wir uns jetzt in größeren multidisziplinären Naturschutzinitiativen wie der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit bei der Bekämpfung des illegalen Wildtierhandels, der Verbesserung der Lebensbedingungen, der Bewusstseinsbildung und der Programme zur Verhaltensänderung als Ergänzung zur Beseitigung von Schlingen, um zu verhindern, dass Schlingen überhaupt erst gelegt werden. Mit diesen zusätzlichen Anstrengungen können wir das Problem an der Wurzel packen und die Wälder des zentralen Truong-Son-Gebirges und anderer Regionen in Vietnam hoffentlich wieder sicher für Wildtiere machen.“ Eine dieser Initiativen ist das Projekt „CarBi II“, welches über fünf Jahre (2019-2024) von WWF Vietnam und WWF Laos implementiert und von der KfW Entwicklungsbank und der Internationalen Klimaschutzinitiative (IKI) finanziert wird.
Das CarBi II-Projekt (Carbon and Biodiversity Project Phase II)
CarBi II soll zum Schutz, zur Wiederherstellung und zur nachhaltigen Nutzung von Ökosystemen sowie zur Erhaltung der biologischen Vielfalt im zentralen Truong-Son-Gebirge beitragen. Einer der Projektansätze ist die Einrichtung verschiedener Fonds für die ländliche Entwicklung, die es lokalen Gemeinschaften ermöglichen, alternative Einkommen zu erwirtschaften.
Damit soll die illegale Ausbeutung natürlicher Ressourcen und die Wilderei weniger attraktiv werden. Außerdem werden Naturschutzinitiativen unterstützt, die auf Gemeindeebene Aufklärungsarbeit zum Thema Artenvielfalt und Naturschutz leisten und die lokale Bevölkerung sensibilisieren wollen – und damit Einstellungen zur Wilderei positiv verändern könnten.
Obwohl die Wildtiere Südostasiens einer noch nie dagewesenen Bedrohung durch Wilderei ausgesetzt sind, besteht die Hoffnung, dass die konsequente Beseitigung von Fallen im Zusammenspiel mit weiteren Maßnahmen zu einer messbaren Erholung der Bestände beitragen kann, so das Autorenteam. Die Verringerung der Schlingfallen-Wildere in Naturschutzgebieten in Südostasien werde erhebliche Ressourcen binden und ein großes politisches Engagement der Regierungen in der Region erfordern ¬– aber diese Zukunft sei in greifbarer Nähe, so das Team.
Wilderei mit Schlingfallen im Truong-Son-Gebirge
Eine der Hauptursachen für den Rückgang von Wildtieren in tropischen Wäldern ist der Einsatz von nicht-selektiven Drahtschlingen. Schlingen sind preiswert, lassen sich leicht in großer Zahl auslegen und sind sehr effektiv beim Fang von Landwirbeltieren. Sie werden als nicht-selektiv bezeichnet, da jedes am Boden lebende Tier in eine Drahtschlinge geraten und gefangen werden kann – unabhängig davon, ob es erwünschte Beute ist oder nicht. In Südostasien ist die Wilderei mit Drahtschlingen besonders schwerwiegend und dezimiert Wildtierbestände in vielen Schutzgebieten stark, bis zum heutigen Tag. Eine kürzlich durchgeführte wissenschaftliche Untersuchung ergab, dass die Jagd mit Schlingfallen in einigen Gebieten Südostasiens eine schwerwiegendere Bedrohung für die Tierwelt darstellt als die Abholzung der Wälder. Sie führt dazu, dass viele Wälder mittlerweile nahezu frei von Wildtieren sind. Im Truong-Son-Gebirge, einer Gebirgskette entlang der Grenze zwischen Vietnam und Laos, brachte das Fallenstellen viele endemische Tierarten an den Rand des Aussterbens; die Saola (Pseudoryx nghetinhensis), den Riesenmuntjak (Muntiacus vuquangensis), das Annamitische Streifenkaninchen (Nesolagus timminsi) und den Vietnam-Kantschil (Tragulus versicolor).
Diese Newsmeldung wurde mit Material des Leibniz-Instituts für Zoo- und Wildtierforschung (IZW) im Forschungsverbund Berlin e.V. via Informationsdienst Wissenschaft erstellt.