Homotherium



Homotherium

Skelettrekonstruktion von Homotherium serum im Texas Memorial Museum der University of Texas at Austin

Zeitliches Auftreten
Pliozän bis Pleistozän
5 Mio. Jahre bis 12.000 Jahre
Fundorte
  • Europa, Senèze, Frankreich
  • Nordamerika, Friesenhahn-Höhle
  • Langebaanweg in Südafrika
Systematik
Laurasiatheria
Raubtiere (Carnivora)
Katzenartige (Feloidea)
Katzen (Felidae)
Säbelzahnkatzen (Machairodontinae)
Homotherium
Wissenschaftlicher Name
Homotherium
Fabrini, 1890

Homotherium ist eine Gattung der ausgestorbenen Säbelzahnkatzen aus dem Pliozän und Pleistozän. Überreste der auch als Scimitarkatze bekannten Gattung wurden in Afrika, Asien, Europa und Amerika gefunden. Sie erreichte etwa die Größe eines Löwen und überlebte in Nordamerika bis zum Ende der letzten Eiszeit (Wisconsin-Glazial) vor etwa 12.000 Jahren.

Merkmale

Homotherium serum. Rekonstruktion.

Homotherium war sehr groß. Große Formen aus dem Altpleistozän, die im thüringischen Untermaßfeld gefunden wurden, werden auf etwa 200-400 kg geschätzt.[1][2] Die Gattung erreichte etwa 1,10 m Schulterhöhe, was der Größe eines heutigen Löwen oder Tigers entspricht. Die Gestalt war katzenartig, doch verglichen mit anderen Säbelzahnkatzen weist die Scimitarkatze einige morphologische Besonderheiten auf. Obwohl es sich um ziemlich große und kräftige Tiere handelte, waren sie wesentlich schlanker und hochbeiniger als zum Beispiel Smilodon oder Megantereon, die zur gleichen Zeit ebenfalls in Eurasien, Afrika und Amerika verbreitet waren. Wie bei Smilodon waren die Vorderbeine länger als die Hinterbeine, was zu einer abfallenden Rückenlinie führte. Im Gegensatz zu dieser Gattung hatte Homotherium relativ kurze Eckzähne, die auch stärker gekrümmt, flach, gezackt und messerscharf waren. Mit diesen Waffen konnte es seinen Opfern wohl eher Reisswunden als tiefe Stoßwunden zufügen. Die Backenzähne waren relativ schwach ausgebildet und nicht geeignet, um Knochen zu zerbeißen. Der Schädel war langgestreckter als bei Smilodon. Wie bei anderen Säbelzahnkatzen war der Schwanz ziemlich kurz.

Die Krallen scheinen bei Homotherium nicht vollständig einziehbar gewesen zu sein, was der Wissenschaft gewisse Rätsel aufgibt. Möglicherweise dienten sie, ähnlich wie bei heutigen Hunden und Hyänen, als Spikes, um ausdauernde Verfolgungen zu ermöglichen.[3]

Arten und Verbreitung

Schädel von Homotherium crenatidens im Muséum national d'Histoire naturelle, Paris

Homotherium ist seit dem frühesten Pliozän vor rund 5 Millionen Jahren in Afrika nachgewiesen und dürfte sich aus Machairodus entwickelt haben.[4] Bis ins Pleistozän bewohnte es neben dem afrikanischen Kontinent auch Eurasien und Nordamerika. Die letzten Funde aus Afrika sind 1,5 Millionen Jahre alt.

Homotherium latidens

Aus Eurasien wurde eine Reihe von verschiedenen Arten (nestianus, sainzelli, crenatidens, nihowanensis, ultimum) beschreiben, die sich vor allem in der Körpergröße und der Form der Eckzähne unterschieden. Betrachtet man jedoch die innerartliche Schwankungsbreite der Körpergröße heutiger Großkatzen, ist es nicht unwahrscheinlich, dass alle sich auf eine einzige Art Homotherium latidens zurückführen lassen. Aus dem frühen Pleistozän Afrikas wurden Homotherium ethiopicum und Homotherium hadarensis beschrieben, die sich aber auch nur wenig von den eurasischen Formen unterscheiden.[4]

Aus der Überlieferung von Fossilien ergibt sich im Gesamtbild, dass Homotherium latidens als europäische Art der Säbelzahnkatze im Mittelpleistozän vor etwa 500.000–300.000 Jahren ausgestorben ist. Obwohl Homotherium latidens im Alt- und frühen Mittelpleistozän weit verbreitet war und ihre Überreste relativ häufig gefunden werden, sind vollständige Skelettfunde selten. Mehrere Schädel wurden in der katalanischen Fundstelle Incarcal (Provinz Girona) gefunden[5], weitere Fossilreste stammen aus Senèze (Auvergne) und der englischen Kents Cavern. Das chronologisch jüngste in gesichertem Kontext gefundene Fossil aus Steinheim an der Murr (300.000 - 200.000 Jahre alt) wurde in einer Publikation des Jahres 1961 erwähnt[6], in späteren Veröffentlichungen nicht mehr.

Im Jahre 2003 wurde ein Unterkieferfragment aus der Nordsee publiziert, das im März 2000 in der Fahrrinne zum Hafen von Rotterdam beim Netzfischen entdeckt worden war und mit der Radiokohlenstoffdatierung auf nur etwa 28.000 BP datiert wurde.[7][8] Sofern die Befundumstände authentisch sind und das Fossil nicht erst in der Neuzeit durch Menschen an diese Stelle gelangt ist, würde es zeigen, dass die Säbelzahnkatze noch Zeitgenosse des europäischen Cro-Magnon-Menschen war. Als weiterer Hinweis auf das Überleben der Säbelzahnkatze im Jungpleistozän Eurasien wurde eine etwa 16 cm große jungpaläolithische Figurine aus der Höhle von Isturitz in den französischen Pyrenäen angeführt.[9] Die hohe Schnauzenpartie solle an eine Säbelzahnkatze erinnern. Dieser Interpretation widersprechen die Autoren einer Studie aus dem Jahre 2009, die bei der Revision der jungpaläolithischen Kunst keine deutlichen Übereinstimmungen zu Homotherium fanden.[10] Die angeführte Figur, die dem tschechischen Zoologen und Autor Vratislav Mazák nur als Foto vorlag[11], weist eine für Höhlenlöwen charakteristische Rückenlinie auf, während Säbelzahnkatzen eine abfallende Rückenlinie haben. Im übrigen gibt es bei der beträchtlichen Zahl von Felidendarstellungen in der jungpaläolithischen Kleinkunst und Höhlenmalerei keine einzige weitere Abbildung, die Hinweise auf die Säbelzahnkatze enthält. Dagegen gibt es zahlreiche Abbildungen des Höhlenlöwen. Falls Homotherium im Jungpleistozän Eurasiens vorkam, muss es extrem selten gewesen sein.[10]

Homotherium serum

In Nordamerika lebte vom obersten Pliozän bis zum oberen Pleistozän eine sehr ähnliche Art Homotherium serum. Ihre Überreste wurden an zahlreichen Stellen zwischen Alaska und Texas gefunden. Das amerikanische Homotherium kam im südlichen Nordamerika wohl neben Smilodon vor. Im Norden des Kontinents war sie dagegen die einzige Säbelzahnkatze. Früher wurde die amerikanische Art oft als Dinobastis bezeichnet. Homotherium dürfte sich im Pliozän aus Machairodus entwickelt haben. In Nordamerika überlebte Homotherium bis vor etwa 12.000 Jahren, so dass ihm die Bevölkerung der Clovis-Kultur noch begegnete.

Ein besonders bekannter Fundort von Homotherium serum ist die Friesenhahn-Höhle im heutigen Texas. Hier wurden neben den Überresten von hunderten junger Mammuts die Skelette von 30 Homotherium und etliche Exemplaren des pleistozänen Wolfes Canis dirus gefunden.

Weitere Arten

Jüngst wurde Homotherium erstmals auch in Südamerika nachgewiesen. Die Form wurde mit dem Artnamen Homotherium venezuelensis belegt. Die Fossilien stammen aus dem frühen bis mittleren Pleistozän und wurden gemeinsam mit anderen Arten, wie etwa der Säbelzahnkatze Smilodon an der Fundstelle El Breal de Orocual in Monagas im Norden Venezuelas gefunden. Die Landschaft in der Homotherium dort lebte, dürfte einer Savanne, ähnlich den heutigen Llanos, geglichen haben.[12]

Lebensweise

Schädel von Homotherium im Chinesischen Paläozoologischen Museum

Besonders die Funde aus der Friesenhahn-Höhle lassen Rückschlüsse auf die Lebensweise und insbesondere auf die Ernährungsgewohnheiten dieser Tiere zu. Neben etlichen Skeletten von jungen und erwachsenen Homotherium wurden in dieser Höhle die Reste von über 200 jungen Präriemammuts (Mammuthus columbii) gefunden. Diese waren fast alle ungefähr 2 Jahre alt, was genau dem Alter entspricht, in dem sich junge Elefanten gelegentlich von ihren Müttern entfernen und erste Erkundungen abseits der Herde wagen. In einigen Gebieten Afrikas fallen auch junge Afrikanische Elefanten in diesem Alter nicht selten Löwen zum Opfer, was einen gewissen Vergleich bezüglich der Ernährungs-und Jagdweise von Homotherium und einigen Löwenpopulationen ermöglicht. Das legt nahe, dass die Säbelzahnkatzen sie abseits der Herde überraschten und ihnen mit ihren langen Eckzähnen schnell die tödliche Wunde beibrachten. Später werden sie ihre Opfer dann zur Versorgung ihrer Jungen in die Höhle geschleift haben. Da außer den Mammuts nur sehr wenige andere Beutetiere dort gefunden wurden, kann man im Grunde ausschließen, dass sich die Tiere ausschließlich von verendeten Tieren ernährt haben. Eine derartige Spezialisierung der Beute in Arten- und Altersstruktur ist nicht mit einem Aasfressertum zu vereinbaren. Aus diesem Grund kann man auch ausschließen, dass Canis dirus die Mammuts in die Höhle geschleift hat. Homotherium scheint auf recht große Beutetiere als Nahrung spezialisiert gewesen zu sein. Somit könnte sein Aussterben mit dem gleichzeitigen Verschwinden der Rüsseltiere aus der nördlichen Hemisphäre zusammenhängen.

Aufgrund der vermuteten großen Beutetiere und der Tatsache, dass Homotherium auch im Vergleich mit heutigen Löwen relativ schlank gebaut war, nimmt man an, dass diese Katzen im Rudelverband agierten. Die nach hinten abfallende Rückenlinie, der schlanke Bau der Gliedmaßen, sowie die schwachen Krallen deuten darauf hin, dass Homotherium ein ausdauernder Läufer war und offene Lebensräume, wie Steppen, bevorzugte.[3]

Literatur

  • Miles Barton: Wildes Amerika. Zeugen der Eiszeit. Vgs, Köln 2003, ISBN 3-8025-1558-7.
  • Alan Turner: The big cats and their fossil relatives. Columbia University Press, New York NY 1997, ISBN 0-231-10229-1.

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Helmut Hemmer: Die Feliden aus dem Epivillafranchium von Untermassfeld. In: Kahlke, R.-D. (Hrsg.): Das Pleistozän von Untermassfeld bei Meiningen (Thüringen). Römisch-Germanisches Zentralmuseum, Band 40(3), 2002, S. 699–782
  2. Helmut Hemmer: Out of Asia: A Paleoecological Scenario of Man and his Carnivorous Competitors in the European Pleistocene. ERAUL 92, 2000, S. 99-106 pdf
  3. 3,0 3,1 Mauricio Anton et al.: CO-existence of scimitar-toothed cats, lions and hominins in the European Pleistocene. Implications of the post-cranial anatomy of Homotherium latidens (Owen) for comparative palaeoecology. Quaternary Science Reviews, Band 24, Heft 10-11, 2005, S. 1287-1301 doi:10.1016/j.quascirev.2004.09.008
  4. 4,0 4,1 Alan Turner: The Evolution of the Guild of Larger Terrestrial Carnivores during the Plio-Pleistocene in Africa. Geobios, Band 23, Heft 3, 1990, S. 349-368 doi:10.1016/0016-6995(90)80006-2
  5. Julià Maroto, Angel Galobart Lorente, Joan Pons-Moyà, Mauricio Antón: Descripción del material de "Homotherium latidens" (Owen) de los yacimientos del Pleistoceno inferior de Incarcal (Girona, NE de la Península Ibérica). In: Paleontologia i evolució, Band 34, 2003, S. 99-141
  6. Karl Adam: Die Bedeutung der pleistozanen Säugetier-Faunen Mitteleuropas für die Geschichte des Eiszeitalters. Stuttgarter Beiträge zur Naturkunde, Band 78, 1961, S. 1–34
  7. Jelle W. F. Reumer et al.: Late Pleistocene Survival of the Saber-toothed Cat Homotherium in northwestern Europe. In: Journal of Vertebrate Paleontology, Band 23, Heft 1, 2003, S. 260-262 doi:10.1671/0272-4634(2003)23[260:LPSOTS]2.0.CO;2
  8. Dick Mol, Wilrie van Logchem, Kees van Hooijdonk, Remie Bakker: The Saber-toothed Cat of the North Sea. Uitgeverij DrukWare, KS Norg, 2007 ISBN 90-78707-04-6
  9. Vratislav Mazák: On a supposed prehistoric representation of the Pleistocene scimitar cat, Homotherium Farbrini, 1890 (Mammalia; Machairodontinae). Zeitschrift für Säugetierkunde 35, 1970, S. 359-362
  10. 10,0 10,1 Mauricio Antón et al.: Soft tissue reconstruction of Homotherium latidens (Mammalia, Carnivora, Felidae). Implications for the possibility of representations in Palaeolithic art. Geobios, Band 42, Heft 5, 2009, S. 541-551 doi:10.1016/j.geobios.2009.02.003
  11. Ernst Probst: Säbelzahnkatzen: Von Machairodus bis zu Smilodon. Grin-Verlag, 1990, S. 106
  12. Ascanio D. Rincón, Francisco J. Prevosti & Gilberto E. Parra: New saber-toothed cat records (Felidae: Machairodontinae) for the Pleistocene of Venezuela, and the Great American Biotic Interchange. Journal of Vertebrate Paleontology, Band 31, Heft 2, 2011 DOI:10.1080/02724634.2011.550366