Aminoglykoside


Struktur des Aminoglykosids Streptomycin

Aminoglykosid-Antibiotika, kurz Aminoglykoside, zählen zur Gruppe der Oligosaccharid-Antibiotika, mit Kombinationen aus Aminozucker- und Cyclohexan-Bausteinen. Sie bilden eine große, noch immer anwachsende Gruppe von ca. 200 wasserlöslichen Antibiotika. Die Ausscheidung erfolgt mit einer kurzen Halbwertszeit von etwa zwei Stunden vorwiegend über die Nieren.

Streptomycin war das erste Aminoglykosid-Antibiotikum, das bereits 1944 durch die Gruppe um Selman Waksman entdeckt wurde. Nachfolgend wurden viele ähnliche Wirkstoffe aus Actinomyceten vor allem der Gattungen Streptomyces und Micromonospora isoliert.

Konventionsgemäß werden die Aminoglykosid-Antibiotika aus der Gattung Streptomyces mit dem Suffix -mycin bezeichnet, während diejenigen aus der Gattung Micromonospora mit dem Suffix -micin benannt werden.

Wirkmechanismus

Die Aminoglykosid-Antibiotika wirken stark bakterizid durch Hemmung der Proteinbiosynthese bei sich teilenden und nicht-teilenden Erregern, indem sie an die 30S-Untereinheit der Ribosomen ankoppeln[1] und Ablesefehler der mRNA verursachen. Dadurch werden fehlerhafte Proteine gebildet, die ihre biologische Funktion verlieren. In der Konsequenz werden z.B. defekte Proteine in die Zellmembran des Bakteriums eingebaut, was zur Lyse des Erregers führt.

Wichtige Vertreter

Anwendung & Darreichung

Das Wirkspektrum betrifft v. a. die gramnegativen Enterobakterien und Pseudomonas aeruginosa sowie die grampositiven Staphylokokken. Aminoglykoside sind gegen anaerobe Bakterien wirkungslos, da sie durch einen Sauerstoff verbrauchenden Prozess in die Zelle aufgenommen werden. Ebenso wenig wirken sie gegen Streptokokken und Haemophilus-Arten.[2]

Sie werden beispielsweise bei schwerwiegenden Infektionen wie Hirnhautentzündung (Meningitis) und Herzinnenhautentzündung (Endokarditis) eingesetzt, sowie auch häufig gegen Lungeninfektionen (Pseudomonas aeruginosa, siehe oben) im Rahmen einer bestehenden Cystischen Fibrose.

Aminoglykoside werden nicht resorbiert und müssen bei systemischen Infektionen daher parenteral verabreicht werden. Sie erreichen eine gute Verteilung im Extrazellulärraum und sind plazentagängig, sie passieren allerdings die Zellwände des Wirtsorganismus kaum und sind somit schlecht gewebegängig, bei einer bestehenden Hirnhautentzündung sind sie mäßig liquorgängig.

Problematisch ist die rasche Resistenzentwicklung, die unter einer Aminoglykosidtherapie auftreten kann. Sie werden daher in der Regel in Kombination mit anderen Antibiotika (v.a. β-Lactam-Antibiotika) gegeben.

Nebenwirkungen

Wegen ihrer geringen therapeutischen Breite müssen systemische Aminoglykoside sehr sorgfältig dosiert werden und sind daher typisch intensivmedizinische Antibiotika. Aminoglykoside reichern sich in Niere und Innenohr besonders an und wirken dort stark giftig (Nephrotoxizität, Ototoxizität).[2] Weitere mögliche Nebenwirkungen sind Atemlähmung, Allergien oder Blutbildungsstörungen. Bei einmaliger täglicher Gabe ist das Verhältnis von erwünschter zu unerwünschter Wirkung besonders günstig. Dies hängt damit zusammen, dass es sich bei den Aminoglykosiden um konzentrationsabhängige Antibiotika handelt, welche gut wirken, wenn die Spitzenspiegel weit über der minimalen Hemmkonzentration des Erregers liegen, die Talspiegel aber sehr niedrig sind (<1μg/ml). Die Nebenwirkungen hingegen verstärken sich wenn hohe Talspiegel zustande kommen, wie es bei häufigerer Gabe der Fall wäre. Das liegt daran, dass sich in den vor allem betroffenen Organen Niere und Innenohr der Wirkstoff anreichert und nur dann wieder ins Blut abgegeben wird, wenn die peripheren Spiegel niedrig sind, ist das nicht der Fall, weil die Talspiegel hoch sind, so bleibt der Wirkstoff in den Organen und schädigt sie. Daher ist es wichtig vor einer weiteren Gabe eine Talspiegelbestimmung durchzuführen.


Einige Aminoglykoside (Neomycin, Kanamycin) sind wegen ihrer Nephro- und Ototoxizität ausschließlich zur Behandlung lokaler Infektionen (Haut, Schleimhaut, Auge) angezeigt.[2]

Einzelnachweise

  1. Römpp CD 2006, Georg Thieme Verlag 2006
  2. 2,0 2,1 2,2 Mutschler, Arzneimittelwirkungen, 9. Auflage, Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft Stuttgart, 2008 ISBN 978-3-8047-1952-1

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