Wo wilde Honigbienen überleben



Bio-News vom 16.02.2022

In Nordspanien nutzen wilde Honigbienen hohle Strommasten als Nisthöhlen - sie können dort den Winter umso besser überleben, je mehr naturnahe Areale die Umgebung bietet.

Bis vor kurzem hielt es die Fachwelt für unwahrscheinlich, dass die Honigbiene in Europa bis heute als Wildtier überlebt hat. Doch inzwischen konnten die Biologen Benjamin Rutschmann und Patrick Kohl von der Julius-Maximilians-Universität Würzburg (JMU) nachweisen, dass es in der Region Galicien im Nordwesten von Spanien noch wilde Honigbienen gibt.

136 Quadratkilometer nach Strommasten abgesucht

Rutschmann und Kohl sind Doktoranden am JMU-Lehrstuhl für Tierökologie und Tropenbiologie in der Arbeitsgruppe von Professor Ingolf Steffan-Dewenter. Sie starteten ihre Studien im Oktober 2019 in Galicien auf Anregung ihres spanischen Kollegen Alejandro Machado. Dieser hatte Honigbienenschwärme beobachtet, die das Innere hohler Strommasten bezogen und sich dort scheinbar gut entwickelten. Um herauszufinden, ob hinter diesen Einzelbeobachtungen etwa eine ganze Population wildlebender Bienenvölker steckte, suchten die Forscher zwei Wochen lang ein 136 Quadratkilometer großes Gebiet nach hohlen Strommasten ab.


Bienenvölker nutzen auch hohle Strommasten als Lebensräume (hier eine Aufnahme aus Belgien).

Publikation:


Benjamin Rutschmann, Patrick L. Kohl, Alejandro Machado, Ingolf Steffan-Dewenter
Semi-natural habitats promote winter survival of wild-living honeybees in an agricultural landscape
Biological Conservation (2022)

DOI: 10.1016/j.biocon.2022.109450



„214 Masten haben wir entdeckt“, so Rutschmann. In jedem schauten die Forscher nach, ob ein Honigbienenvolk darin lebte. „Im ersten Jahr unserer Untersuchung fanden wir 29 Völker.“ Bei einem zweiten Besuch im März 2020 stellten sie fest, dass 17 dieser Völker den Winter überlebt hatten – „obwohl sie weder gefüttert noch gegen Parasiten behandelt worden waren.“

Galicische Honigbienen sind keine importierten Rassen

Nun hätte es sein können, dass es sich bei den wildlebenden Honigbienenvölkern um solche handelte, die von Imkern importiert wurden und später verwilderten. In Deutschland, so Rutschmann, wurde auf diese Weise die einheimische Honigbienenunterart (Apis mellifera mellifera) schon vor langer Zeit von importierten Unterarten verdrängt, allen voran von der Carnica-Biene (A. m. carnica).

Doch in Galicien war dies nicht der Fall. Das fanden die JMU-Forscher durch die Analyse der Flügelvenenmuster heraus. Sie entdeckten dort ausschließlich Völker der iberischen Honigbiene Apis mellifera iberiensis. Somit ist denkbar, dass die Honigbiene in Spanien bis heute durchgehend sowohl als Wildtier wie auch als Nutztier existiert hat. „Ob die von uns untersuchte Population auf Dauer stabil sein kann, müssen jedoch weitere Beobachtungsjahre zeigen“, so Kohl.

Erstmals Daten zu Überlebensraten

„Nach zwei Studienjahren und insgesamt 52 beobachteten Bienenvölkern sehen wir, dass immerhin 40 Prozent der Völker den Winter überleben“, berichtet Alejandro Machado, der selbst in der Region lebt. Damit liefert das Team um die Würzburger Biologen erstmals Daten zu den Überlebensraten von wildlebenden Honigbienenvölkern in Europa. Eine Analyse der Landschaft rund um die Strommasten zeigte, dass das Überleben der untersuchten Honigbienen stark davon abhängt, wie naturnah die Umgebung ist. Gibt es in der Nähe der Strommasten Busch- und Heideland oder Wälder, überleben sehr viel mehr Bienenvölker den Winter als dort, wo die Strommasten mitten in intensiv bewirtschafteten Feldern stehen.

Für Bienenvölker, die zu mehr als 50 Prozent von naturnahen Lebensräumen umgeben sind, zeigte sich, dass mindestens jedes zweite Volk den Winter überstand. Dagegen ging in Landschaften mit weniger als 25 Prozent naturnahem Lebensraum und entsprechend magerem Angebot an Nahrung die Überlebenswahrscheinlichkeit gegen Null.

Krasse landschaftliche Gegensätze in Galicien lieferten Erkenntnisse

In Galicien beeindruckte der krasse Gegensatz zwischen zusammenhängenden naturnahen Flächen ohne oder mit traditionell extensiver Nutzung (Heidegebiete, Niederwald) und großen Flächen intensivster Landwirtschaft mit hohem Pestizid -und Düngereintrag. „Dieser starke Kontrast zwischen Quasi-Natur und Agrarwüste ermöglichte überhaupt erst unsere Erkenntnis, dass der Landschaftskontext eine so große Rolle für das Überleben der Honigbienen spielt“, so Rutschmann.

Die Studie zeigt, von welcher grundlegenden Bedeutung die flächendeckende Erhaltung extensiver Landnutzungsformen oder die Wiederherstellung von naturnahen Landschaftsbestandteilen wie Hecken für den Insektenschutz sind. „Ohne ausreichend Nist- und Nahrungshabitate werden den Insekten auch der Stopp des Pestizideinsatzes oder das Abbremsen des Klimawandels nicht helfen“, resümiert Kohl.


Diese Newsmeldung wurde mit Material der Julius-Maximilians-Universität Würzburg via Informationsdienst Wissenschaft erstellt

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