Acrylamid


Strukturformel
Strukturformel von Acrylamid
Allgemeines
Name Acrylamid
Andere Namen
  • Propensäureamid
  • 2-Propenamid
  • Acrylsäureamid
Summenformel C3H5NO
Kurzbeschreibung

farblose Kristalle [1]

Externe Identifikatoren/Datenbanken
CAS-Nummer 79-06-1
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Eigenschaften
Molare Masse 71,08 g·mol−1
Aggregatzustand

fest

Dichte

1,13 g·cm−3 [1]

Schmelzpunkt

84–86 °C [1]

Siedepunkt

241 °C [1]

Dampfdruck

0,9 Pa (20 °C) [1]

Löslichkeit
  • sehr gut wasserlöslich (2040 g·l−1 bei 25 °C) [1]
  • gut löslich in Ethanol und Aceton[2]
Sicherheitshinweise
GHS-Gefahrstoffkennzeichnung aus EU-Verordnung (EG) 1272/2008 (CLP) [3]
Gefahrensymbol Gefahrensymbol

Gefahr

H- und P-Sätze H: 350​‐​340​‐​361f​‐​301​‐​372​‐​332​‐​312​‐​319​‐​315​‐​317
P: 201​‐​280​‐​301+310​‐​305+351+338​‐​308+313 [1]
MAK

Für krebserzeugende Stoffe wird generell kein Wert vergeben [1]

Soweit möglich und gebräuchlich, werden SI-Einheiten verwendet. Wenn nicht anders vermerkt, gelten die angegebenen Daten bei Standardbedingungen.

Acrylamid

Das Acrylamid gehört zur chemischen Gruppe der Amide. In reiner Form ist es ein weißes, geruchloses, kristallines Pulver, das in Wasser, Ethanol und Ether löslich ist.

Herstellung

Synthese von Acrylamid

Die Herstellung von Acrylamid erfolgt durch Hydrolyse von Acrylnitril mit Kupferkatalysatoren oder durch enzymatische Hydrolyse.

Verwendung

Acrylamid wird zur Herstellung von Polymeren und Farbstoffen verwendet. Unvernetzte (Co)Polymere von Acrylamid sind meist wasserlöslich und werden als Stabilisatoren oder Flockungsmittel in vielen Anwendungen, beispielsweise in der Abwasseraufbereitung, Papierherstellung verwendet. Quervernetzte Polyacrylamide sind nicht löslich und quellen in Wasser nur noch auf; sie werden als Trägermaterial bei der Gelelektrophorese (SDS-PAGE) genutzt. Quervernetzte Copolymere von Acrylamid und Acrylsäure werden als Superabsorber eingesetzt, z. B. in Windeln.

Biologische Bedeutung

Details zum Einfluss von Acrylamid auf den menschlichen Stoffwechsel sind noch weitgehend unerforscht. Aus Tierversuchen bekannt sind zwei Wirkungsweisen: Acrylamid greift zum einen direkt die DNA an, zum anderen wird es von Leberenzymen in Glycidamid umgesetzt. Diesem reaktiven Stoff wird eine starke genotoxische Wirkung zugeschrieben. Acrylamid wie auch Glycidamid bilden Verbindungen mit Aminosäuren und Nukleinbasen und können so die Struktur und Funktion von beispielsweise der DNA und des Hämoglobin verändern. Im Tierversuch wurde die Weitergabe der erbgutverändernden Wirkung auch an Tochtergenerationen beobachtet.

Beim Menschen fehlen bislang klare epidemiologische Ergebnisse. Die Einordnung als krebserregend basiert auf Untersuchungen mit hohen Acrylamiddosen an Ratten und Mäusen. Neuere Studien fanden kein erhöhtes Krebsrisiko ("no measurable impact"), das Darmkrebsrisiko nahm mit zunehmenden Acrylamidgehalten in der Nahrung sogar ab.[4] Hierbei ist zudem zu beachten, dass nur in die Blutbahn gelangtes Acrylamid relevant ist; Neuere Studien legen nahe, dass die Aufnahme von Acrylamid mit der Nahrung kaum zu einem erhöhten Blutspiegel führt.[5]

Acrylamid in Lebensmitteln

Acrylamid ist seit April 2002 in den Schlagzeilen, nachdem es bereits im Jahre 1999 von schwedischen Wissenschaftlern in verschiedenen Lebensmitteln (insbesondere in stärkehaltigen und stark erhitzten Lebensmitteln wie Pommes frites) gefunden wurde.[6]

Einer Studie der Medizinischen Hochschule Hannover zufolge wurde nur bei Personen, die mehrmals pro Woche Pommes frites oder Kartoffelchips essen, ein erhöhter Acrylamidspiegel im Blut festgestellt. Dieser sei jedoch „gering und aus wissenschaftlicher Sicht nicht signifikant.“ Dafür waren Raucher deutlich höher belastet. Aus den Ergebnissen wurde gefolgert, dass nicht nur die Ernährung, sondern "möglicherweise auch körpereigene Abbauprozesse von Proteinen dazu beitragen, dass Acrylamid in unseren Blutkreislauf gelangt."[5]

Entstehung in Lebensmitteln

Maillard-Reaktion von Asparagin zu Acrylamid

Es entsteht in der Maillard-Reaktion bei Überhitzung von Stärke, insbesondere beim Backen, Braten, Rösten, Grillen und Frittieren. Der wichtigste Ausgangsstoff für Acrylamid in Lebensmitteln ist die Aminosäure Asparagin, die vor allem in Kartoffeln und in Getreide vorkommt. Gefördert wird die Acrylamidbildung durch Zucker wie Fructose und Glucose.[7]

Bei der Herstellung von Brot und Pommes frites entstehen durch die Maillard-Reaktion hohe Mengen an Acrylamid.

Besonders viel Acrylamid entsteht, wenn kartoffel- und getreidehaltige Lebensmittel trocken über 180 °C erhitzt werden. Die Acrylamidbildung beginnt allerdings bereits bei 120 °C, steigt jedoch bei 170–180 °C sprunghaft an. Hierbei reicht auch eine dünne, trockene Schicht, beispielsweise die gebräunte Oberfläche von Pommes frites oder eine Brotkruste. Und so enthalten alle Brote, Knäckebrot, Pommes frites, Kartoffelchips, aber auch Kaffee teilweise hohe Mengen an Acrylamid. Für die Kartoffel ist zu beachten, dass eine Lagerung unter 8 °C bezüglich Acrylamid fördernd wirkt; Bei Lagertemperaturen von 4 °C steigt der Gehalt an Fructose stark an, was beim Braten und Frittieren zu höherer Acrylamidbildung führt.

Will man auf die trockene Erhitzung von Lebensmitteln nicht verzichten (→ Rohkost), ist eine gänzlich acrylamidfreie Ernährung momentan technisch nicht möglich. Ein Grenzwert wurde aufgrund der noch nicht ausreichenden Erkenntnisse zur gesundheitlichen Wirkung bislang für Lebensmittel nicht festgesetzt. Es werden jedoch jährlich Signalwerte durch das Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit ermittelt, auf deren Grundlage die zuständigen Behörden der Bundesländer mit Herstellern besonders hoch belasteter Produkte in einen Dialog zur Minimierung der Werte treten. Beispielsweise bei Kartoffelchips beträgt dieser Signalwert 1.000 Mikrogramm pro Kilogramm. In einem Test der Zeitschrift Ökotest lag von 28 getesteten Produkten eines über dem Signalwert für Acrylamid.[8]

Es ist möglich, die Acrylamidbildung durch eine Änderung von Rezepturen und Herstellungsverfahren zu reduzieren. In vielen Fällen kann bereits eine Absenkung der Höchsttemperatur beim Backen um 10–20 °C oder der Austausch von oder Verzicht auf einzelne Zutaten die Bildung von Acrylamid verringern. So hat das Bayerische Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit einen hohen Anteil an Mandeln und vor allem das Backtriebmittel Ammoniumhydrogencarbonat (früher: Ammoniumbicarbonat, auch: Hirschhornsalz) als Hauptproblem bei Lebkuchen ausgemacht. Nach Weglassen der Mandeln und Verwendung von Natron (Natriumhydrogencarbonat, früher: Natriumbicarbonat) in der Kombination mit Dinatriumdihydrogendiphosphat und Dicalciumphosphat als Triebmittel fiel der Acrylamidgehalt auf ein Zehntel des vorherigen Werts. Allerdings können sich diese Maßnahmen (zum Teil in erheblichem Maße) nachteilig auf das Aroma und die Konsistenz auswirken.

Neben diesen Maßnahmen zur Reduzierung der Acrylamidbildung (optimierte Rohstoffauswahl und -behandlung sowie Veränderung vorhandener Verfahrensschritte) ist auch die Entwicklung neuartiger Prozesstechniken denkbar, beispielsweise der Einsatz der Vakuumfrittiertechnik bei der Kartoffelchipsproduktion.[9]

Acrylamid in Kosmetika

Acrylamid kann als Verunreinigung von Polyacrylamid in Kosmetika auftreten, aber auch als Verunreinigung von z. B. Polyquaternium-7, das in Hairstylingprodukten, Shampoos und Duschgels verwendet wird.[10][11]

Gefährlichkeitsmerkmale

Obwohl die IARC 1994 festhielt, dass keine hinreichende Belege für menschliche Karzinogenität von Acrylamid vorhanden seien, wurde Acrylamid aufgrund der Laboruntersuchungen an Ratten und Mäusen eingestuft als wahrscheinlich krebserzeugend[12]. Es hat die UN-Nummer 2074.

Die WHO gibt als allgemeine Empfehlung zu Acrylamid folgende Erklärung ab: "Es gibt nicht genügend Anhaltspunkte über den Acrylamidgehalt in verschiedenen Lebensmitteln um eine allgemeine Empfehlung für die Vermeidung irgendeines Nahrungsmittels abgeben zu können." [13]

Das Bundesinstitut für Risikobewertung hält fest,

a) dass "aufgrund dieser uneinheitlichen Ergebnisse der in die Bewertung eingeschlossenen Studien kann weder angenommen noch ausgeschlossen werden, dass es kausale Zusammenhänge zwischen der Acrylamidaufnahme und einer Krebsentstehung beim Menschen gibt."

b) "Festzustellen ist in diesem Kontext, dass epidemiologisch bisher kein eindeutiger Zusammenhang zwischen Krebserkrankungen und der Acrylamid-Exposition nachgewiesen werden konnte. Möglicherweise ist das Risiko einer Krebsentstehung – sofern beim Menschen vorhanden – bei der gegebenen Exposition praktisch kaum nachweisbar." [14]

Acrylamidrechenprogramm

Eine annähernde Berechnung der individuell aufgenommenen Dosis bei Eingabe der Essgewohnheiten ermöglicht das BfR-Acrylamidrechenprogramm des Bundesinstituts für Risikobewertung.[15]

Literatur

Einzelnachweise

  1. 1,0 1,1 1,2 1,3 1,4 1,5 1,6 1,7 Eintrag zu Acrylamid in der GESTIS-Stoffdatenbank des IFA (JavaScript erforderlich)
  2. 2,0 2,1 Thieme Chemistry (Hrsg.): RÖMPP Online - Version 3.5. Georg Thieme Verlag KG, Stuttgart 2009.
  3. 3,0 3,1 Referenzfehler: Es ist ein ungültiger <ref>-Tag vorhanden: Für die Referenz namens ESIS wurde kein Text angegeben.
  4. Mucci LA et al.: Dietary acrylamide and cancer of the large bowel, kidney, and bladder: Absence of an association in a population-based study in Sweden. British Journal of Cancer 2003; 88: 84-89. Abgerufen am 28. Dezember 2011.
  5. 5,0 5,1 Pressemeldung der Medizinischen Hochschule Hannover: Acrylamid im Blut: Rolle des Ernährungsverhaltens unklar. 5. Oktober 2005. Abgerufen am 19. März 2011.
  6. http://www.das-eule.de/eulenspiegel0206_editorial.html (Memento vom 24. November 2007 im Internet Archive).
  7. D.S. Mottram, B.L. Wedzicha and A.T. Dodson (2002) Food chemistry: Acrylamide is formed in the Maillard reaction. Nature 419, 448-449, PMID 12368844.
  8. Ökotest 7/2008, S. 22-26.
  9. www.wissenschaft.de: Wie Schwefel im Boden Acrylamid im Brot verringert.
  10. „Quellen für Acrylamid in Kosmetika“ Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR), 2003.
  11. „Vorsicht: Flecken durch Duschgel?“ NDR Fernsehen Markt, Sendung 19. März 2012
  12. http://monographs.iarc.fr/ENG/Monographs/vol60/mono60-16.pdf Monographs on the Evaluation of Carcinogen Risk to Humans: Some Industrial Chemicals, No. 60, Lyon: International Agency for Research on Cancer.
  13. / Frequently asked questions - acrylamide in food, Antwort zu Frage 4, Abs. 3
  14. http://www.bfr.bund.de/cm/343/acrylamid-in-lebensmitteln.pdf/ Acrylamid in Lebensmitteln, Stellungnahme Nr. 043/2011 des BfR vom 29. Juni 2011
  15. Bundesinstitut für Risikobewertung: Expositionsabschätzung Acrylamid.

Siehe auch

  • Vakuumfritteuse
  • Polyacrylamid

Weblinks

Commons: Acrylamid – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

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