Rizinusöl


Rizinusöl, wissenschaftlich auch Ricinusöl (CAS-Nr. 08001-79-4), ist ein Pflanzenöl, das aus den Samen des tropischen Wunderbaums (Ricinus communis), eines Wolfsmilchgewächses, gewonnen wird. Es ist ein Triglycerid und wird in der Pharmazie auch Oleum Ricini s. Castoris, Oleum Ricini virginale und Kastoröl, im englischen Sprachraum castor oil, aber auch ricinus oil oder oil of Palma Christi genannt.

Rizinusöl
Castor oil.jpg
Rohstoffpflanze(n)

Samen des Wunderbaums (Rizinus communis)

Farbe

farblos bis sehr hellgelb

Inhaltsstoffe
Ölsäure 3,6 % – 9 %[1]
Linolsäure 3 % – 5 %
Linolensäure 0,4 %
Weitere Fettsäuren Rizinolsäure 77 % – 83 %, Palmitinsäure 0 % – 1,6 %, Stearinsäure 1,5 % – 3 %, Vaccensäure, Arachinsäure, Eicosensäure unter 1 %
Eigenschaften
Dichte 0,922–0,938
Flammpunkt 229 °C
Iodzahl 81–100[2][3]
Herstellung und Verbrauch
Verbrauch weltweit 600.000 t
Verwendung Technik, Pharmazie, Kosmetik, Oleochemie, Schmierstoffe, Farben

Eigenschaften

Rizinusöl ist farblos bis leicht gelblich, durchsichtig, dickflüssig, brennbar, von schwachem Geruch, schmeckt mild, aber unangenehm und wirkt stark abführend (siehe auch unter: Abführmittel). Der Geruch ist schwach, aber charakteristisch. Das Öl ist mit einer Dichte von 0,922 bis 0,938 g·cm−3 eines der Öle mit der höchsten Dichte. Der Erstarrungsbereich liegt zwischen −13 und −20 °C, der Schmelzpunkt wird mit −5 °C angegeben. Es lässt sich nicht destillieren, da es sich bei Temperaturen über 250 °C zersetzt. An der Luft verdickt es, härtet aber nicht in dünnen Filmen aus, so dass es zu den nicht-trocknenden Ölen zählt. Rizinusöl ist aufgrund seines einzigartig hohen Gehaltes an Hydroxyfettsäuren deutlich polar und unterscheidet sich darin von anderen Ölen mit einer guten Löslichkeit in Ethanol, aber nur geringer Mischbarkeit mit aliphatischen Kohlenwasserstoffen. Die Verseifungszahl liegt bei 186–203, die Hydroxylzahl bei 160–168, die Iodzahl zwischen 81 und 100[2][3]. Rizinusöl ist etwa sechs bis acht Monate haltbar. Für den internationalen Handel bestehen vier verschiedene Qualitätsstandards, die von der International Castor Oil Association (ICOA) festgelegt wurden.

Samen des Wunderbaums, aus dem das Öl gewonnen wird.
Allgemeine chemische Struktur von Rizinusöl (R1, R2 und R3 sind langkettige Alkyl- oder Alkenylreste mit einer meist ungeraden Anzahl von Kohlenstoffatomen.)

Bestandteile

Das Rizinusöl besteht zu 80 % – 85 % aus dem Triglycerid der Ricinolsäure, auch Triricinolein genannt, daneben aus weiteren Glyceriden verschiedener C18-Fettsäuren sowie mehreren flüchtigen Verbindungen. Die Angaben zur Zusammensetzung variieren abhängig von der Herkunft und Literatur. Die Zusammensetzung der Fettsäure-Glycerinester liegt bei ca. 77 % – 83 % Ricinolsäure, 3 % – 5 % Linolsäure, 4 % – 9 % Ölsäure, 1 % – 2 % Palmitinsäure, 1 % – 3 % Stearinsäure sowie geringen Mengen an Vaccensäure, Alpha-Linolensäure, Arachinsäure und Eicosensäure. Der Anteil an freien Fettsäuren beträgt zwischen 0,75 % und 3,0 %, der Wassergehalt 0,25 % bis 0,5 % und übrige Verunreinigungen liegen je nach Qualität zwischen 0,01 % und 0,2 %.[1]

Geschichte

Bekannt war das Öl der ursprünglich wahrscheinlich in den Tropen Äthiopiens beheimateten Pflanze bereits im Altertum. So heißt es im Buch Jona (4,6) des Alten Testaments, dass Gott über Nacht eine Rizinusstaude wachsen ließ. Am nächsten Morgen „schickte Gott einen Wurm, der die Rizinusstaude annagte, sodass sie verdorrte.“ Im Ägypten des Altertums diente Rizinusöl als bekanntes und vielseitiges Heilmittel sowie als Brennstoff für Öllampen.[4]

Auch in Griechenland wurde die Pflanze unter dem Namen Kiki kultiviert; Theophrast nannte sie Croton, Dioskorides wandte die Samen als Abführmittel und das Öl äußerlich an. Auch Albertus Magnus kultivierte den Wunderbaum.[5] Später kam die Pflanze in medizinischer Hinsicht in Mitteleuropa in Vergessenheit. Erst in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts wurde das Öl von Westindien ausgehend wieder als Abführmittel benutzt.

In den 1960er Jahren lebte die Rizinusölproduktion in den USA durch Subventionen der Regierung wieder auf, um unabhängiger von den Rohstoffimporten zu sein. Seit 1990 hat der Anbau in den USA keine Bedeutung mehr, obwohl es Bemühungen gegeben hat, Zwergformen für den Anbau in den trockenen Hochebenen von Texas zu züchten. Mitte der 1980er Jahre wurde in Costa Rica ein Zuchtprogramm zur Verbesserung der maschinellen Erntefähigkeit begonnen, welches das frühzeitige Öffnen der Samenkapseln und das Herunterfallen der Samen auf die Erde verhindert. Der Anbau dieser Sorte wurde in Europa erstmalig 1990 in Frankreich praktiziert. Eine Hybride-Sorte, genannt H-22, wurde vom israelischen Weizmann-Institut gezüchtet und ist heute in den Ländern weit verbreitet, in denen per Hand geerntet wird.

Gewinnung/Herstellung

Anbau

Der Wunderbaum ist eine Pflanze der tropischen Sommerregengebiete. Abhängig von Sorte, Bodenverhältnissen und Klima werden zwischen 450 kg und 2000 kg Öl je Hektar gewonnen. Die Samen enthalten 40 % bis 50 % Öl, 14 % – 22 % Protein, 15 % – 18 % Rohfaser und 2 % – 3 % Asche. Zudem sind zwei Giftstoffe enthalten, nämlich ca. 3 % des hitzeempfindlichen, polaren und hochgiftigen Proteins Rizin und 0,03 % – 0,15 % des Pyridin-Alkaloids Ricinin. Des Weiteren enthält der Samen das Allergen CB-1A. 250 bis 1800 Samen ergeben 1 kg.[6]

Pressung

Hochwertige Qualitäten werden durch Kaltpressung der geschälten Samen gewonnen. Für die ertragreichere Heißpressung werden die Samen vor der Pressung erhitzt und dann das Öl in Schneckenpressen kontinuierlich vom Presskuchen getrennt. Der Presskuchen enthält noch über 10 % Öl, welches anschließend mit Hexan, Heptan oder Gemischen aus beiden extrahiert werden kann. Nach Entfernen der Lösemittelreste enthält der Extraktionsrückstand noch etwa 1 % Öl.

Raffination

Zur Entfernung unerwünschter Stoffe wird das Öl raffiniert, das heißt entschleimt, entsäuert und mit Wasserdampf behandelt. Raffiniertes Rizinusöl ist frei von Ricin. Beim sogenannten Degumming werden durch Zusatz von 3 % – 5 % Wasser, Erhitzen auf 70 °C – 80 °C und Abtrennung des Wassers mittels Zentrifugation Proteinreste aus dem Öl entfernt. Freie Fettsäuren werden durch Behandlung mit alkalischer Lösung entfernt, die Tendenz von Rizinusöl zur Emulsionsbildung erfordert dabei spezielle Verfahrensweisen. Der Aufhellung und Entfärbung des Öls dienen Zusätze von wenigen Prozenten oberflächenaktiver Tonmineralien oder von Aktivkohle für dunklere Qualitäten und die Behandlung bei Temperaturen bis 80 °C. Zum Entfernen des größten Anteils an flüchtigen Verbindungen und Geruchsstoffen erhitzt man das Öl in dünnen Filmen im Vakuum (Dünnschichtverdampfer), kurzfristig auf bis 230 °C.

Presskuchen

Die festen Rückstände aus der Ölpressung und -extraktion werden in der Regel zu Stickstoff-Dünger (Rizinusschrot) verarbeitet. Im Presskuchen sind giftige Stoffe und Allergene aus dem Samen enthalten, daher eignet sich der unbehandelte Pressrückstand trotz hoher Eiweißgehalte nicht als Viehfutter. Seit den 1960er Jahren sind Verfahren zur Beseitigung der Giftstoffe und Allergene aus dem Presskuchen verfügbar. In Thailand gibt es heute größere Produktionsanlagen, die futtertaugliches Material herstellen.

Verwendung

Bedeutung hat Rizinusöl im Wesentlichen als Rohstoff für Schmierstoffe, Lacke, Polyamid-11, im Bereich Kosmetik und in der Pharmazie. In den meisten Fällen wird Rizinusöl nicht direkt, sondern nach chemischen Umsetzungen verarbeitet.

Strukturformel des Rizinolsäureesters

Die besondere chemische Konstitution des Triricinoleins (Tri-Ricinolsäure-Glycerinester) als Hauptbestandteil des Öls erlaubt die Herstellung einer Vielfalt unterschiedlichster Verbindungen durch zahlreiche chemische Reaktionsmöglichkeiten. Umsetzungen setzen an unterschiedlichen Stellen des Ricinolsäureesters (Seitenkette der Triricinoleins. So kann die Estergruppe am ersten Kohlenstoffmolekül ( C1) durch Verseifung oder Salzbildung reagieren. An der cis-Doppelbindung zwischen C9 und C10 wird mittels Oxidation, Polymerisation, Addition, Epoxidierung, Hydrierung angesetzt. Weitere Substanzen entstehen durch Dehydratisierung, Spaltung, Veresterung, Etherbildung oder Substitution der Hydroxygruppe an C12.

Unverändertes Rizinusöl

Medizin und Kosmetik

Medizinisch verwendet wird raffiniertes Rizinusöl (lat. Ricini Oleum) als Heilmittel zur inneren und äußeren Anwendung. Eine der häufigsten medizinischen Verwendungen ist die als Hilfsstoff für pharmazeutische Formulierungen wie Sexualhormone oder für Augentropfen. Für zahlreiche Arzneimittel dient es wegen seiner relativ hohen Polarität als Lösungsmittel.

Innerlich angewendet wirkt Rizinusöl als Abführmittel, da es über den Darm nicht aufgenommen wird. Für die Wirkung wird die freie Ricinolsäure verantwortlich gemacht, die durch die Gallensalze und die fettspaltenden Enzyme der Bauchspeicheldrüse im Dünndarm entsteht. Rizinusöl wird außerdem in der Geburtshilfe als so genannter Wehencocktail verabreicht, um Geburtswehen einzuleiten. Der Wirkmechanismus war lange nicht bekannt,[7] beruht aber auf der Wirkung der Ricinolsäure auf Prostaglandinrezeptoren.[8][9] Übelkeit und Durchfall sind häufige Nebenwirkungen dieser Anwendung, deren Wirksamkeit als nur ansatzweise erforscht gilt.[10][11][12][13]

Äußerlich wird Rizinusöl vor allem bei der Behandlung von Hautschuppen, Narben, Altersflecken und Hämorrhoiden eingesetzt, da es gut in Zwischenzellräume z. B. von Hornhaut eindringt. Gegen Wasser und wasserlösliche Schadstoffe bildet das Öl einen mechanischen Schutzfilm und kann so zur Heilung von Schrunden und Fissuren beitragen.

In der kosmetischen Industrie wird Rizinusöl zur Herstellung von Cremes, Wimperntuschen, Haarbrillantinen, Haarpflegemitteln und Badeölen genutzt.

Technik

Aufgrund des Gehaltes von ca. 5 % Hydroxygruppen aus der Rizinolsäure lässt sich Rizinusöl als Rohstoff für Bindemittel in lufttrocknenden Lacken und Dispersionsfarben einsetzen, daneben wird es auch in Reaktivmassen wie Polyurethan-Beschichtungen für diverse industrielle Einsätze im Korrosionsschutz und Baubereich verarbeitet. Rizinusöl besitzt aufgrund seiner Hydroxygruppen eine hervorragende Haftung auf Metalloberflächen und wurde daher schon frühzeitig als Schmiermittel für Hochleistungsmotoren eingesetzt. Der Markenname "Castrol" ist von der englischen Bezeichnung für das Öl abgeleitet.

Dehydratisiertes Rizinusöl

Bei der Herstellung von dehydratisiertem Rizinusöl (Ricinenöl, auch Rizinenöl) wird den Fettsäuren eine weitere Doppelbindung hinzugefügt. Hierfür wird Wasser aus dem Molekül abgespalten, üblicherweise durch schwefelsaure Katalyse, aber auch durch Salze der Schwefelsäure und Metalloxide. Die Doppelbindung entsteht in der Regel konjugiert zwischen dem 11. und 12. C-Atom des Fettsäuremoleküls.

Der erhöhte Gehalt an Doppelbindungen überführt Rizinusöl von einem nicht-trocknenden in ein oxidativ trocknendes Öl. Die Esterverbindungen zum Glycerin bleiben dabei erhalten. Je nach Reaktionsbedingungen und Dauer werden verschiedene Qualitäten erzeugt, die sich hauptsächlich in der Viskosität unterscheiden. Diese wird hervorgerufen durch die Polymerisation, die bereits während der Reaktion stattfindet. Das Produkt ist dem Leinöl ähnlich und kann als qualitativ hochwertiges Bindemittel für verschiedene Lacke und Farben, Firnis, Linoleum und Druckfarben eingesetzt werden.[14]

Durch alkalische Verseifung von dehydratisiertem Rizinusöl lassen sich die zweifach ungesättigten Fettsäuren nach Neutralisation und Destillation im Vakuum als Rohstoffe für eine weitere Verarbeitung gewinnen.

Umgeestertes Rizinusöl als Treibstoff (Biodiesel)

Zur Herstellung des Biokraftstoffs Biodiesel kann Rizinusöl in Veresterungsanlagen bearbeitet werden. Dabei wird das Glycerin der Triglyceride abgespalten und durch Methylreste an den Fettsäuren ersetzt. Rizinusöl wird zur Biodieselherstellung unter anderem von Petrobras in Brasilien genutzt. Angesichts des im Vergleich zu Sojaöl, Palmöl und Rapsöl hohen Weltmarktpreises für Rizinusöl und seiner nur mäßigen Eignung zur Biodieselherstellung (Viskosität, Verschmutzung, Säurezahl) ist die Präsenz dieses Öls im Biokraftstoffmarkt auch politischer Förderung zu verdanken. Rizinusöl wird in der Regel von Kleinbauern angebaut. Mit seiner Verwendung soll daher die soziale Nachhaltigkeit der Biodieselproduktion gestärkt werden.[15]

Sulfoniertes Rizinusöl (Türkischrotöl)

Eine der ersten Modifikationen von Rizinusöl war die Behandlung mit konzentrierter Schwefelsäure oder mit Schwefeltrioxid (SO3). Es bilden sich dabei sowohl Schwefelsäureester an der Hydroxygruppe als auch Additionsprodukte an der Doppelbindung und Sulfonsäuregruppen (-SO3H). Das Produkt wird Türkischrotöl (engl. turkey-red oil) genannt und enthält 8 % – 8,5 % SO3, damit ist rechnerisch eine schwefelsaure Gruppe pro Triglycerid eingebunden. In der Textilindustrie wird Türkischrotöl wegen seiner Benetzungseigenschaften und Emulgierbarkeit als Färbehilfsmittel (Beize) eingesetzt.

Alkalische Spaltung für Chemierohstoffe

Durch Behandlung mit Natrium- oder Kaliumhydroxid bei hohen Temperaturen in Gegenwart von längerkettigen Alkoholen wie 1- oder 2-Octanol werden je nach Reaktionsbedingungen Methylhexylketon, 10-Hydroxydecansäure, Caprylalkohol (Octanol) und Sebacinsäure als wichtige Chemierohstoffe erhalten.

Pyrolytische Zersetzung zu Heptaldehyd und Undecensäure

Die thermische Spaltung (Pyrolyse) von Rizinusöl bei 350 °C – 460 °C ergibt Heptanal und 10-Undecensäure als wichtigste Produkte. Heptanal findet Verwendung in der Herstellung von Geschmacks- und Geruchsstoffen, Undecensäure (C10H19COOH) – als Metallsalz mit Zink oder Kupfer – wird in der Medizin für die äußere Behandlung von Pilzinfektionen und gegen Hautparasiten eingesetzt.

Polyamid 11

Aus dem Methylester der Rizinolsäure (Methylricinoleat), hergestellt durch Umsetzung von Methanol mit Rizinusöl, lässt sich bei 450 °C – 500 °C durch thermische Zersetzung Methyl-10-undecensäureester und Heptanal gewinnen. Der Undecensäureester wird über mehrere Stufen umgesetzt zur 11-Amino-n-undecansäure (auch Rilsan®-Monomer genannt), dem Rohstoff zur Herstellung von Polyamid-11 (Nylon®-11). Dies ist ein wichtiges technisches Polyamid als Hochleistungskunststoff für Fasern und diverse technische Anwendungen in Beschichtungen, Kabeln und Automobil. Die Herstellung von Polyamid-11 ist eine auch mengenmäßig bedeutende Verwendung von Rizinusöl.

Hydriertes Rizinusöl

Bei der Hydrierung wird an die Doppelbindung der Ricinolsäure Wasserstoff unter Verwendung von Raney-Nickel addiert. Die Hydroxygruppe bleibt erhalten und es entsteht ein Fett (Rizinuswachs) mit Schmelzpunkt von 86 °C, das Triglycerid der 12-Hydroxystearinsäure. Letztere wird zur Herstellung von Mehrzweckschmierstoff und für den Automobilbereich, aber auch für Seifen und Kosmetikprodukte verwendet. Teilweise hydriertes Rizinusöl hat einen niedrigeren Erweichungsbereich und wird ebenfalls als Schmierstoff und als Wachs eingesetzt. Etwa 10 % der Weltproduktion von Rizinusöl wird zur Herstellung von Schmierstoffen umgesetzt.

Alkoxylierung für oberflächenaktive Substanzen

Die Bildung von Ethern an der Hydroxygruppe der Ricinolsäure durch Umsetzung mit Ethylenoxid oder Propylenoxid führt zu einer Reihe von oberflächenaktiven Substanzen, die in Technik und Kosmetik Verwendung finden: Detergenzien, Gleitmittel, Hydraulikflüssigkeiten, Antistatika, Textilfinishe, Emulgatoren, Lösungsvermittler und Ölzusätze.

Oxidiertes Rizinusöl

Die Oxidation durch Luft oder reinen Sauerstoff in Gegenwart von Übergangsmetall-Katalysatoren führt durch Polymerisation zu höheren molaren Massen und Viskositäten. Oxidiertes (geblasenes) Rizinusöl ist nicht migrierend und wird daher als Weichmacher für diverse Polymere wie Cellulosederivate, Polyamide, Natur- und Synthesekautschuke zum Einsatz gebracht. Außerdem wird es verwendet als Pigmentbenetzungsharz, für Druckfarben und als Ölzusatz.

Polyester aus Rizinusöl

Die Monomeren Citronensäure und Rizinusöl reagieren unter Polykondensation miteinander. Dabei verbinden sich die Carboxygruppen der Citronensäure mit den Hydroxygruppen des Rizinusöls zu einem Ester, weshalb man das Produkt auch einen Polyester nennt. Gleichzeitig wird durch die Esterbildung Wasser abgespalten. Man erhält ein bräunliches, klebriges, wasserunlösliches Harz.

Weltmarkt

Rizinusöl wird als Rohstoff für verschiedene Anwendungen und chemische Umwandlungen in großen Mengen gehandelt. Indien, Brasilien und China erzeugen über 80 % der Weltproduktion. Die USA produzieren seit 1990 praktisch kein Rizinusöl mehr. Der weltweite jährliche Verbrauch an Rizinusöl beträgt ca. 0,6 Mio. Tonnen, das entspricht etwa 0,4 % des gesamten Pflanzenölverbrauchs. In Deutschland wurden 2008 38.000 t importiert und verbraucht.[16]

Literatur

  • Frank C. Naughton: Castor Oil. In: Kirk-Othmer Encyclopedia of Chemical Technology. John Wiley & Sons, 2001
  • Römpp Lexikon der Chemie, CD-ROM version 2.0, Georg Thieme, 1999
  • S. Krist, G. Buchbauer, C. Klausberger: Lexikon der pflanzlichen Fette und Öle. Springer, Wien 2008, S. 391–396. ISBN 978-3-211-75606-5
  • H. Zoebelein: Dictionary of Renewable Resources. 2. Auflage, Wiley-VCH Verlag, Weinhaim, 2001, S. 35

Weblinks

Einzelnachweise

  1. 1,0 1,1 Krist et. al.
  2. 2,0 2,1 Rizinusöl beim Transport-Informations-Service (TIS) der deutschen Transportversicherer, abgerufen am 12. Juli 2011.
  3. 3,0 3,1 Produktinformationen Leinöl und Rizinusöl (PDF) bei Alberdingk Boley, abgerufen am 12. Juli 2011.
  4. Ines Fehrmann,Anne Mahlmann: Rizinus, 2006. Abgerufen am 8. Februar 2010
  5. Ricinus communis. Wunderbaum. Euphorbiaceae.. www.henriettesherbal.com. Abgerufen am 18. August 2009.
  6. H. Zoebelein: Dictionary of Renewable Resources. 2. Auflage, Wiley-VCH Verlag, Weinhaim 2001, S. 35
  7. J.L. Tenore: Methods for cervical ripening and induction of labor. Am Fam Physician. 2003 May 15;67(10):2123-8. Review. PMID 12776961
  8. Antje Findeklee: Wehenfördernde Wirkung von Rizinusöl aufgeklärt. Meldung bei spektrum.de vom 21. Mai 2012.
  9. Sorin Tunaru, Till F. Althoff, Rolf M. Nüsing, Martin Diener, and Stefan Offermanns: Castor oil induces laxation and uterus contraction via ricinoleic acid activating prostaglandin EP3 receptors. Proc. Natl. Acad. Sci., 25. April 2012, doi:10.1073/pnas.1201627109.
  10. G. Briggs, R. Freeman, S. Yaffe: Drugs in Pregnancy and Lactation: A Reference Guide to Fetal and Neonatal Risk. p. 271 Lippincott Williams&Wilkins; 8th revised edition. ISBN 978-0-7817-7876-3
  11. D. Garry, R. Figueroa, J. Guillaume, V. Cucco: Use of castor oil in pregnancies at term. Altern Ther Health Med. 2000 Jan;6(1):77-9. PMID 10631825
  12. S. Azhari, S. Pirdadeh, M. Lotfalizadeh, M.T. Shakeri: Evaluation of the effect of castor oil on initiating labor in term pregnancy. Saudi Med J. 2006 Jul;27(7):1011-4. PMID 16830021
  13. A.J. Kelly, J. Kavanagh, J. Thomas: Castor oil, bath and/or enema for cervical priming and induction of labour. Cochrane Database Syst Rev. 2001;(2):CD003099. Review. PMID 11406076
  14. Römpp CD 2006, Georg Thieme Verlag 2006
  15. Forschungs- und Dokumentationszentrum Chile-Lateinamerika: Agroenergiepflanzen-Glossar – Rizinus. Abgerufen am 8. Februar 2010
  16. Verband der Ölsaaten verarbeitenden Industrie in Deutschland OVID, 2009: Globaler Verbrauch Pflanzenöle 2008. Abgerufen am 8. Februar 2010

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