Eilenriede
Die Eilenriede ist der rund 640 ha[1] große Stadtwald von Niedersachsens Landeshauptstadt Hannover und wird auch als ihre „Grüne Lunge“ bezeichnet. Das Waldgebiet gehört zu den größten zusammenhängenden Stadtwäldern Europas.
Größenvergleiche
In Deutschland gehört die Eilenriede zur Gruppe von Stadtwäldern oder stadtnahen Wäldern, wie die Rostocker Heide (6000 ha), die Dresdner Heide (5900 ha), der Frankfurter Stadtwald (4800 ha) oder der Berliner Grunewald (3000 ha). Die Eilenriede liegt mit dem Stadtwald in Duisburg (600 ha) in etwa gleichauf und ist doppelt so groß wie der Central Park (340 ha) in New York.
Name
Der erste Teil des Namens Eilenriede (Eilen) leitet sich ab von den dort früher hauptsächlich vorkommenden Erlen (Ellern). Der zweite Teil des Namens (Riede) (siehe auch: Ried) ist eine alte Bezeichnung für sumpfigen Boden. Einige traditionsreiche öffentliche Einrichtungen in der Nachbarschaft zum Stadtwald sind nach ihm benannt:
- Eilenriedehalle, eine der traditionellen Stadthallen und mit etwa 7000 Zuschauern Fassungsvermögen vor dem Bau der TUI-Arena bevorzugter Veranstaltungsort für Popmusik
- Eilenriedestadion, zeitweise Spielstätte des Fußballvereins Hannover 96, heute von dessen Jugend- und Amateurmannschaften
- Eilenriedestift, ein Alten- und Pflegeheim von gehobenem Wohn- und Preisniveau
Lage und Botanik
Die Eilenriede umschließt die Südstadt von Nordosten, Osten und Südosten in Form des spiegelverkehrten Buchstabens C mit einer Nord-Süd-Ausdehnung von sechs Kilometern. Sie reicht mit ihrem südwestlichen Ausläufer bis an den Maschsee. Das gesamte Gebiet ist durch ein rund 130 Kilometer langes Wegenetz (80 Kilometer Wandern, 38 Kilometer Radfahren, 11 Kilometer Reiten) erschlossen.
Neun Haltestellen von sechs Stadtbahn- und Buslinien liegen unmittelbar am Rand der Eilenriede. Auch durch weitere nahe gelegene Haltestellen ist die Eilenriede per ÖPNV aus fast allen Richtungen gut erreichbar.
Der Messeschnellweg wurde 1958 quer durch das Waldgebiet gebaut. Später wurde ein Lärmschutzwall errichtet. Auch die Ein- und Ausfallstraßen „Am Pferdeturm“ und Bemeroder Straße, die Bernadotte-Allee sowie die immerhin während der Wochenenden gesperrte Verbindung zwischen Fritz-Behrens-Allee und Steuerndieb entfalten erhebliche Trennwirkungen auf die Eilenriede und mindern nicht zuletzt ihren Erholungswert.
Die Eilenriede gliedert sich in zwei Teile:
- Die nördliche Eilenriede reicht von der Walderseestraße im Norden bis zum Pferdeturm im Süden, sie gehört zum Stadtteil Zoo.
- Die südliche Eilenriede beginnt südlich des Pferdeturms und reicht bis zum Maschsee. Sie gehört überwiegend zum Stadtteil Kleefeld. Der Bereich südlich der Bemeroder Straße bei Bischofshol bis zur Eisenbahnstrecke gehört zum Stadtteil Waldheim, der weitere Abschnitt bis zur Hildesheimer Straße gehört zu Waldhausen, der Bereich südlich des Stadtfriedhofs Engesohde bis zum Maschsee gehört zur Südstadt.
Durch die Viehmast und den Holzraubbau war die Eilenriede im 17. Jahrhundert ein ausgeplünderter Wald. Zur Besserung wurden 1729 Wirtschaftsregeln eingeführt. Die Anpflanzung schnellwachsender Nadelbäume linderte die Holznot. Günstig für den Wald wirkte sich im 19. Jahrhundert die Einführung von Kohle als Brennmaterial aus. Während des Zweiten Weltkrieges wurde der Wald durch Bombeneinschläge stark geschädigt. Heute finden sich zu 75 % Laubbäume in der Eilenriede. Dies sind hauptsächlich Eichen und Rotbuchen, Erlen und Birken, aber auch zahlreiche andere Baumarten kommen vor. Auf den sandigen Böden finden sich als Nadelbäume vorwiegend Kiefern und Lärchen. Früher wuchsen auf dem feuchten und sumpfigen Gelände hauptsächlich Erlen (Ellern). Im März und April ist der Waldboden großflächig mit grünen Pflanzenteppichen bedeckt. Dann blühen Lerchensporn, Scharbockskraut, das Gelbe Windröschen und der weiße Bärlauch.
Der Grundwasserspiegel der Eilenriede senkte sich über die vergangenen Jahre hinweg aufgrund der fortschreitenden Stadtentwicklung. Gegenwärtig (Stand April, 2008) werden Maßnahmen durchgeführt, die den Grundwasserstand des Waldgebietes auf sein natürliches Maß anheben, um der originären Vegetation ihren Raum zu erhalten. Diese langfristige Maßnahme ist aktuell politisch umstritten.
Freizeit
Der Stadtwald bietet zahlreiche Möglichkeiten zur Freizeitgestaltung, zum Beispiel:
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Rasenlabyrinth
In der Nördlichen Eilenriede befindet sich das „Rad“. Es ist ein Rasenlabyrinth mit Kreisen aus Rasen- und Kieselsteinflächen um einen zentralen Lindenbaum herum.[2] Erstmals wurde das Labyrinth 1642 in der Stadtchronik von Hannover erwähnt. Damals befand es sich noch am Emmichplatz und wurde erst 1932 an seinen jetzigen Standort mitten im Wald verlegt.
Derartige Anlagen waren in altgermanischer Zeit Kultstätten. Durch rituelle Tänze in den labyrinthförmigen Linien sollten Weltanschauung und Lebensordnung mit den die Menschen umgebenden Naturgewalten versöhnt werden. Die Einrichtung in der Eilenriede stellt eine der letzten vier historischen Rasenlabyrinthe Deutschlands dar. Die übrigen drei sind der Wunderkreis in Kaufbeuren, der Schwedenhieb in Graitschen und der Schwedenring in Steigra.
Denkmäler und Plastiken
In der nördlichen Eilenriede befinden sich mehrere Denkmäler.
Prinzessinnengruppe
Auf einem Rasenrondell an der Kreuzung Yorck- und Hohenzollernstraße steht auf der Waldseite die Prinzessinnengruppe, die in halber Lebensgröße von dem Berliner Bildhauer Johann Gottfried Schadow geschaffen wurde und in der Alten Nationalgalerie zu sehen ist. Es stellt Prinzessin Luise (die spätere Gemahlin des Preußenkönigs Friedrich Wilhelm III.) und deren jüngere Schwester Friederike (nachmals Gemahlin des Königs Ernst August von Hannover) dar.
Das Denkmal geht zurück auf eine Stiftung des letzten deutschen Kaisers Wilhelms II. und wurde von dem venezianischen Bildhauer Valentin Casal geschaffen. Der „Kronprinz des Deutschen Reiches und von Preußen“ Wilhelm enthüllte das Denkmal als offizieller Vertreter seines Vaters am 19. Juli 1910.
Waldersee-Denkmal
In diesem Bereich an der Walderseestraße findet sich auch das Denkmal für den preußischen Generalfeldmarschall Alfred Graf von Waldersee, der in einer Villa am Rand der Eilenriede seine letzten Lebensjahre verbrachte.
Pelikan-Brunnen
An der Walderseestraße gegenüber der Fritz Beindorff-Allee erinnert der Brunnen mit zwei bronzenen Pelikanen an Fritz Beindorff als hannöverscher Senator und früheren Alleininhaber des Büroartikelunternehmens Pelikan AG.
Denkmal für Heinrich Christian Burckhardt
Der Bildhauer Carl Dopmeyer schuf das mit einem bronzenen Portraitrelief ausgestattete Burckhardt-Denkmal, das 1883 in der Vorderen Eilenriede errichtet wurde. Es erinnert an den hannoverschen Forstmann und späteren Forstdirektor Heinrich Christian Burckhardt, der 1866 nach der Annexion Hannovers durch Preußen für die Forstverwaltung der nun preußischen „Provinz Hannover“ zuständig war.
Geschichte
Entstehung
Es wird vermutet, dass die Eilenriede einst der westliche Teil des Nordwaldes war. Dieses große, zusammenhängende Waldgebiet bedeckte bis ins späte Mittelalter große Teile Niedersachsens zwischen Braunschweig und Hannover.
Ab 1241 erhielt die Stadt Hannover ein Mitbenutzungsrecht an den Waldungen der Eilenriede. 1371 wurde sie den Bürgern Hannovers von den Herzögen Wenzeslaus und Albrecht von Sachsen geschenkt als Dank für die Unterstützung in einem Erbfolgekrieg. Dies gab den Bürgerinnen und Bürgern das Recht, das Waldgebiet als ihr Eigentum zu nutzen und zu pflegen. Gleichzeitig bestand die Verpflichtung, das Waldgebiet zu erweitern.
Landwehr
In der Mitte des 14. Jahrhunderts entstand vor dem Hintergrund des Lüneburger Erbfolgekrieges (1370–1388) zum Schutz von Hannover eine Landwehr rund um die Stadt, vor allem in der Eilenriede. Die Landwehr war ein vorgeschobenes Grenzsicherungs- und Befestigungssystem mit Warttürmen an den Straßendurchgängen. Innerhalb oder am Rande der Eilenriede befinden sich die Reste folgender früherer Warttürme und Warthäuser:
- Döhrener Turm (1382)
- Pferdeturm (1387)
- Lister Turm (1387)
- Pinkenburg (1387)
- Steuerndieb (1392)
- Bischofshol (1461)
Später wurden aus den Wachtürmen der Landwehr Förstereien, um den Holzdiebstahl in der Eilenriede einzudämmen. Gut erhaltene Wall- und Grabenabschnitte der Landwehr finden sich heute im Stadtwald auf mehreren Kilometern Länge im Bereich des Pferdeturms, des Döhrener Turms und am Inselgraben hinter dem Zoo.
Räubergeschichten
Der Räuber Jaspar Hanebuth wurde 1607 im heutigen Stadtteil Groß-Buchholz geboren und trieb sein Unwesen in der Eilenriede. In den Wirren der Zeit, wie Pest, Kriege und Besatzungen raubte und mordete er über längere Zeit. Seinen Opfern soll er am Waldrand in Höhe des heutigen Zoos aufgelauert haben. Nach seiner Festnahme 1652 gestand er 19 Morde und wurde dafür öffentlich gerädert. Nach ihm ist eine Straße am Waldrand als Hanebuthwinkel benannt worden.
Schiffgraben
Ein geschichtliches Relikt in der Eilenriede ist der Schiffgraben. Dies war eine im Mittelalter künstlich angelegte Wasserstraße, die das Aegidientor in der Stadt mit dem Altwarmbüchener Moor verband. Sie diente dem Transport von Torf und Holz in die Stadt, wo es als Brenn- oder Baumaterial benötigt wurde. Der Graben hatte eine Länge von neun Kilometern. Erhalten geblieben ist der Schiffgraben nur noch auf drei Kilometer Länge in der Eilenriede zwischen Musikhochschule und der Waldgaststätte Steuerndieb. Im Mittelalter war der Schiffgraben ab Steuerndieb Teil der Hannoverschen Landwehr.
Parkumgestaltung
Um 1900 wurde die stadtnahe Vordere Eilenriede in einen Waldpark für die Bürger der aufstrebenden Großstadt umgewandelt. Es entstanden Wasserläufe und Lichtungen. Außerdem wurden an markanten Stellen Skulpturen und Plastiken aufgestellt. Der Sonnenspielplatz und der Spielpark WAKITU (Waldkindertummelplatz) waren 1895 die ersten öffentlichen Spielplätze der Stadt.
Eilenriede-Motorradrennen
Die nördliche Eilenriede war zwischen 1924 und 1939 sowie 1949 und 1955 Rennstrecke für Motorradrennen. Das Eilenriede-Rennen war ein örtliches Großereignis. Es entwickelte sich in wenigen Jahren zu einer motorsportlichen Institution mit internationalem Bekanntheitsgrad. Der fünf Kilometer lange Rundkurs führte dreiecksförmig mitten durch das Waldgebiet.[3] Start- und Zielpunkt war die Waldgaststätte Steuerndieb. Die beiden weiteren Eckpunkte waren der Lister Turm und der Zoo Hannover. Das erste offizielle Rennen startete am 30. März 1924 mit 168 Motorrädern[4]. 1928 kam es zum ersten Todessturz. Während des Zweiten Weltkriegs war das Rennen ausgesetzt. Die Zuschauerzahlen steigerten sich von anfangs 40.000 Personen auf 130.000 Zuschauer im Jahre 1951. Danach ging die Zuschauerbegeisterung zurück. Umweltschutzgründe und gestiegene Sicherheitsauflagen sorgten 1955 für das Ende der Rennveranstaltungen.
Eilenriedebeirat
Für die Wahrung der Belange der Eilenriede und einiger benachbarter Wälder schuf der Rat der Stadt Hannover 1956 den Eilenriedebeirat. Anlass zur Schaffung dieses Gremiums war der Bau des Messeschnellweges in den 1950er Jahren, dessen Zerschneidungswirkung zusammen mit dem von ihm ausgehenden Lärm zu heftigen Protesten in der Bevölkerung führte.[5]
Literatur
- Kemper, Edwin/ Nowak, Helmut (Hrsg.): Eilenriede-Festschrift. Beihefte zu den Berichten der Naturhistorischen Gesellschaft zu Hannover, Heft 7, Hannover 1971.
- Hans Brauns u.a.: Die Eilenriede. Sonderheft der Hannoversche Geschichtsblätter, herausgegeben vom Stadtarchiv der Landeshauptstadt Hannover, Hannover, Eigenverlag, 1938.
- H.-W. Heine: Die mittelalterliche Landwehr von Hannover in: Führer zu vor- und frühgeschichtlichen Denkmälern 49 (1981), S. 48-55
- August Jugler: Die Eilenriede in alter Zeit. Ein Kulturbild aus Hannovers Vergangenheit. Hannover, Klindworths 1884.
- Speier, Martin; Pott, Richard: Der hannoversche Stadtwald "Eilenriede" in geobotanischer und historischer Sicht. In: Hundert Jahre Reinhold Tüxen. Geobotanik und Vegetationsgeographie. Hrsg.: Richard Pott. Hannover 1999, S. 279-303.
- Bettina Borgemeister: Die Stadt und ihr Wald. Eine Untersuchung zur Waldgeschichte der Städte Göttingen und Hannover vom 13. bis zum 18. Jahrhundert. Hannover, Hahn 2005. (Veröffentlichungen der Historischen Kommission für Niedersachsen und Bremen. 228) ISBN 3-7752-6028-5.
- Joachim Lehrmann: Räuberbanden zwischen Harz und Weser. Lehrte, Lehrmann-Verlag 2004. ISBN 3-9803642-4-0. (darin ausführlich Hannovers Raubmörder Hanebuth)
- Stadtwälder in Hannover - Die Eilenriede. Broschüre als aktualisierte Neuauflage von 2004, Hannover.
- Eilenriedekarte, Maßstab 1:10.000. 3. Auflage, Hannover. (Broschüre und Karte kostenlos bei: Fachbereich Umwelt und Stadtgrün der Landeshauptstadt Hannover)
- Janet Anschütz (Autorin), ADAC Niedersachsen Sachsen-Anhalt (Herausgeber): Motorrad Rennsport: Internationale Eilenriede-Rennen zu Hannover 1924-1955. MatrixMedia-Verlag 2009. ISBN 978-3-932313-34-9 (Online)
- Woldemar Lange / Jörg Buschmann: Die große Zeit des DKW-Motorradrennsports. 1920 bis 1941 (Zschopau). 1. Auflage. Bildverlag Böttger GbR, Witzschdorf 2009, ISBN 978-3-937496-29-0, S. 368. (zu Eilenriede-Motorradrennen)
- Helmut Knocke, Hugo Thielen: Eilenriede, in: Hannover Kunst- und Kultur-Lexikon, S. 101ff.
- Eva Benz-Rababah: Eilenriede in: Stadtlexikon Hannover, S. 149
Weblinks
- Informationen über die Eilenriede bei www.hannover.de
- Hermann Löns über die Eilenriede 1907 im Aufsatz von Aadje Ziesenis
- Maßnahmenprogramm zu Entwicklung von Landschaftsräumen; Landeshauptstadt Hannover; (PDF, 3,26 MB)
- Holzgang und Diebstahl in Hannovers Stadtwald Eilenriede
Einzelnachweise
- ↑ Europas bedeutendster Stadtwald im Herzen Hannovers, abgerufen am 26. April 2011
- ↑ Geographische Koordinaten des Rasenlabyrinths: +52° 23' 18.24", +9° 45' 55.15" (GPS-Koordinaten, für Google Maps: LL 52.388400, 9.765320)
- ↑ Streckenkarte
- ↑ Artikel mit Rennbeschreibung von 2008
- ↑ Broschüre Eilenriedebeirat, abgerufen am 26. April 2011
Koordinaten: 52° 23′ 16″ N, 9° 46′ 10″ O