Europäische Eidechsennatter
Europäische Eidechsennatter | ||||||||||||
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Eidechsennatter (Malpolon monspessulanus) | ||||||||||||
Systematik | ||||||||||||
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Wissenschaftlicher Name | ||||||||||||
Malpolon monspessulanus | ||||||||||||
Hermann 1804 |
Die Europäische Eidechsennatter (Malpolon monspessulanus) zählt zur Überfamilie der Nattern- und Vipernartigen (Colubroidae). Sie wurde erstmals 1804 von dem französischen Naturwissenschaftler Johann Hermann wissenschaftlich beschrieben. Das Art-Epitheton leitet sich vom lateinischen Namen der französischen Stadt Montpellier ab, dem entsprechend wird sie im Englischen als Montpellier Snake bezeichnet.
Merkmale
Die Europäische Eidechsennatter ist groß und schlank. Sie erreicht in der Regel eine Gesamtlänge zwischen 160 und 180 cm; mit einer maximalen Länge von über 200 cm, einigen Angaben zufolge sogar bis 250 cm, ist sie wohl die größte Schlangenart Europas. Der Kopf ist schlank, aber recht hoch, er wirkt kantig und setzt sich von oben betrachtet kaum vom Körper ab. Die Augen sind groß und haben eine runde Pupille. Die Schuppen sind glatt oder selten gefurcht, allerdings nie deutlich gekielt. Um die Körpermitte hat die Art 17 bis 19 dorsale Schuppenreihen. Das Stirnschild (Frontale) ist sehr schmal, zumeist sind 8, selten 9 Oberlippenschilder (Supralabialia) vorhanden, zwei Zügelschilder (Lorealia), ein Voraugenschild (Praeoculare) sowie 2 bis 3 Hinteraugenschilder (Postocularia). Die Grundfärbung ist in verschiedenen Grau- und Graubrauntönen bis oliv oder grauoliv. Der Bauch ist grauweiß bis gelblich und dunkel gefleckt. Die Art weist einen mehr oder weniger deutlichen Geschlechtsdimorphismus auf, während adulte Männchen einfarbig sind, weisen Weibchen eine Musterung aus dunklen Punkten und Flecken mit hellem Saum auf. Jungschlangen sind auffällig gemustert und haben auch auf dem Kopf eine Zeichnung.
Die Europäische Eidechsennatter hat im hinteren Bereich des Oberkiefers verlängerte Fangzähne, die am Rand gefurcht sind und mit einer Giftdrüse verbunden sind. Daher wird sie in die nicht monophyletische Gruppe der Trugnattern eingeordnet.
Eine Verwechslungsmöglichkeit besteht vor allem zwischen Europäischer Eidechsennatter und der zur selben Gattung zählenden Moilanatter (Malpolon moilensis). Sie unterscheiden sich unter anderem hinsichtlich der geringeren Größe der Moilanatter und des bei ihr weniger stark ausgeprägten Canthus.
Verbreitung
Das Verbreitungsgebiet der Europäischen Eidechsennatter erstreckt sich über die Iberische Halbinsel, Südfrankreich, Nordwestitalien (isolierte Populationen), den Osten des mediterranen Balkans von Triest bis Burgas und Istanbul, Vorderasien sowie Nordafrika. Auch auf einigen Inseln des Mittelmeers ist die Schlange aufzufinden. Die bevorzugten Lebensräume sind trockene und spärlich bewachsenes, felsiges Gelände (Macchien), Berghänge, Öd- und Hügelland, Flusstäler und Kulturland wie verwilderte Gärten und Weingärten sowie Ackerland. Sie dringt in Gebirgslagen in Höhen von bis nahezu 2000 Metern über NN vor.
Lebensweise
Die Art ist vorwiegend bodenbewohnend. Eidechsennattern sind sehr scheue, tag- oder dämmerungsaktive Schlangen. Sie nutzen die Sonne der frühen Morgenstunden, um sich aufzuwärmen. Oft ziehen sie dazu aus der warmen Oberfläche der Straßen ihren Nutzen. Im klimatisch gemäßigten Verbreitungsgebiet hält die Europäische Eidechsennatter eine mehrmonatige Winterruhe.
Ernährung
Die Europäische Eidechsennatter hat ein vergleichsweise großes Nahrungsspektrum. Zu ihrer Beute zählen Echsen, insbesondere Echte Eidechsen, andere Schlangen, Kleinsäuger wie Nagetiere sowie Vögel, bevorzugt Boden- und Höhlenbrüter. Außerdem erbeuten junge Eidechsennattern auch größere Insekten. Größere und wehrhafte Beutetiere werden festgehalten und durch Kaubewegungen wird mit den hinteren Furchenzähnen Gift injiziert, um das Beutetier zu töten. Kleinere Tiere werden häufig lebend heruntergeschlungen.
Sozialverhalten
Männchen der Eidechsennattern sind territorial. Sie produzieren in speziellen Nasendrüsen ein klares Sekret, welches als Duftstoff fungiert und unter einem charakteristischen Putzverhalten auf die Ventralschilder (Bauchschilder) gestrichen wird. Beim Begattungsakt nimmt das entsprechende Weibchen den Duftstoff in Gruben der Dorsalschuppen (Rückenschuppen) auf. Damit ist das Weibchen markiert und eine feste Partnerschaft gewährleistet. Das Männchen verteidigt sein Weibchen und erjagt neben dem Eigenbedarf auch Beute, die dem Weibchen überlassen wird. Andere Männchen wenden eine Satellitenstrategie an: Sie leben im Revier des Pärchens, holen sich ebenfalls das Sekret des dominanten Männchens und nehmen bei dessen Tod seinen Platz ein.
Fortpflanzung
Die Europäische Eidechsennatter zählt zu den oviparen Schlangen, sie legt also Eier mit fester Schale. Die Begattung der Weibchen erfolgt während der Paarungszeit, die zwischen April und Juni stattfindet, etwa im Juli bis August kommt es dann zur Eiablage. Die Größe des Geleges umfasst in Abhängigkeit von gesundheitlichem Zustand und Größe des Muttertieres zwischen 4 und 20 Eier. Das Gelege wird unter Laubstreu, in feuchter Erde oder in Mauerspalten angelegt. Gegen Ende September oder Anfang Oktober schlüpfen die Jungschlangen. Bei der Europäischen Eidechsennatter wird keinerlei Brutfürsorge beobachtet.
Gift
Bei Menschen kommt es aufgrund der sehr scheuen Lebensweise der Schlange so gut wie nie zu Bissunfällen, eine Risikogruppe stellen Landwirte dar, ihnen kommt die Eidechsennatter noch am ehesten unerwartet über den Weg, zum Beispiel in Ställen oder Getreidelagern. Die meisten Bissunfälle entstehen durch das mutwillige Ergreifen des Tieres. Vor allem Trugnattern geben oft kein Gift bei einem Biss in die Wunde, was besonders den hinterständigen Giftzähnen zu verdanken ist, erst durch ein Festbeißen und das regelrechte Einkauen des Giftes erfolgt häufig erst eine Vergiftung (Intoxikation). Bei schnellen Verteidigungsbissen schlagen die Giftzähne kaum ein.
Giftwirkung
Viele Bisse sind trocken, also ohne Giftinjektion. Dementsprechend verlaufen sie in der Regel ohne Symptome. Das Gift zeigt insbesondere neurotoxische Bestandteile, die das Nervensystem angreifen. Die Vergiftung geht zumeist lediglich mit lokalen Symptomen einher, es können Schmerzen, Schwellung der Lymphknoten und eine Lymphangitis (Entzündung der Lymphgefäße von Haut und Unterhautfettgewebe) auftreten. Bei mindestens einem Bissopfer wurden Auswirkungen auf das zentrale Nervensystem beobachtet. Dabei zeigten sich über 48 Stunden anhaltend Atemprobleme, Lähmungen der Augenlider (Ptosis) und Schluckstörungen in Verbindung mit Schmerzen in der Brustbein- und Oberbauchgegend.
Therapie eines Giftbisses
Wie für die meisten Trugnattern steht auch für die Europäische Eidechsennatter kein spezielles Antivenin (Gegenserum) zur Verfügung. Wegen der geringen Erfahrung sollte jeder Biss ernst genommen und medizinisch behandelt werden. Eine stationäre Aufnahme in einem Krankenhaus zur Überwachung über 24 Stunden ist ebenfalls ratsam.
Gefährdung und Schutz
Die Europäische Eidechsennatter ist nicht gefährdet und wird in der Roten Liste des IUCN als "least concern" (also nicht gefährdet) geführt. Sie wird in Anhang III der Berner Konvention geführt.[1]
Quellen
Einzelnachweise
- ↑ The IUCN Red List of Threatened Species: Malpolon monspessulanus (Stand 29. Juli 2009)
Literatur
- Ulrich Gruber: Die Schlangen Europas. Frankh'sche Verlagsbuchhandlung, Stuttgart 1989, ISBN 3-440-05753-4, S. 165.
- Mark O’Shea: Giftschlangen – Alle Arten der Welt in ihren Lebensräumen. Franckh-Kosmos Verlag, 2006, ISBN 3-440-10619-5.
- Chris Mattison: Enzyklopädie der Schlangen. blv Verlag, ISBN 978-3-8354-0360-4.
- Ulrich Gruber:Amphibien und Reptilien, Franckh-Kosmos Verlag, ISBN 978-3-440-09212-5.
- Wolfgang Böhme: Caenophidia, Nattern- und Otternartige. In: Wilfried Westheide, Reinhard Rieger (Hrsg.): Wirbel- oder Schädeltiere. Gustav Fischer, Stuttgart 2004, ISBN 3-8274-0900-4 (Spezielle Zoologie, Teil 2), S. 378–380.
- Dieter Schmidt: Die Gattungen der Unterfamilie Boiginae. In: Dieter Schmidt: Trugnattern. bede, Ruhmannsfelden 1998, ISBN 3-931792-89-7, S. 71–87.
- W. Reinhard, Z. Vogel: Die Nattern. In: Bernhard Grzimek (Hrsg.): Grzimeks Tierleben Kriechtiere. Bechtermünz, Augsburg 2000, ISBN 3-8289-1603-1 (unveränderter Nachdruck der Originalausgabe von 1979/80), S. 390–423.