Artgerechte Haltung


Schweine auf einer Weide
Esel
Hühner

Artgerechte Haltung bezeichnet eine Form der Tierhaltung, die sich an den natürlichen Lebensbedingungen der Tiere orientiert und insbesondere auf die angeborenen Verhaltensweisen der Tiere Rücksicht nimmt. So versucht sie, vor allem im Unterschied zur Massentierhaltung, sich an die artspezifischen Bedürfnisse der Tiere anzupassen.

Domestizierte Tiere

Viele Haus- und Nutztiere sind durch ihre Domestikation nicht mehr in der Lage, sich in ihrer natürlichen Umgebung selbst zu versorgen oder fortzupflanzen, da sie ja speziell gezüchtet wurden, um wirtschaftliche oder sonstige Ansprüche des Menschen zu erfüllen. Trotzdem haben sich Tiere viele natürliche Verhaltensweisen, wie ihren Bewegungsdrang, den Jagdinstinkt oder das Bedürfnis, sich zu verstecken, erhalten und sollten diese in der artgerechten Haltung ausleben können. Durch die Steigerung des Wohls der Tiere ergeben sich auch für den Halter und die Konsumenten Vorteile, indem die Qualität der tierischen Produkte zunimmt. Allgemein wird angenommen, dass artgerecht gehaltene Tiere lebhafter, gesünder, weniger anfällig für Stress und friedfertiger im gegenseitigen Umgang sind.

Situation bei Versuchstieren

Die Haltung von Tieren für Tierversuche wurde in der EU auch durch die Richtlinie 86/609/EWG und in Deutschland durch das Bundesgesetzblatt Jahrgang 2007 Teil II Nr. 37, geregelt. Die deutsche Vorschrift empfiehlt eine angemessene Unterbringung und Umgebung, Mindestanforderung an Bewegungsfreiheit sowie Futter und Pflege vor. Zur sinnvollen Haltung von Versuchstieren gehört auch eine sozial, sensorisch und psychologisch anregende Umgebung. Bei den häufig verwendeten Ratten bedeutet dies beispielsweise, dass Gruppenhaltung zu bevorzugen ist und man ihnen wo möglich Nestbaumaterial im Käfig zur Verfügung stellt. Eine artgerechte Haltung der Versuchstiere ist meist versuchsbedingt nicht gegeben. Vorschriften dafür existieren ebenfalls nicht, es handelt sich dabei um Haltungsempfehlungen, die die Akademie für Tierschutz erarbeitet hat, und von der EU veröffentlicht werden.[1] [2]

Situation bei Legehennen

Die Richtlinie 1999/74/EG (Umsetzung in nationales Recht bis 1. Januar 2002) schreibt in den Mitgliedsstaaten der Europäischen Union drei Haltungssysteme vor:

  1. ausgestaltete Käfige mit einem Flächenangebot von mindestens 750 cm² pro Tier;
  2. nicht ausgestaltete Käfige mit einem Flächenangebot von mindestens 550 cm² pro Tier (ab 1. Januar 2012 verboten);
  3. käfiglose Systeme mit Legenestern (mindestens ein Nest für je 7 Hennen) und geeignete Sitzstangen (Besatzdichte max. 9 Legehennen je m²).

Generell müssen in jeder Haltung Legenester, Sitzstangen mit einem Platzangebot von 15 cm je Henne, Einstreu zum Picken und Scharren vorhanden sein. Hennen müssen uneingeschränkten Zugang zu Futtertrögen haben, wobei jeder Henne im Käfig mindestens 12 cm Futterplatz zur Verfügung stehen muss.[3]

Wirtschaftliche Aspekte

Artgerechte Tierhaltung findet vor allem in der ökologischen Landwirtschaft Anwendung.

Trotz der oben erwähnten höheren Qualität der Tierprodukte erzielen Bauern, welche Nutztiere artgerecht halten, teilweise geringere Gewinne als Bauern, die Tiere konventionell halten. Dies ist zum einen der Mentalität sowie den Gewohnheiten vieler Verbraucher geschuldet, welche oftmals nicht bereit sind, für Produkte aus artgerechter Haltung mehr zu zahlen oder es aus wirtschaftlichen Gründen nicht können. Zum anderen ist artgerechte Haltung aufgrund der gesteigerten Ansprüche wie Platzbedarf und naturnah gewachsenem Futter sowie einer geringeren Effizienz beispielsweise bei der Mast von Tieren teurer, da die Tiere sich ja hier ausschweifend bewegen dürfen und so langsamer an Gewicht und Fettgewebe zunehmen. Auch gestaltet sich das Einsammeln von Eiern und das Melken der Kühe zeitaufwändiger und umständlicher, da bei weniger eingeschränkten Tieren der Automatisierungsgrad geringer ist. Nach Angaben von oekolandbau aus dem Jahre 2008 zeigen die Resultate von Buchführungsbetrieben, dass Öko-Betriebe vergleichbar gut wirtschaften wie entsprechende konventionelle Betriebe. Das Gewinnniveau liegt im Bereich von 80 bis 120 Prozent der konventionellen Vergleichsgewinne. [4]

Kriterien für artgerechte Haltung

Hausrindmassagegerät
Hausrind unter Massagegerät

Zu der bereits erwähnten generellen Anpassung an den Lebensraum des Tieres gehören unter anderem ein ausreichendes Platzangebot für jedes Tier, welches auch Rückzugsmöglichkeiten und weit reichenden Auslauf bietet, voneinander getrennte Bereiche für Fressen, Defäkieren und Liegen, ein der Tierart bestmöglich angepasstes Stallklima und ein Futterangebot, wie es das Tier auch im natürlichen Umfeld vorfinden würde, welches also seiner spezifischen Ernährungsphysiologie entspricht. Zusätzliche Beschäftigungs- und Pflegemöglichkeiten wie Massagegeräte können durch die Tiere selbstständig ausgelöst und genutzt werden, um nicht mehr vorhandene Möglichkeiten beispielsweise des Schabens an Bäumen in freier Natur zu substituieren.

Zu beachten ist auch eine dem Sozialverhalten der Tiere entsprechende Größe der gehaltenen Tiergruppe. Des Weiteren sollte auch bei der Tötung der Tiere möglichst deren Würde nicht herabgesetzt und diese als Lebewesen respektiert werden.

Kritik

Aus Tierrechtssicht wird argumentiert, dass Haltung nicht „artgerecht“ sein kann, da „artgerecht“ nur das Leben in Freiheit sei. Das Vokabular von Tierhaltern beschönige die Lebenssituation der gehaltenen Tiere. Die Haltung stehe unter dem Vorzeichen der Nutzung durch den Menschen. Ziel der Haltung sei nicht das vorgebliche Wohlbefinden der Tiere, sondern die Ausbeutung für Unterhaltung und Produkte (Nahrung, Kleidung). [5]

Weblinks

Commons: Artgerechte Haltung – Album mit Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise