Ökologische Interaktion als Treiber der Evolution



Bio-News vom 09.02.2021

Ein internationales Forscherteam hat in einer aktuellen Studie die Entstehung der Mega-Diversität pflanzenfressender Insekten untersucht. Diese machen ein Viertel der terrestrischen Vielfalt aus. In der Studie zeigen die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, dass der evolutionäre Erfolg von Insekten mit wiederkehrenden Veränderungen der Wirtspflanzen zusammenhängen könnte.

Das Verständnis der Interaktionen zwischen Organismen bei der Evolution von Arten ist ein wichtiges Thema in der Ökologie. Ein Großteil der Artenvielfalt auf der Erde besteht aus Insekten und Pflanzen, zwei Gruppen, die durch eine Vielzahl von Interaktionen miteinander verbunden sind. Seit Mitte des 20. Jahrhunderts häufen sich Theorien, die diese Vielfalt und die spezifischen Wechselwirkungen miteinander verbinden.

Das Aufkommen neuer Technologien und neuer Methoden hat es möglich gemacht, die Beziehung zwischen Pflanzen und Insekten genauer zu untersuchen und die Auswirkungen dieser Interaktionen auf ihre jeweilige Evolution deutlich zu machen. Ein internationales Forscher:innenteam, zu dem auch Botaniker Prof. Stefan Wanke der TU Dresden gehört, hat in einer neuen Studie die Verbindung zwischen ökologischen Veränderungen, Anpassungen auf Genomebene und makroevolutionären Konsequenzen hergestellt, und damit die Bedeutung ökologischer Interaktionen als Treiber der Evolution über lange Zeiträume hinweg bestätigt.


Foto eines Schwalbenschwanz (Papilio machaon) (Familie Papilionidae), dessen Raupen die Pflanzenfamilie Apiaceae fressen (hierzu gehören die Karotte, der Sellerie oder der Fenchel), die Toxine enthält. Beim Menschen sind diese Toxine krebserregend und führen zu schweren verbrennungsähnlichen Symptomen.

Publikation:


Allio R., Nabholz B., Wanke S., Chomicki G., Pérez-Escobar O.A., Cotton A.M., Clamens A.-L., Kergoat G.J., Sperling F.A.H. & Condamine F.L.
Genome-wide macroevolutionary signatures of key innovations in butterflies colonizing new host plants

Nature Communications, 12, 354

DOI: 10.1038/s41467-020-20507-3

Open-Access-Publikation

Schmetterlinge, die zur Familie der Papilionidae gehören, sind eine beispielhafte Gruppe für diese Fragestellung. Diese Schmetterlinge sind auf den Verzehr von Giftpflanzen spezialisiert, wobei etwa 30 % der Arten sich ausschließlich von Pflanzen aus der Familie der Aristolochiaceae (Osterluzeigewächse) ernähren.

Der Verzehr solcher Pflanzen verschafft den Larven dieser Schmetterlinge einen Vorteil, da sie die Giftstoffe der Pflanzen absondern und dadurch ihrerseits giftig werden. Die Larven selbst nehmen jedoch keinen Schaden durch das Gift.

„Wir wussten schon vor Beginn dieser Studie, dass bestimmte Gene der Cytochrom-P450-Familie bei den Papillonidae für die Anpassung an Pflanzen mitverantwortlich sind, insbesondere für die Entgiftung der toxischen Verbindungen aus den Pflanzen. Wahrscheinlich sind insgesamt jedoch viele verschiedene Gene beteiligt, denn neben der Entgiftung setzt diese Anpassung voraus, dass das Schmetterlingsweibchen in der Lage ist, seine bevorzugte Pflanze zu erkennen, oder auch, dass sich die Raupen in dieser Umgebung normal entwickeln und überleben können“, erläutert Prof. Wanke.

Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler hatten schon lange vermutet, dass evolutionäre Veränderungen in Pflanzen, Einfluss auf viele Gene der Insekten haben müssten. Daraus leitete das internationale Team zunächst die Verwandtschaftsbeziehungen zwischen verschiedenen Papilionidae-Arten ab und rekonstruierte ihre Wirtspflanzenpräferenzen über die Zeit. So konnten sie zeigen, dass sich Papilionidae von Pflanzen ernähren, die zur Familie der Aristolochiaceae und insbesondere zur Gattung der Pfeifenwinden gehören.

Basierend auf der globalen Verbreitung dieser beiden Insekten- und Pflanzengruppen war es anschließend möglich, die historische Biogeographie - die Bewegung in Zeit und Raum - von Papilionidae- und Aristolochiaceae-Arten abzuschätzen. Die Forscherinnen und Forscher entdeckten, dass beide Gruppen vor etwa 55 Millionen Jahren in der nördlichen Hemisphäre entstanden und sich anschließend über die ganze Welt verbreiteten.

Bei den Papilionidae wurde diese Wanderung seit ihrer Entstehung von großen Veränderungen der Wirtspflanzen begleitet. Die Untersuchung der Papilionidae-Arten bestätigte, dass verschiedene Wirtspflanzenwechsel im Allgemeinen mit einer beschleunigten Diversifizierung der Schmetterlinge verbunden war. Mit anderen Worten: Es entstanden mehr Arten durch einen Wechsel der Wirtspflanze, als bei Beibehaltung der Wirtspflanze.

„Trotz unseres Wissens über die Rolle von Schlüsselgenen wie Entgiftungsgenen beim Widerstand gegen die Pflanzenabwehrmechanismen deuten diese Ergebnisse auf einen globaleren Effekt von Wirtspflanzenänderungen auf die Evolution der Papilionidae hin. Die Veränderungen der Wirtspflanze sind komplex und erfordern daher eine Reihe von Anpassungen, die wahrscheinlich verschiedene Gene betreffen, die nicht direkt mit der Entgiftung von toxischen Verbindungen in Verbindung zusammenhänge“, beschreibt Prof. Wanke die noch zu entschlüsselnden Zusammenhänge auf genetischer Ebene.


Diese Newsmeldung wurde mit Material der Technischen Universität Dresden via Informationsdienst Wissenschaft erstellt.


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