Porphyria cutanea tarda


Klassifikation nach ICD-10
E80.1 Porphyria cutanea tarda
ICD-10 online (WHO-Version 2019)

Die Porphyria cutanea tarda (kurz PCT) gehört zu den hepatischen Formen der Porphyrie und ist der häufigste Subtyp dieser Gruppe von Stoffwechselerkrankungen. Sie ist wie alle Porphyrien eine Enzymopathie. Die entsprechende Störung liegt im fünften enzymatischen Schritt der Hämproduktion. Die PCT kann sporadisch (Typ I), familiär (Typ II und III) und toxisch bedingt sein.

Epidemiologie

Es zeigt sich eine deutliche „Männerlastigkeit“ der Erkrankung (5:1). Parallel zur PCT findet sich bei manchen Patienten eine hereditäre Hämochromatose (Eisenspeichererkrankung). Ein auffälliges Zusammentreffen (Koinzidenz) findet sich auch mit dem Diabetes mellitus. Vererbte Mutationen des UROD-Gens (codiert die URO-Decarboxylase) sind nur für etwa 20 % der Fälle verantwortlich. Diese familiären Formen folgen einem autosomal-dominanten Erbgang. Bei den restlichen 80 % (sporadische Fälle) finden sich diese Mutationen nicht. Die PCT kommt mit einer Prävalenz von 1:2000 bis 1:5000 vor. Dies umfasst sowohl die familiären als auch die sporadischen Fälle. Das tatsächliche Ausmaß dieser Störung lässt sich aber nur schwer abschätzen. Viele Patienten mit dieser genetischen Abweichung entwickeln zeitlebens nie Symptome. Man bezeichnet dies als subklinischen Verlauf. Laborwerte, die auf eine Porphyrea cutanea tarda hinweisen, können sich auch zufällig finden. Es bestätigt sich die medizinische Weisheit, dass ein Laborwert ohne Kenntnis des Patientenzustands wertlos ist.

Pathogenese

Allen Typen ist eine Defizienz (Schwäche) der Uroporphyrinogendecarboxylase in der Leber gemein. Dies ist ein Enzym, welches für die Synthese des Häms (Bestandteil des roten Blutfarbstoffes Hämoglobin) vonnöten ist. Beim Typ II findet sich diese Störung auch in anderen Geweben. Zu beachten ist, dass die Erwachsenenleber kein blutbildendes Organ ist. Die Synthese des Häms in der Leber dient primär zur Integration in die dort verstärkt vorkommenden Cytochrom-P450-Proteine.

Die URO-Decarboxylase ist das fünfte Enzym in der Biosynthesesequenz des Häms. Es katalysiert die Decarboxylierung des Uroporphyrinogen III zu Coproporphyrinogen III. Dies ist der letzte im Zytosol der Leberzelle ablaufende Prozess, bevor die Fertigstellung des Häms in den Mitochondrien vonstattengeht. Eine Funktionsstörung oder eine zu geringe Menge dieses Enzyms führt zu einem Aufstau der Hämzwischenprodukte. Diese Porphyrine lagern sich dann in verschiedenen Geweben ab und verursachen Krankheitssymptome. Betroffen sind hierbei hauptsächlich Leber und Haut. Die familiären Formen der PCT (Typ II und III) zeichnen sich durch eine Enzymaktivität von unter 50 % vom Normwert aus. Bedingt ist dies in erster Linie durch einen quantitativen Mangel. Die PCT Typ I (sporadische Form) zeichnet sich weniger durch eine zu geringe Menge des nötigen Enzyms aus, als viel mehr durch dessen Funktionsstörung. Die URO-Decarboxylase liegt hier zum großen Teil in inaktiver Form vor.

Die Erstmanifestation findet meist im jungen Erwachsenenalter statt. Die Auslösung der Krankheit wird oftmals durch externe Faktoren getriggert. Meist ist dies Ethanol. Auch erhöhte Östrogen- oder Eisenspiegel und die Exposition mit chlorierten Kohlenwasserstoffen sowie bestimmte Virusinfektionen (Hepatitis C) können das Ausbrechen der PCT provozieren.

Erworbene Formen der PCT

In den 1950er Jahren kam es in Anatolien zu einer regelrechten Porphyrieepidemie durch mit Hexachlorbenzen kontaminierten Weizen. Auch eine chronische Infektion mit Hepatitis C kann eine PCT hervorrufen.

Hepatoerythropoetische Porphyrie (HEP)

Die HEP ist eine schwerer verlaufende, homozygote Form der PCT. Die Symptome können leicht mit der Congenitalen erythropoetischen Porphyrie (Morbus Günther) verwechselt werden, auch hier kann es zu Entstellungen an den dem Licht ausgesetzten Arealen kommen (Verlust von Nase, Lippen, Ohrmuscheln und Fingerteilen, Erblindung). Neben den Stoffwechselprodukten, die man bei einer PCT findet, ist zusätzlich der Wert für Zink-Protoporphyrin in den Erythrozyten erhöht.

Symptomatik

Im Unterschied zu den anderen hepatischen Porphyrien verläuft die PCT chronisch und ohne neurologische Symptomatik. Der Verlauf und die Ausprägung sind sehr variabel, so kann die Ausscheidung von Porphyrin im Harn das einzige Symptom der Erkrankung sein.

  • Haut: Die Lichtempfindlichkeit (Photosensitivität) der Haut ist das zentrale Symptom der Erkrankung. Die PCT hat somit den Charakter einer Photodermatose. Durch UV-Einstrahlung bilden sich an der Sonne ausgesetzten Stellen, wie Gesicht, Handrücken oder Beine, aufgrund der dortigen Porphyrineinlagerungen flüssigkeitsgefüllte Bläschen (Vesikel) und Blasen (Bullae). Die Haut ist äußerst brüchig. Minimale Traumata können zur Entstehung dieser Blasen führen. Parallel dazu, zeitlich etwas versetzt, entstehen auf der Haut kleine, weiße, zystische Herde, sogenannte Milien. Die oftmals verletzte Haut der PCT-Patienten hat geringes Selbstheilungspotential und ist somit ständig einer Infektionsgefahr ausgesetzt. Weitere Hautsymptome sind Pigmentverschiebungen (Hyper- und Hypopigmentierungen), verstärkte Lanugobehaarung (Hypertrichose), livid bis bräunliche Gesichtsfarbe sowie Verdickung, Vernarbung und Kalzifizierung der Haut.
  • Leber: Die Porphyrineinlagerungen führen zu einer Lebervergrößerung (Hepatomegalie) und Leberfunktionsstörung. Die Laborwerte zeigen eine Erhöhung der Transaminasen. Wie bei jeder chronischen Leberschädigung ist bei der PCT das Risiko für die Entstehung von Leberkrebs (hepatozelluläres Karzinom) deutlich erhöht.
  • Urin: Der Harn kann durch die Porphyrinausscheidung rosa bis braun verfärbt sein.

Diagnose

Man findet erhöhte Porphyrinspiegel in Blutplasma, Urin und Stuhl. Die frühen Zwischenprodukte der Hämsynthese sind nicht oder nur leicht erhöht (ALA, PBG sind im Wesentlichen normal). Anfallende Zwischenprodukte sind Uroporphyrin I und 7-Carboxylat-Porphyrin sowie Isocoproporphyrin. Die beiden ersten finden sich in Urin und Blutplasma, das dritte hauptsächlich im Stuhl. Der Anstieg des Isocoproporphyrins deutet sehr spezifisch auf einen hepatischen URO-Decarboxylasedefekt hin.

Therapie

  • Das alleinige Weglassen der Noxen (Alkohol, Eisen, Östrogen, verschiedene Medikamente) kann bei manchen Patienten die Symptomatik verbessern und unter Umständen völlig verschwinden lassen.
  • Sollte dies nicht ausreichen, empfiehlt sich ein Aderlass (Phlebotomie). Einmal alle ein bis zwei Wochen wird eine Blutmenge von etwa 500 ml abgelassen, dies führt zu einer Verringerung des Lebereisens und somit zum Wegfall eines wichtigen Triggers. Nach fünf bis sechs Sitzungen kommt es meist zu einer spürbaren Symptombesserung. Auch schützt der Aderlass gegen Rezidive der Erkrankung. Es bedarf einer genauen Kontrolle des Serumhämoglobins und Serumferritins, um sideropenische Komplikationen (Eisenmangelanämie) zu vermeiden.
  • Zu achten ist auf Schutz vor Sonnenlicht.
  • Schwere Verläufe werden mit niedrig dosiertem Chloroquin (beispielsweise 125 mg zweimal wöchentlich) behandelt. Eine Überdosierung kann jedoch die Situation gefährlich verschlimmern. Chloroquin (ursprünglich zur Behandlung der Malaria gedacht) bildet mit Porphyrinen Komplexe, die über die Nieren ausgeschieden werden. Eine gute Nierenfunktion ist daher Voraussetzung für diese Therapieoption.
  • Patienten, die neben der PCT an schwerer Niereninsuffizienz leiden, werden mit EPO (Erythropoetin) behandelt.
  • Ferner sollte, zur Früherkennung von etwaigen Schäden, eine regelmäßige Bildgebung der Leber erwogen werden.

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