Proconsul (Biologie)



Proconsul

Proconsul

Zeitliches Auftreten
Miozän
21 bis 14 Mio. Jahre
Fundorte
  • Afrika
Systematik
Ordnung: Primaten (Primates)
Unterordnung: Trockennasenaffen (Haplorhini)
Teilordnung: Altweltaffen (Catarrhini)
Überfamilie: Menschenartige (Hominoidea)
Familie: Proconsulidae
Gattung: Proconsul
Wissenschaftlicher Name
Proconsul
Hopwood, 1933
Arten
  • Proconsul africanus
  • Proconsul heseloni
  • Proconsul nyanzae
  • Proconsul major
  • Proconsul meswae

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Proconsul ist eine ausgestorbene Gattung der Primaten, die während des frühen und mittleren Miozäns in Afrika vorkam. Fossilien, die zu dieser Gattung gestellt werden, wurden in die Zeit vor 21 bis 14 Millionen Jahren datiert.[1] Die Funde stammen vor allem aus Kenia – zumeist von der Insel Rusinga im Victoriasee – und aus dem benachbarten Uganda.[2] Die Gattung gehört zu den frühesten bekannten Vertretern der Menschenartigen (Hominoidea).

Die Bezeichnung Proconsul („vor dem Consul“) wurde 1933[3] von Arthur Tindell Hopwood (1897–1969) gewählt, vermutlich in Anspielung auf den Schimpansen Consul, der in den 1930er-Jahren im Londoner Zoo lebte.[4]

Die Abgrenzung der Gattung Proconsul von Ugandapithecus ist umstritten.

Merkmale

Die Angehörigen der Gattung Proconsul waren schwanzlose Vierfüßer ohne Überaugenwulst (Torus supraorbitalis) mit einer relativ kurzen Schnauze und − abhängig vom Geschlecht – unterschiedlich stark ausgebildeten Eckzähnen.[5] Für die größten bekannten Exemplare wurde ein Gehirnvolumen von ungefähr 150 Kubikzentimetern berechnet, was ungefähr dem eines heute lebenden Siamang entspricht. Arme und Beine waren recht lang und zudem ungefähr gleich lang, woraus geschlossen werden kann, dass diese Tiere – vergleichbar den heutigen Gibbons – Bewohner von Regenwäldern waren und durch die Bäume hangeln, sich aber auch zeitweise am Boden aufhalten konnten. Aus der Beschaffenheit des in einigen Fossilien erhaltenen Lumens ihrer Bogengänge leitet Alan Walker eine in der Regel eher gemächliche Bewegungsweise ab, vergleichbar den heutigen Brüllaffen.[6] Aus der Beschaffenheit ihrer Zähne wurde geschlossen, dass sich diese Tiere vorwiegend von Früchten ernährten.

Systematik

Teilskelett von Proconsul nyanzae im Muséum national d’histoire naturelle in Paris

Die genaue Stellung der Proconsul-Arten im Stammbaum der Menschenartigen ist umstritten. Zunächst wurden ihre Fossilien als Vorfahren der heutigen Schimpansen und Gorillas interpretiert; daher der Bezug auf den Schimpansen Consul bei der Namengebung. Manche Wissenschaftler deuteten Proconsul auch als Missing Link, als gemeinsamen Vorfahren der Menschen und dieser Menschenaffen. Zudem war die Abgrenzung einiger Funde von Dryopithecus zeitweise umstritten.[7] Heute wird die Gattung zumeist als eine Schwestergruppe der Menschenaffen-Vorfahren bezeichnet.

Im Jahr 2002 wurden vier Arten beschrieben,[8] von denen sich drei in der Körpergröße deutlich unterscheiden:

  • Proconsul africanus:[9] Sein Gewicht wird auf rund 20 kg geschätzt. Dies war die erste, 1933 von Hopwood benannte Art der Gattung.
  • Proconsul major:[10] Sein Gewicht wird auf rund 60 bis 80 kg geschätzt.
  • Proconsul heseloni:[11] Die Abgrenzung dieser 1993 eingeführten Art von P. africanus ist umstritten. Das Gewicht wird auf knapp 20 kg geschätzt.
  • Proconsul nyanzae:[10] Sein Gewicht lag mit ca. 20 bis 50 kg zwischen dem von P. africanus und P. major.
  • Proconsul meswae von einem Fundort im Westen von Kenia wurde im Jahr 2009 von Terry Harrison und Peter Andrews als fünfte Art der Gattung benannt.[12]

Darüber hinaus wurde 2005 anhand von Funden aus den Tugen Hills in Kenia eine weitere Art, Proconsul gitongai, vorgeschlagen.[13]

Literatur

Lebendrekonstruktion
  • Alan Walker, Pat Shipman: The Ape in the Tree. An Intellectual and Natural History of Proconsul. Harvard University Press, Cambridge, MA, 2005, ISBN 0-674-01675-0.

Siehe auch

Weblinks

Commons: Proconsul – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. Robert N. Proctor: Finding Life in Old Bones. Science Band 309, 2005, S. 1188; doi:10.1126/science.1112101.
  2. Fiorenzo Facchini: Die Ursprünge der Menschheit. Konrad Theiss Verlag, 2006, S. 60.
  3. Arthur Tindell Hopwood: Miocene Primates from Kenya. J. Linn. Soc. (Zool.), Band 30, 1933, S. 437–464.
  4. Laut Robert N. Proctor, Finding Life in Old Bones, lebte kurz nach 1900 in Paris ebenfalls ein Schimpanse namens Consul.
  5. Die Beschreibung der Merkmale folgt der Darstellung in Facchini, Die Ursprünge der Menschheit sowie in Walker /Shipman, The Ape in the Tree (s. Literatur).
  6. Alan Walker, Pat Shipman: The Ape in the Tree...; heute lebende Primaten haben relativ große Lumen, wenn sie sich rasch bewegen, und kleine, wenn sie sich eher langsam bewegen. Proconsul hatte sehr kleine Lumen.
  7. „In den letzten Jahren jedoch ist die Mehrheit der Fachleute dahin übereingekommen, daß die Vertreter von Dryopithecus in Europa vom Mittel- bis ins Obermiozän lebten, also vor 14 bis vor 8 Jahrmillionen, und sich von anderen miozänen Formen wie Proconsul oder Kenyapithecus, die in Afrika heimisch waren, unterscheiden.“ Zitiert aus: Meike Köhler, Salvador Moy Sola: Rätsel Dryopithecus. Spektrum der Wissenschaft, Heft 1/1994; Volltext.
  8. Terry Harrison: Late Oligocene to middle Miocene catarrhines from Afro-Arabia. In: Walter Carl Hartwig (Hrsg.): The Primate Fossil Record. Cambridge University Press, 2002, S. 311–338, Volltext (PDF); in dieser Übersicht wurde den Holotypen folgendes Alter (in Millionen Jahren) zugeschrieben: Proconsul africanus: 20 bis 19; Proconsul heseloni: 18,5 bis 17; Proconsul nyanzae: 18,5 bis 17; Proconsul major: 20 bis 19.
  9. Erstbeschreibung siehe Arthur Tindell Hopwood: Miocene Primates from Kenya. In: Journal of the Linnean Society of London, Zoology, Band 38, Nr. 260, 1933, S. 437–464, doi:10.1111/j.1096-3642.1933.tb00992.x
    Arthur Tindell Hopwood: Miocene Primates from British East Africa. In: The Annals and Magazine of Natural History, Series 10, Nr. 11, 1933, S. 97–98
  10. 10,0 10,1 Erstbeschreibung siehe Wilfrid Le Gros Clark, Louis Leakey: Diagnoses of East African Miocene Hominoidea. In: Quarterly Journal of the Geological Society, Band 105, 1949, S. 260–264, doi:10.1144/GSL.JGS.1949.105.01-04.10
  11. Erstbeschreibung siehe Alan Walker et al.: A new species of Proconsul from the early miocene of Rusinga/Mfangano Islands, Kenya. In: Journal of Human Evolution, Band 25, Nr. 1, 1993, S. 43–56, doi:10.1006/jhev.1993.1037
  12. Terry Harrison, Peter Andrews: The anatomy and systematic position of the early Miocene proconsulid from Meswa Bridge, Kenya. In: Journal of Human Evolution, Band 56, Nr. 5, 2009, S. 479–496, doi:10.1016/j.jhevol.2009.02.005
  13. Martin Pickford, Yutaka Kunimatsu: Catarrhines from the Middle Miocene (ca. 14.5 Ma) of Kipsaraman, Tugen Hills, Kenya. In: Anthropological Science, Band 113, Nr. 2, 2005, S. 189–224, doi:10.1537/ase.113.189

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