Brentuximab


Brentuximab

Masse/Länge Primärstruktur 149,2–151,8 kDa
Bezeichner
Externe IDs CAS-Nummer: 914088-09-8
Arzneistoffangaben
ATC-Code L01XC
Wirkstoffklasse Zytostatika

Brentuximab vedotin (INN, Handelsname Adcetris®) ist ein Antikörper-Wirkstoff-Konjugat (ADC), das im Rahmen von Studien zur Therapie von Krebserkrankungen der Lymphzellen erprobt wurde. In dem Konjugat ist ein monoklonaler Antikörper, der sich gegen humanes CD30-Antigen richtet, kovalent an drei bis fünf Moleküle des Zytostatikums Monomethylauristatin E gebunden. Am 19. Juli 2012 hat der Ausschuss für Humanarzneimittel (CHMP) der Europäischen Arzneimittelagentur (EMA) Brentuximab vedotin unter dem Handelsnamen Adcetris® zur Zulassung in der EU bei folgenden Indikationen empfohlen:[1]

  • zur Behandlung bei einem Rückfall bzw. Wiederauftreten eines Hodgkin-Lymphoms (HL) oder bei einem therapierefraktären (nicht auf die üblichen Therapien ansprechenden) Hodgkin-Lymphom.
  • zur Behandlung bei einem Rückfall bzw. Wiederauftreten eines systemischen anaplastischen großzelligen Lymphoms (sALCL) oder bei einem therapierefraktären (nicht auf die üblichen Therapien ansprechenden) sALCL.

Eine endgültige Entscheidung der Europäischen Kommission über die Zulassung wird Ende September 2012 erwartet. In den USA ist das Arzneimittel seit dem 19. August 2011 zugelassen.[2] Hersteller von Brentuximab vedotin sind Seattle Genetics in den USA und Millennium Pharmaceuticals, eine Tochtergesellschaft der Takeda Pharmaceutical Company.

Wirkungsmechanismus

Die Eigenschaft monoklonaler Antikörper, gezielt bestimmte Zellmerkmale zu erkennen, kann auch in der onkologischen Therapie genutzt werden: Antikörper sollen die Tumorzellen aufspüren und so das Zytostatikum gezielt zu den Tumorzellen befördern. Das Antikörper-Wirkstoff-Konjugat heftet sich dabei an die Oberfläche der Zelle, die ein bestimmtes Zellmerkmal (Antigen) trägt. In Brentuximab vedotin ist das Zellmerkmal, gegen das sich der monoklonale Antikörper richtet, das Tumorantigen CD30. Nach dem Anheften des Antikörpers an das Tumorantigen stülpt sich die Zellmembran in das Zellinnere und das Antikörper-Wirkstoff-Konjugat wird in die Zelle geschleust. Dort spalten Enzyme in den Lysosomen die Aminosäure-Verbindung zwischen Antikörper und Zytostatikum, das jetzt vor Ort seine Wirkung entfalten kann. Der an den Antikörper gekoppelte Wirkstoff in Brentuximab vedotin ist das Zytostatikum Monomethylauristatin E, das die mitotische Spindel zerstört und so zum G2/M-Zellzyklusarrest und zur Apoptose führt.[3]

Studien

Eine Dosisfindungsstudie an 45 Patienten mit Rückfällen von malignen Lymphomen, die CD30 exprimieren, wurde im November 2010 veröffentlicht. Sie zeigte einen Rückgang des Tumors bei 36 Patienten, davon elf komplette Remissionen.[4]

In zwei zulassungsrelevanten Phase-II-Studien war Brentuximab vedotin an 160 Patienten in den USA, Kanada und Europa getestet worden, davon wiesen 102 Patienten ein Hodgkin-Lymphom und 58 Patienten ein sALCL auf. In der Studie zum Hodgkin-Lymphom hatten alle 102 Patienten bereits eine Hochdosis-Chemotherapie mit autologer Stammzelltransplantation (ASCT) erhalten und waren mit mehreren Chemotherapieregimen vorbehandelt. Brentuximab vedotin wurde über maximal 16 Zyklen gegeben. 96 % der Patienten erreichten eine Krankheitskontrolle (d. h. eine Remission oder Krankheitsstabilisierung), 94 % der Patienten zeigten eine Tumorreduktion und bei 75 % der Patienten wurde ein objektives Gesamtansprechen (ORR = partielle oder komplette Remission) festgestellt.[5]

In der Studie zum sALCL erhielten 58 Patienten, bei denen mindestens eine vorhergehende Kombinationschemotherapie versagt hatte, Brentuximab vedotin über ebenfalls maximal 16 Zyklen. Hier erreichten 97 % der Patienten eine Tumorreduktion und bei 86 % der Patienten wurde ein objektives Gesamtansprechen (ORR = partielle oder komplette Remission) erzielt.[6]

Unerwünschte Wirkungen (Nebenwirkungen)

Die WHO teilt den Schweregrad von Nebenwirkungen bei Zytostatika in die die Grade 0 (keine Nebenwirkung) bis 5 (Tod durch Chemotherapie) ein. Die behandlungsbedingten Nebenwirkungen unter Brentuximab vedotin waren in den Studien hauptsächlich vom Schweregrad 1 (geringe Nebenwirkungen) oder 2 (Allgemeinbefinden verschlechtert, Chemotherapeutikum muss vermindert werden). Nebenwirkungen der Schweregrade 3 (Unterbrechung der Chemotherapie notwendig) oder 4 (stationäre Krankenhausbehandlung erforderlich) gingen meist auf Zytopenien (vor allem Neutropenien) zurück. Häufigste Nebenwirkungen der WHO-Schweregrade 3 oder 4 waren

  • in der Studie zum Hodgkin-Lymphom (102 Patienten): Neutropenie 20 %, periphere Neuropathie 9 % (Schweregrad 4 trat nicht auf), Thrombozytopenie 8 %, Anämie 6 %.[5]
  • in der Studie zum sALCL (58 Patienten): Neutropenie 21 %, Thrombozytopenie 14 %, periphere sensorische Neuropathie 12 % (Schweregrad 4 trat nicht auf), Anämie 7 %.[6]

Unter der Behandlung mit Brentuximab vedotin kam es in drei Fällen (Stand: Juni 2012) zum Auftreten einer progressiven multifokalen Leukenzephalopathie (PML). Die PML ist unter der Behandlung mit verschiedenen Immunsuppressiva (darunter auch monoklonale Antikörper), beschrieben.[7] Ob und wie Brentuximab vedotin zur PML beiträgt, ist bisher ungeklärt.

Weblinks

Deutsches Ärzteblatt zu Brentuximab vedotin: Dtsch Arztebl 2012; 109(20): A-1041

Einzelnachweise

  1. European Medicines Agency: Summary of opinion (initial authorisation) Adcetris vom 19. Juli 2012
  2. FDA News Release vom 19. August 2011
  3. Senter PD, Sievers EL. The discovery and development of brentuximab vedotin for use in relapsed Hodgkin lymphoma and systemic anaplastic large cell lymphoma. Nat Biotechnol 2012; 30: 631-72 PMID 22781692
  4. Younes A, Bartlett NL, Leonard JP, et al. Brentuximab Vedotin (SGN-35) for Relapsed CD30-Positive Lymphomas. N Engl J Med 2010; 363: 1812-21 PMID 21047225
  5. 5,0 5,1 Younes A, Gopal AK, Smith SE, et al. Results of a Pivotal Phase II Study of Brentuximab Vedotin for Patients With Relapsed or Refractory Hodgkin’s Lymphoma. J Clin Oncol 2012; 30: 2183-9 PMID 22454421
  6. 6,0 6,1 Pro B, Advani R, Brice P, et al. Brentuximab Vedotin (SGN-35) in Patients With Relapsed or Refractory Systemic Anaplastic Large-Cell Lymphoma: Results of a Phase II Study. J Clin Oncol 2012; 30: 2190-6 PMID 22614995
  7. Wagner-Johnston ND, Bartlett NL, Cashen A, et al. Progressive multifocal leukoencephalopathy in a patient with Hodgkin lymphoma treated with brentuximab vedotin. Leuk Lymphoma 2012; published online before print April 23, 2012, doi: 10.3109/10428194.2012.676170 PMID 22424602