Hybride


(Weitergeleitet von Hybridsorte)

Eine Hybride (von lat. hybrida, auch Hybrid (maskulin), nicht-fachsprachlich bzw. veraltet: Bastard, Mischling oder Blendling[1]) ist in der Biologie ein Individuum, das aus einer (oft ungeplanten) Kreuzung zwischen verschiedener Arten, Unterarten, Zuchtlinien oder Rassen hervorgegangen ist. Insbesondere in der Zucht wird der Begriff für Nachkommen von Kreuzungen verschiedener Zuchtlinien oder Rassen verwendet.[2]

Wortherkunft

Hybride bedeutet „aus Verschiedenartigem von zweierlei Herkunft zusammengesetzt“ und geht etymologisch auf die griechische hybris (schuldhafte ordnungswidrige Tat) zurück, das lateinische hybrida wird mit „Mischling“ oder „Bastard“ übersetzt. Gemeinsam ist, dass eine „bestimmte Ordnung“ überschritten wird. Durch die Herkunft von hybris hat Hybride unter Umständen einen negativen Beiklang.[3]

Bedeutung für die Hybridzucht

Liegt eine Kreuzung zwischen unterschiedlichen (meist nahe verwandten) Arten vor, wird konkreter von Arthybriden oder Hybridarten (englisch hybrid species) gesprochen. Arthybriden sind vielfach nicht oder nur verringert fertil, doch gibt es etliche Ausnahmen. Hybriden, deren Eltern derselben Art angehören (also lediglich verschiedene genetische Linien, Sorten oder Rassen darstellen), sind meist fertil; allerdings tritt nach den mendelschen Regeln ab der folgenden Generation (F2-Generation) vielfach eine Aufspaltung der Merkmale ein. Hybridbildung ist in der Züchtungsforschung von praktischer Bedeutung, insbesondere für Kulturpflanzen, doch werden auch bei Zuchttierrassen häufig Rassen in eine andere eingekreuzt, wobei sich die genetischen Merkmale vermischen.

In der Züchtungspraxis war der Begriff Hybride lange Zeit primär in der Pflanzenzüchtung verbreitet, wird aber inzwischen auch in der Tierzucht verwendet (Hybridzucht). Die Hybridzucht ist hier eine Zucht zwischen zwei rassereinen Tieren unterschiedlicher Rasse. Sie wird meist angewendet, um bestimmte Rassemerkmale zu verbessern bzw. um degenerative Fehlbildungen zu verhindern. Allerdings werden in der Tierzucht auch weiterhin die Begriffe Mischling oder Bastard verwendet, ohne dass damit eine Negativbewertung ausgedrückt werden soll, die sie vielfach in der Umgangssprache haben. Zur Abgrenzung der künstlich erzeugten Hybriden bezeichnen Züchter die in der Natur ohne menschliches Zutun entstandenen Kreuzungen (vor allem bei Pflanzen) ferner als Naturhybriden.

In der pflanzlichen Hybridzucht wird der Heterosis-Effekt ausgenutzt, der – im Vergleich zu reinerbigen Lebewesen – zu mehr Vitalität und Leistungsfähigkeit führt. So kann der Heterosis-Effekt beispielsweise bei Getreide-Arten wie dem Mais zur Verdopplung der Erträge führen. Dementsprechend ist der Anteil der Hybridsorten in den letzten Jahrzehnten stark angestiegen. So waren 1995 bei Brokkoli, Tomaten und Rosenkohl jeweils über 80 % der Sorten Hybridsorten. In den USA werden Hybride auf mehr als 90 % der Maisfläche verwendet. In China wird mehr als die Hälfte der Reisfläche mit Hybriden gesät. In 16 asiatischen Ländern befinden sich Reishybride in der Testphase. In Indien sind mehr als ein Drittel der Baumwollfläche Hybride.[4]

Um den Heterosis-Effekt vollständig zu nutzen, werden in der Hybridzucht reinerbige Inzuchtlinien als Elterngeneration verwendet. Die entstehenden Linienhybriden bilden die erste Filialgeneration (F1-Generation). Sie werden als F1-Hybriden bezeichnet und sind genetisch uniform.

Die Verwendung von Hybriden hat für den Landwirt den Nachteil, dass Nachkommen von Hybriden deutlich an Fitness verlieren. Beim Anbau von aus Hybriden erzeugtem Saatgut kommt es beispielsweise bei Mais zu Ertragsreduktionen von etwa 30 %. Der übliche Saatgutpreis beträgt nur einen Teil dieser Ertragseinbuße, weshalb sich der jährliche Saatgutzukauf aus betriebswirtschaftlicher Sicht lohnt. Hinzu kommen zwei weitere Nachteile von offen bestäubten Sorten im Vergleich zu Hybriden: Erstens haben private Saatguthersteller einen geringeren Anreiz, verbesserte Sorten zu entwickeln und zu vermarkten, zweitens können offen bestäubte verbesserte Sorten, insbesondere in Feldnähe zu unverbesserten Sorten, durch Kreuzung ihre Züchtungsvorteile verlieren.

Mischling

Die erste Generation einer geplanten Kreuzung zweier reinrassiger Linien nennt man Hybrid. Mischlinge zeichnen sich aus genetischen Gründen im Regelfall durch besondere Vitalität und Gesundheit gegenüber reinrassigen Lebewesen aus (Heterosis-Effekt). Dies wird vielfach dadurch erklärt, dass die beiden Chromosomensätze eine größere Vielfalt von Genen hätten, so dass Inzucht-Probleme vermieden würden. Daher werden insbesondere in der Pflanzenzucht vielfach Hybride als Nutzpflanzen eingesetzt, reinrassige Linien dienen nur zur Produktion von hybridem Saatgut. Bei zu hohem Inzuchtgrad der Ausgangslinien besteht die Gefahr einer Inzuchtdepression. Gemäß der 1. mendelschen Regel (Uniformitätsregel) sind die Merkmale (Genotyp) der ersten Generation (F1) aller Mischlinge mit denselben reinrassigen Eltern gleich.

Bedeutung für die Evolution

Allgemeines

Hybridbildung ist auch bei natürlichen Evolutionsprozessen biologischer Arten von Bedeutung und damit für die Etablierung genetischer Vielfalt innerhalb der Arten. Während die Entstehung neuer Arten durch Art-Hybridisierung bei höheren Pflanzen häufig und schon lange bekannt ist, war sie bei Tieren lange Zeit eher selten beobachtet worden. Natürliche Arthybridisierung tritt aber durchaus im gesamten Tierreich auf.[5] Doch sind tierische Hybride oft vom Phänotyp her nicht leicht zu erkennen und werden oft erst mit Methoden der genetischen Analyse entdeckt.[6]

Generell ist die Tendenz zu beobachten, dass vor allem junge Arten in der Natur hybridisieren können, soweit Kontaktmöglichkeiten gegeben sind, wobei dieser Vorgang aber vielfach nicht zu einer allgemeinen Vermischung und Verwischung der Artgrenzen führt, sondern zur Ausbildung sogenannter Hybridzonen. Teilweise sind die entstehenden Art-Hybriden steril; in diesem Falle sind sie ohne Belang für den Evolutionsprozess. Bekannte Beispiele hierfür sind Maulesel und Maultier, zwei Kreuzungen von Hauspferd und Hausesel. Teilweise sind sie allerdings durchaus fertil und bilden die Grundlage für die Entstehung neuer Genotypen und Arten, wie dies beispielsweise verschiedentlich für Schnecken, Wasserflöhe oder Vögel gezeigt worden ist. Auch aus Braunbär und Eisbär sind inzwischen fertile Hybride in der Natur nachgewiesen.

Auch bei der Evolution zum heutigen Menschen spielte wohl Hybridbildung eine Rolle: Genetische Untersuchungen zur Stammesgeschichte des Menschen ergaben Hinweise auf wiederholte Kreuzungen zwischen Mensch- und Schimpansen-Vorfahren – in der Zeit vor etwa zehn bis sechs Millionen Jahren – über eine Zeitspanne von etwa vier Millionen Jahre hinweg.[7] Auf das Vorkommen und die teilweise im heutigen Erbgut des modernen Menschen aufgefundenen Hinweise auf eine Hybridisierung mit dem Neandertaler und dem Denisova-Menschen vor einigen 10.000 Jahren wurde in einer neueren Arbeit hingewiesen.[8]

Generell gelten alle allopolyploiden Arten als Resultate ehemaliger Hybridisierung. Dies trifft sowohl auf gezüchtete als auch auf natürlich allopolyploid entstandene Tier- und Pflanzenarten zu. Unter den Pflanzen sind solche Fälle beispielsweise in der Gattung Nicotiana oder beim Raps (Brassica napus) nachgewiesen worden. Bei Tieren gibt es entsprechende Nachweise zum Beispiel für Süßwasserschnecken.[9]

Es folgen einige weitere Beispiele aus Pflanzen- und Tierwelt:

Pflanzenwelt

Die Abbildungen zeigen zwei Orchideenarten und ihre Naturhybride, die in diesem Falle sogar Gattungshybride sind:

Tierwelt

  • Bei den Vögeln wurden bisher Hybride in ca. 4000 Artkombinationen nachgewiesen, wobei es sich bei ca. 2000 Fällen um Hybride handelt, die in Gefangenschaft entstanden. Die tatsächliche Anzahl der Artkombinationen wird weit höher eingeschätzt, da Hybride teilweise schwer zu erkennen sind.[10]
  • Der Teichfrosch (Pelophylax „esculentus“) ist eine hybridogenetische Hybride aus dem Seefrosch (Pelophylax ridibundus) und dem Kleinen Wasserfrosch (Pelophylax lessonae) und kann sich in der Natur halten und fortpflanzen. Dazu muss nicht einmal unbedingt eine der beiden Elternarten im selben Biotop vorkommen (deren vererbungsgenetische Funktion können triploide Individuen des Teichfrosches übernehmen).
  • Die Geißblatt-Made (Rhagoletis mendax × zephyria) hat sich offensichtlich im Verlaufe von etwa 250 Jahren als neue Art aus ihren beiden Elternarten entwickelt.
  • Bei Wasserflöhen (Arten der Gattung Daphnia) sind Arthybriden verschiedentlich nachgewiesen worden.[11]
  • Bei der Spatelraubmöwe (Stercorarius pomarinus) wurde teilweise eine hybridogene Herkunft vermutet.
Hybride zwischen Pferd und Zebra: Zorse, 1899
  • Großkatzenhybride – Beispiel ist die Kreuzung aus Löwe und Tiger (also Liger bzw. Töwe).
  • Schiege – eine Kreuzung aus Schaf und Ziege.
  • Cama – eine Kreuzung aus Altweltkamel und Lama.
  • Zebroide – Kreuzungen aus Zebras und anderen Tieren der Gattung Pferde.
  • Wisente stehen bezüglich der mitochondrialen DNA Vertretern der Gattung Bos näher als dem amerikanischen Bison und dem Yak, weshalb vermutet wird, dass der Wisent eine Hybridspezies darstellt. Demnach hätten prähistorische Bisonbullen sich immer wieder mit Auerochsen oder verwandten Rindern gepaart, woraus im Holozän der Wisent entstand.[12]
  • Wolphin stellt eine seltene Kreuzung eines Großen Tümmlers mit einem Kleinen Schwertwal dar.
  • Maultier ist eine Kreuzung einer Pferdestute und eines Eselhengstes.
  • Maulesel ist eine Kreuzung einer Eselstute und eines Pferdehengstes.
  • „Motty“ war ein 1978 im Zoo von Chester (Großbritannien) geborener Elefantenhybride (afrikanischer- Loxodonta africana × asiatischer Elefant Elephas maximus).[13]
  • Pizzly – Am 16. April 2006 wurde in der kanadischen Arktis ein Polarbär mit leicht bräunlichem Fell geschossen. Genetische Untersuchungen zeigten, dass damit der erste im Freiland nachgewiesene Mischling von Polarbärin und Grizzly gefunden worden war.[14] Schon länger war aus zoologischen Gärten bekannt, dass beide Bärenarten miteinander Nachwuchs zeugen können. In der Natur hatte man zuvor beim zufälligen Treffen beider Arten jedoch regelmäßig aggressive Auseinandersetzungen beobachtet.[15]

Menschen

In der Zeit des Nationalsozialismus galten gemäß den Nürnberger Gesetzen Personen mit teilweise jüdischen Vorfahren als „jüdische Mischlinge“ oder „Geltungsjuden“.

Es existieren für Personen, deren Elternteile unterschiedlicher als geographisch oder als rassisch assoziierter Herkunft sind, unterschiedliche, zum Teil abwertende Bezeichnungen. Im historischen Kontext der Kolonialreiche entstanden beispielsweise für Menschen mit sowohl „weißen“ wie auch „schwarzen“ Vorfahren Begriffe wie: Kreolen, Mestizen oder Mulatten, für Menschen mit sowohl afrikanischen wie auch lateinamerikanischen Vorfahren Zambo.

Weblinks

Commons: Hybrids – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien
Wiktionary: Hybride – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, Übersetzungen
Wiktionary: Mischling – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, Übersetzungen

Einzelnachweise

  1. J. H. Kaltschmidt: Sprachvergleichendes Wörterbuch der deutschen Sprache. S. 165.
  2. Gerhard Wagenitz: Wörterbuch der Botanik. 2. Auflage. Nikol, Hamburg 2008, ISBN 978-3-937872-94-0.
  3. Christoph Vallant: Hybride, Klone und Chimären: Zur Transzendierung der Körper-, Art- und Gattungsgrenzen. Ein Buch über den Menschen hinaus. Königshausen & Neumann, 2007, ISBN 978-3-8260-3764-1, S. 75.
  4. Basra, A. (1999): Heterosis and hybrid seed production in agronomic crops. Routledge.
  5. Schwenk, K., Brede, N., Streit, B. (2008): Introduction. Extent, processes and evolutionary impact of interspecific hybridization in animals. Phil. Trans. R. Soc. B: 363: 2805–2811
  6. Süddeutsche Zeitung Nr. 291 vom 16. Dezember 2010
  7. Nick Patterson, Daniel J. Richter, Sante Gnerre, Eric S. Lander, David Reich (2006): Genetic evidence for complex speciation of humans and chimpanzees. In: Nature, Bd. 441 (29. Juni 2006), S. 1103–1108.
  8. Science 328, Issue 5979, S. 710–722 (2010)
  9. B. Streit, Th. Städler, K. Schwenk, A. Ender, K. Kuhn, B. Schierwater (1994): Natural hybridization in freshwater animals: Ecological implications and molecular approaches. Naturwissenschaften 81: 65–73
  10. Mc Charty, E. M. (2006): Handbook of Avian Hybrids of the World. Oxford University Press, Oxford. ISBN 0-19-518323-1
  11. Hobæk, A., Skage, M., Schwenk, K. (2004): Daphnia galeata × D. longispina hybrids in western Norway. Hydrobiologia 526: 55–62
  12. Verkaar, Nijman, Beeke, Hanekamp & Lenstra: Maternal and Paternal Lineages in Cross-breeding bovine species. Has Wisent a Hybrid Origin? 2004.
  13. Motty, die kreuzung afrikanische und asiatische Elefant
  14. Nature Bd. 441 vom 18. Mai 2006, S. 268
  15. Süddeutsche Zeitung Nr. 112 vom 16. Mai 2006, S. 22

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