Hugo Iltis


Hugo Iltis (* 11. April 1882 in Brünn; † 22. Juni 1952 in Fredericksburg, Virginia) war ein deutscher Botaniker und Naturhistoriker.

Leben in Europa

Hugo Iltis in der Volkshochschule Brünn (1927)

Iltis wurde in der Provinz Mähren des österreich-ungarischen Kaiserreichs geboren. Während seiner Schulzeit stieß er 1899 beim Lesen eines Brünner naturhistorischen Journals auf einen alten Forschungsartikel Gregor Mendels, dessen Person fortan sein Leben beeinflusste.

1901 studierte er in Zürich deskriptive Naturwissenschaften und 1903 war er an der Karl-Ferdinands-Universität in Prag immatrikuliert. Eventuell promovierte er dort. Am Prager botanischen Institut machte er Versuche zum Wurzellängenwachstum von Wasserpflanzen, welches nach seiner Feststellung bei Dunkelheit um das 1,5- bis 7,5-fache gegenüber Tageslicht beschleunigt war.[1] Mit dem Studienabschluss wurde er Mathematiklehrer am Brünner deutschen Gymnasium, daneben arbeitete er als Privatdozent für Botanik und Genetik am deutschen Polytechnikum in Brünn.

Nach dem Ersten Weltkrieg gründete Iltis in Brünn (nunmehr Tschechoslowakei) das Museum Mendelianum, für das er erhebliche Mengen an Originaldokumenten Mendels in der Heimatstadt zusammenkaufte. Ab 1919 leitete er die von der Deutschen Gesellschaft für Wissenschaft und Kunst (DGWK) neu gegründete Masaryk-Volkshochschule zur Erwachsenenbildung. Iltis war Kuratoriumsmitglied im DGKW, welche sich zwecks Erhalt der deutschen Kultur und gegen die Tschechisierung der Stadt konstituiert hatte.

Vom 22. bis 24. September 1922 fand in Brünn eine Mendel-Jahrhundertfeier statt, die Iltis organisierte und für die er eine Festschrift verfasste. Iltis war eng mit Paul Kammerer befreundet, der wegen des Versuchs des Nachweises der Erblichkeit erworbener Merkmale am Beispiel der Geburtshelferkröte im Sinne Lamarcks gegen den Darwinismus argumentierte.[2]

1924 publizierte Iltis eine Biografie Mendels, die 1932 im englischen Sprachraum erschien und von Gegnern der Eugenik umfassend popularisiert wurde. Sie galt einige Zeit als Standardwerk zu Mendel. Neben der wissenschaftlichen Darstellung meint Iltis darin, dass Mendel Rationalist gewesen sei und Priester nur wurde, um ungestört forschen zu können.

Rassentheorie

Zunehmend betätigte Iltis sich ab Mitte der 1920er Jahre als Anthropologe und Rassentheoretiker, um die Rassenhygiene des Nationalsozialismus zu konterkarieren. Er korrespondierte mit Fritz Lenz den er, wie Gobineau, Hans F. K. Günther und Houston Stewart Chamberlain ab 1928 als Rassisten bezeichnete. Gleichwohl akzeptierte er eugenische Messparameter wie Heiratsdaten und die Sozialhygiene Alfred Grotjahns. In der linkssozialistischen Urania-Organisation publizierte er in einer Reihe politischer Broschüren seine Volkstümliche Rassekunde, die weit verbreitet wurde. Sie richtete sich speziell gegen den Rassentheoretiker Günther, der in Jena eine Professur erhalten hatte. Zusammen mit seinen jüdischen Kollegen Friedrich Hertz und Ignaz Zollschan polemisierte Iltis gegen dessen Lehre als „unwissenschaftlich“ und „politisch gefährlich“.[3]

Vereinigte Staaten

Mit Hilfe Albert Einsteins emigrierte Iltis nach dem Münchener Abkommen 1939 über das jüdische New Yorker Emergency Committee In Aid of Displaced Foreign Scholars, für das er bis 1944 auch selbst tätig war, in die USA.[4] Seine Mendel-Devotionalien nahm er mit, 1940-49 befanden sie sich in Iltis’ „Mendel Museum“ am Mary Washington College in Fredericksburg. Als Kurator fungierte seine Frau Anne Iltis. Heute befinden sich die Archivalien teils im Hunt Institute der privaten Carnegie Mellon University in Pittsburgh[5], teils wurden sie 1955 von den University of Illinois Archives gekauft und lagern als Iltis Mendelania Collection in Urbana.[6]

Franz Boas ermöglichte Iltis in den USA eine Anstellung als Professor für Biologie an der University of Virginia. Dass er die Vorstellungen Kammerers noch nicht ganz aufgegeben hatte zeigte eine Hommage an Lyssenko von 1950.

Iltis’ Söhne sind der Botaniker und Hochschullehrer Hugh Iltis (Hellmut) und Fred Iltis (Wilfried). Die Familie stand mit Arthur Koestler in Kontakt, der 1971 über Paul Kammerer das Buch Der Krötenküsser schrieb. Das Mendel Museum of Genetics wurde inzwischen in Brno neu eröffnet.

Werke

  • Gregor johann mendel: leben, werk und wirkung. herausgegeben mit unterstuetzung des ministeriums fuer schulwesen und volkskultur in prag. Julius Springer, 1924
    • Life of Mendel. Üs. von Eden Paul und Cedar Paul. London: G. Allen & Unwin, 1932.
  • Naturwissenschaft und Sozialismus. Wien: Verlag der Wiener Volksbuchhandlung. 1925
  • Volkstümliche Rassenkunde. Wien Urania Verlagsgesellschaft Wien, 1930.
  • De rassenwaan. (Der Rassenwahnsinn), Üs. von H.L. und P.J. van Dranen. Uitg. Mij. J.Krul. Den Haag. 1935
  • Der Mythus von Blut und Rasse. Verlag Rudolf Harand, Wien. Brünn Feber 1936
  • The Genes and Academician Lysenko. The Journal of Heredity. Oxford University Press. June 1950

Quellen

  1. Naturwissenschaftliche Rundschau 1904 Nr. 14, XIX.Jahrg., S. 179.
  2. Die „Festschrift zum Andenken an Gregor Mendel“ erschien in einem Band der „Verhandlungen des Naturforschenden Vereines in Brünn“. Darin wurden zunächst drei Arbeiten Mendels („Versuche über Pflanzen-Hybriden“, „Ueber einige aus künstlicher Befruchtung gewonnenen Hieracium-Bastarde“ und „Die Windhose vom 13. October 1870“) original nachgedruckt, worauf unmittelbar ein Artikel Kammerers folgte. Weitere Beiträge der Festschrift stammten u.a. von Größen wie Carl Fruwirth, Erwin Baur, Hermann Nilsson-Ehle, George Harrison Shull, Tschermak, Bateson und Punnett.
  3. Marius Turda, Paul Weindling:Blood And Homeland. Central European University Press. 2006
  4. Einstein Letter to Franz Boas
  5. Archivalien, Portraitfoto H. Iltis
  6. http://www.library.uiuc.edu/archives/archon/index.php?p=collections/controlcard&id=3527