Großfrüchtige Moosbeere


Großfrüchtige Moosbeere

Großfrüchtige Moosbeere (Vaccinium macrocarpon)

Systematik
Asteriden
Ordnung: Heidekrautartige (Ericales)
Familie: Heidekrautgewächse (Ericaceae)
Gattung: Heidelbeeren (Vaccinium)
Untergattung: Moosbeeren (V. subgenus Oxycoccus)
Art: Großfrüchtige Moosbeere
Wissenschaftlicher Name
Vaccinium macrocarpon
Ait.

Die Großfrüchtige Moosbeere (Vaccinium macrocarpon), auch niederdeutsch Kraanbeere oder Kranbeere (von kraan, Kranich,[1] auch „Kranichbeere“), bekannt vor allem unter der englischen Bezeichnung Cranberry, ist eine Pflanzenart aus der Gattung der Heidelbeeren (Vaccinium) in der Familie der Heidekrautgewächse (Ericaceae).

Die englische Bezeichnung Cranberry leitete sich aus „crane berries“ („Kranichbeeren“) ab, da die Staubfäden der Blüten einen Schnabel bilden, der die ersten Siedler an einen Kranichschnabel erinnerte.[2] Moosbeeren sind in Europa, Asien und Nordamerika heimisch, wobei die Amerikanische Kranbeere Vaccinium macrocarpon robuster und weniger rund ist als die eurasisch-nordamerikanische Gewöhnliche Moosbeere Vaccinium oxycoccos.[3] Die Amerikanische Kranbeere wird in den USA, vor allem in Neuengland, großflächig angebaut und vermarktet. Unter anderem gelten sie als unverzichtbarer Bestandteil des Thanksgiving-Menüs. In Deutschland findet sich die Kranbeere häufig unter dem irreführenden Namen „Kulturpreiselbeere“ im Handel, schmeckt aber deutlich anders als Preiselbeeren. Sie ist herb und sehr sauer.

Beschreibung

Kranbeeren

Die Kranbeere ist ein immergrüner Zwergstrauch (Chamaephyt), der sich mit fadenförmig niederliegenden Zweigen am Boden kriechend ausbreitet. Die Wuchsform ist niederliegend-aufsteigend, das heißt die älteren Abschnitte der fadenförmigen Zweige liegen dem Boden auf und bewurzeln sich auf ganzer Länge, die Zweigenden sind dagegen aufrecht gestellt. Die Zweige wachsen unbegrenzt weiter (bis zu 1 m pro Jahr), wobei die alten rückwärtigen Abschnitte nach einigen Jahren absterben wenn sie von Nachbarpflanzen und (Torf-)Moosen überwachsen werden. Deshalb erhält ein Moosbeeren-Bestand eine rasenartige Struktur (Einzelpflanzen sind nicht erkennbar).

Die Blätter sind ledrig, immergrün, 1 bis 2 cm lang; länglich-eiförmig und laufen spitz zu. Die Blüten sind rosa-weiß mit stark zurückgeschlagenen Kronblättern. Die Früchte sind in der Größe vergleichbar mit kleineren Kirschen. Die reifen Früchte sind leuchtend rot gefärbt und haben vier Luftkammern im Inneren, dadurch sind sie wesentlich leichter als Wasser.

Verbreitung

Die natürliche Heimat von Vaccinium macrocarpon liegt in Hochmooren im östlichen Nordamerika. Das Verbreitungsgebiet reicht von New Brunswick und Neufundland in Kanada südlich bis zu den US-Bundesstaaten North Carolina, Tennessee und Virginia.

Vaccinium macrocarpon wurde in mehreren Mooren Deutschlands sowie auf den niederländischen Inseln Terschelling und Vlieland als Neophyt eingebürgert. Weitere Einbürgerungen durch Kulturflüchtlinge erfolgten im Westen der USA (Kalifornien und Washington) und in England.[4]

Ernte

Cranberry-Ernte in New Jersey

Die Früchte sind wesentlich leichter als Wasser, was das heutige hochmechanisierte Ernteverfahren möglich macht. Größter europäischer Produzent von Früchten kultivierter Pflanzen ist Lettland mit etwa 100 Hektar Anbaufläche.[5]

Im kommerziellen Anbau ist eine besondere Erntemethode üblich: Zunächst werden die Felder mit Wasser geflutet, danach werden die Kranbeeren mit Hilfe spezieller Maschinen vom Busch durch einen Strudelsog abgetrennt; anschließend werden die reifen, obenauf schwimmenden Früchte eingesammelt (siehe Bild).

Die vier Luftkammern in der Beere haben neben dem Auftrieb bei der Ernte noch einen weiteren Nutzen: Die intakten Luftkammern hochwertiger Beeren lassen diese wie einen Ball hüpfen. Minderwertige Früchte tun dies nicht, sodass bereits im Jahr 1881 Maschinen entwickelt wurden, die dafür sorgen, dass hochwertige Früchte über eine Barriere springen. Diese werden als ganze Früchte verkauft. In frischer oder getrockneter Form sind die Beeren in der nordamerikanischen und skandinavischen Küche weit verbreitet.

Weiche Früchte werden dagegen zu Kompott oder Saft (zum Beispiel für eine Verwendung in Erfrischungsgetränken) verarbeitet. Der Saft ist wesentliche Zutat des Cosmopolitan Cocktails.

Medizinische Bedeutung

Die Wirkung der Inhaltsstoffe von Kranbeeren auf Harnwegsinfekte ist umstritten.

Einige klinische Studien zeigen, dass Kranbeeren und ihr Saft wirksam zur Vorbeugung gegen Harnwegsinfektionen u. a. mit Escherichia coli sind. Eine Studie, bei der Kosten und Effektivität von verschiedenen Kranbeerenprodukten untersucht wurden, ergab, dass die Anzahl der Harnwegsinfekte bei 150 sexuell aktiven Frauen mit Saft und Trockenextrakt signifikant gesenkt werden konnte.[6][7]

Eine Metastudie der Cochrane Collaboration von 2008 kam dagegen zu dem Schluss, dass eine gewisse Wirkung nur für junge Frauen belegt ist, nicht jedoch für ältere Menschen, Männer und Patienten mit Kathetern.[8] Eine randomisierte, doppelblinde Placebo-kontrollierte Studie aus dem Jahr 2011, die die Wirkung von Kranbeerensaft über einen Zeitraum von sechs Monaten an weiblichen College-Studenten beobachtete, kam zu dem Schluss, dass die Einnahme von zweimal täglich 8 oz (ca. 200 ml) Cranberrysafts mit 27-prozentiger Konzentration nicht besser gegen Harnwegsinfekte half als ein Placebosaft. Inwieweit eine höhere Konzentration oder größere Menge bessere Ergebnisse erzielt, wurde jedoch nicht überprüft.[9] Untersuchungen fanden keine bakteriostatischen Wirkungen von Kranbeerensaft oder Urin von Personen, die Kranbeerensaft zu sich genommen hatten.[10]

Kranbeerensaft kann möglicherweise durch bestimmte Inhaltsstoffe verhindern, dass sich Bakterien an die Oberflächen der Harnwege anheften; die Erreger finden so keinen Halt und können mit dem Harn ausgeschwemmt werden. Eine entsprechende anti-adhäsive Wirkung ist belegt.[11] Strittig ist jedoch, ob die Erreger, die durch Pili die Fähigkeit haben, sich auf Oberflächen anzuheften, auch für Harnwegsinfekte verantwortlich sind. So sind nicht alle Erreger, die Infekte verursachen, mit Fimbrien ausgestattet. Diese scheinen weniger bedeutend für Blaseninfekte als für Nierenentzündungen zu sein.[12] Andererseits ist belegt, dass sich durch den Genuss von Cranberrys der Gehalt an entzündungshemmender Salicylsäure im Urin und Plasma erhöht[13], zugleich wird durch die Salicylsäure und andere wieder ausgeschiedene organische Säuren der Harn angesäuert, was die Vermehrung von Keimen hemmen kann, erhöhte Flüssigkeitszufuhr oder ein diuretischer Effekt führt gleichzeitig zur raschen Ausschwemmung bzw. Verdünnung der Keimkonzentration.

Die deutsche Gesellschaft für Allgemeinmedizin erwähnt Cranberry als traditionelles Heilmittel zur Behandlung von Harnwegsinfektionen, weist jedoch darauf hin, dass die wissenschaftliche Basis einer Behandlung mit pflanzlichen Drogen im Allgemeinen gering ist.[14] In einer Leitlinie der europäischen Gesellschaft für Urologie werden Cranberryprodukte als Maßnahme zur Vorbeugung gegen Harnwegsinfekte erwähnt. Sie werden aber als der Antibiotikagabe unterlegen bewertet.[15]

Auch über den Wirkmechanismus und die Wirkstoffe von Kranbeerensaft besteht Uneinigkeit. Kranbeeren enthalten starke Antioxidantien[16] wie Proanthocyanidine (PAC). Als wirksamer Bestandteil kommen neben Proanthocyanidinen auch 1-O-Methylgalactose, Prunin und Phlorizin in Frage. Aktuelle Untersuchungen zeigen, dass für die Wirkung auf p-Fimbrien tragende E. coli höhermolekulare Inhaltsstoffe aus der Substanzklasse der Proanthocyanidine verantwortlich sind. Diese Proanthocyanidine gehören zur polyphenolischen Gruppe der Flavanole. Speziell handelt es sich in Kranbeeren hauptsächlich um Oligomere des Catechins und Epicatechins, die wegen ihrer eiweißdenaturierenden Eigenschaften auch als kondensierte Tannine bezeichnet werden. Es wurde gezeigt, dass die A-förmigen Kranbeeren-Proanthocyanidine für die Anti-Adhäsions-Wirkungen verantwortlich sind, während B-förmige Proanthocyanidine in anderen Nahrungsmitteln nur geringfügige oder keine Aktivität aufzeigen.[17]

Diese A-förmigen PAC unterscheiden sich strukturell von den PAC in Grüntee oder Schokolade, denen keine Anti-Adhäsions-Effekte zugesprochen werden konnten. Auch bei vielen anderen auf diese Eigenschaft hin untersuchten Früchten konnten Inhaltsstoffe mit vergleichbarer anti-adhäsiver Wirkung nicht nachgewiesen werden.[18][19][20][21][22]

Laut der Fachzeitschrift Caries Research können Kranbeeren die Bildung von Zahnbelag reduzieren. Die Wirksamkeit bei Mundinfektionen mit Streptococcus mutans beruht auf einer Hemmung der Biofilm-Produktion.[23] Kranbeeren sind nicht wirksam gegen Besiedlung mit Bakterien in den Stirnhöhlen oder im Darm.[24]

Pestizidrückstände in den Beeren führten 1958/59 zum sogenannten Great Cranberry Scandal.

Backzutat

In Deutschland werden zunehmend Kranbeeren als Backzutat entdeckt, da sie sich durch ihren herb-säuerlichen Geschmack gut von anderen Zutaten abheben. Als Beispiel ist der Ersatz der sonst üblichen Rosinen in Weihnachtsstollen zu nennen.

Sorten

Es sind etwa 130 Sorten der Kranbeere bekannt, teils mit dunkelrot bis schwarz gefärbten Früchten. Allerdings stammen etwa 99 % der kommerziell angebauten Früchte von lediglich etwa einem Dutzend meistangebauter Sorten. Zu den wichtigsten Sorten zählen Ben Lear, Early Black, Howes, McFarlin und Searles.[25]

Krankheiten

Die Blätter der Großfrüchtigen Moosbeere können vom parasitischen Pilz Exobasidium perenne besiedelt werden.[26]

Einzelnachweise

  1. Cranberry
  2. Bitte, was sind eigentlich Cranberrys? In: Welt Online.
  3. Britannica, 2004
  4. online atlas of the British and Irish flora.
  5. Mintauts Abolins, Rudite Sausserde, Marta Liepniece, Dace Sterne: Cranberry and blueberry production in Lavia. In: Agronomijas Vestis, 12, 2009, S. 7–13.
  6. L. Stothers: A randomized trial to evaluate effectiveness and cost effectiveness of naturopathic cranberry products as prophylaxis against urinary tract infection in women. In: The Canadian journal of urology (Can. J. Urol.) St. Laurent Q 2002, 9, 1558–1562. ISSN 1195-9479
  7. N. Cimolai u. a.: The cranberry and the urinary tract. In: European journal of clinical microbiology & infectious diseases (Eur J Clin. Microbiol. Infect. Dis.) 2007,26, 767–776. ISSN 0934-9723
  8. R.G. Jepson, J.C. Craig: Cranberries for preventing urinary tract infections. In: Cochrane Database of Systematic Reviews. Chichester 2008,1, Art. No. CD001321. doi:10.1002/14651858.CD001321.pub4 ISSN 1469-493X
  9. C. Barbosa-Cesnik, M.B. Brown, M. Buxton, L. Zhang, J. DeBusscher, B. Foxman: Cranberry Juice Fails to Prevent Recurrent Urinary Tract Infection. Results From a Randomized Placebo-Controlled Trial. In: Clinical Infectious Diseases. Cary NC 52.2001,1, 23–30. doi:10.1093/cid/ciq073 ISSN 1058-4838
  10. R. Monroy-Torres, A. E. Macias: Does cranberry juice have bacteriostatic activity? In: Revista de investigación clínica (Rev Invest Clin.) Mexico 57.2005,3, S. 442–446. PMID 16187705 ISSN 0034-8376 (Englische Zusammenfassung, Artikel in spanisch)
  11. A. E. Sobota: Inhibition of bacterial adherence by cranberry juice: potential use for the treatment of urinary tract infections. In: The journal of urology (J. Urol). New York 1984, 131, S. 1013–1016. ISSN 0022-5347
  12. R. H. Latham, W. E. Stamm: Role of fimbriated Escherichia coli in urinary tract infections in adult women, correlation with localization studies. In: The Journal of infectious diseases. Cary NC 149.1984,6, 835–840. ISSN 0022-1899
  13. G. G. Duthie: Increased salicylate concentrations in urine of human volunteers after consumption of cranberry juice. In: Journal of agricultural and food chemistry (J Agric Food Chem.) Columbus Oh 53.2005,8, S. 2897–2900. doi:10.1021/jf040393b ISSN 0021-8561
  14. Brennen beim Wasserlassen. Leitlinie der Deutschen Gesellschaft für Allgemeinmedizin (DEGAM) (pdf), abgerufen 21. Juni 2011.
  15. M. Grabe u.a.: Guidelines on The Management of Urinary and Male Genital Tract Infections. In: European Association of Urology. Amsterdam 2008, abgerufen 20. Juli 2008.
  16. Y. F. Chu, R. H. Liu: Cranberries inhibit LDL oxidation and induce LDL receptor expression in hepatocytes. In: Life Sciences. New York 77.2005,15, S. 1892–1901. doi:10.1016/j.lfs.2005.04.002 ISSN 0161-5564
  17. I. Ofek u.a.: Anti-Escherichia adhesion activity of cranberry and blueberry juices. In: Advances in experimental medicine and biology (Adv Exp Med Biol). New York 1996, 408, 179–183. ISSN 0065-2598
  18. L. Y. Foo u.a.: A-Type proanthocyanidin trimers from cranberry that inhibit adherence of uropathogenic P-fimbriated Escherichia coli. In: Journal of natural products (J Nat Prod). Washington 2000,63, 1225–1228. ISSN 0163-3864
  19. J. Hutchinson: Do cranberries help prevent urinary tract infections? In: Nursing Times. London 101.2005,47, S. 38–40. PMID 16329274 ISSN 0029-6589
  20. D. M. Lynch: Cranberry for Prevention of Urinary Tract Infections. In: American Family Physician. Leawood Ka 70.2004,11. ISSN 0572-3612
  21. A. B. Howell u.a.: A-type cranberry proanthocyanidins and uropathogenic bacterial anti-adhesion activity. In: Phytochemistry. Amsterdam 66.2005,18, S. 2281–2291. doi:10.1016/j.phytochem.2005.05.022 ISSN 0031-9422
  22. A. Turner u.a.: Inhibition of Uropathogenic Escherichia coli by Cranberry Juice. A New Antiadherence Assay. In: Journal of agricultural and food chemistry (J. Agric. Food Chem.). Columbus Oh 53.2005,23, S. 8940–8947. doi:10.1021/jf052035u ISSN 0021-8561
  23. H. Koo u. a.: Influence of Cranberry Juice on Glucan-Mediated Processes Involved in Streptococcus mutans Biofilm Development. In: Caries Research. Basel 40.2006,1, S. 20–27. doi:10.1159/10.1159/000088901 ISSN 0008-6568
  24. T. Kontokiari: Cranberry juice and bacterial colonization in children – a placebo-controlled randomized trial. In: Clinical nutrition (Clin Nutr.) Edinburg 24.2005,6, S. 1065–1072. doi:10.1016/j.clnu.2005.08.009 ISSN 0261-5614
  25. Artbeschreibung, In: uga.edu. (engl.)
  26. Nancy L. Nickerson: A previously unreported disease of cranberries caused by Exobasidium perenne sp. nov. In: Canadian Journal of Plant Pathology, 6, Nr. 3, 1984, S. 218–220.

Literatur

  • Karl Stoll, Ulrich Gremminger: Besondere Obstarten. Vom Reichtum seltener, südländischer und wildwachsender Früchte. Eugen-Ulmer-Verlag, Stuttgart 1986, ISBN 3-8001-6186-9.

Weblinks

Commons: Vaccinium macrocarpon – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

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