Neuritis nervi optici


(Weitergeleitet von Retrobulbärneuritis)
Klassifikation nach ICD-10
H46 Neuritis nervi optici
ICD-10 online (WHO-Version 2019)

Die Neuritis nervi optici (lat. „Entzündung des Sehnervs“), auch Retrobulbärneuritis, ist eine entzündliche Erkrankung des Sehnervs, d. h. des zweiten Hirnnervs. Sie ist von der nicht-entzündlichen Optikusatrophie zu unterscheiden.

Der Sehnerv beginnt in der Netzhaut des Auges und geht in den Tractus opticus über. Er übermittelt die optische Information der Retina in die Sehzentren des Großhirns (primärer visueller Cortex). Gegenüber peripheren Nerven – auch Hirnnerven – zeichnet er sich dadurch aus, dass sein Myelin nicht von Schwannschen Zellen, sondern von Oligodendroglia gebildet wird. Das heißt, seine Axone verhalten sich so wie Axone des zentralen Nervensystems. Er kann daher bei jedweden Entzündungen des zentralen Nervensystems miterkranken. So ist die Sehnervenentzündung häufig ein Frühsymptom der Multiplen Sklerose.

Symptome

Das Kardinalsymptom ist der Verfall der Sehschärfe (Visusverlust) und ein zentrales Skotom kann auftreten. Im Extremfall kann es bis zum völligen Erblinden des Auges kommen. Kopfschmerzen im Bereich der Augenhöhle, die bei Blickwendung und Druck auf die Augäpfel zunehmen, sind typisch. Je nach Ursache kann nur ein Auge oder beide betroffen sein.

Ursachen und Pathophysiologie

Das Spektrum der verursachenden Ätiologien ist sehr groß. Häufig sind Entmarkungskrankheiten wie die Multiple Sklerose die Ursache der Neuritis nervi optici. An zweiter Stelle folgen chronische Intoxikationen (Vergiftungen) wie mit Alkohol oder Chinin. Generalisierte Infektionskrankheiten wie Diphtherie, Typhus, Fleckfieber, Grippe, aber auch viele andere sowie erregerbedingte Erkrankungen des Zentralnervensystems (z. B. Meningitis, Hirnabszess) sind ebenso möglich. Auch einige metabolische und internistische Erkrankungen (extreme arterielle Hypertonie) kommen als Auslöser in Frage. Bei Entzündungen des Orbitagewebes oder des Auges (z. B. Uveitis, Retinitis) kann der Sehnerv in Mitleidenschaft gezogen werden. Schließlich gibt es auch seltene Erbkrankheiten, zu deren Bild die Sehnerventzündung gehört.

Untersuchungsmethoden

Augenärztliche Untersuchungen sind häufig ohne pathologischen Befund, der Augenhintergrund erscheint bei der Ophthalmoskopie unauffällig („der (Augen-)Arzt sieht nichts und der Patient sieht nichts“). Nur wenn die Entzündungsherde nahe am Auge liegen, kommt es zu einer Papillenschwellung, die aber auch bei ganz anderen Erkrankungen (Hirndruck) auftreten kann. In der Spätphase nach Abheilen der akuten Entzündung kann eine auffällige Blässe meist im temporalen (schläfenseitigen) Teil der Papille verbleiben. Die Diagnose einer demyelinisierenden Erkrankung des Sehnervs lässt sich am besten mit Hilfe einer kontrastmittelunterstützten Magnetresonanztomographie (MRT) stellen und es zeigen sich meist Verzögerungen der Nervenleitgeschwindigkeit bei der Untersuchung mit der neurophysiologischen Methode der Evozierten Potentiale.

Die Neuritis nervi optici ist ein obligatorischer Bestandteil der Neuromyelitis optica.

Verlauf und Prognose

Die Wahl der Therapie und vor allem die Ursache bestimmen die Prognose. Oft kommt es schon spontan im Verlauf von mehreren Wochen bis einigen Monaten zur Verbesserung, teilweise auch zur völligen Erholung des Sehvermögens.

Therapie

Grundsätzlich muss die erkannte Grundkrankheit behandelt werden. Etwa zwei Drittel der Sehnervenentzündungen in Deutschland sind durch Multiple Sklerose bedingt. In diesen Fällen ist die entsprechende Therapie zur Durchbrechung des entzündlichen Schubes indiziert. Infektionskrankheiten werden mit liquorgängigen Antibiotika behandelt. Häufig wird eine entzündungshemmende Therapie mit Kortikosteroiden versucht.

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