Das Aussterben der Wollnashörner: Menschen der Eiszeit nicht ganz unschuldig



Bio-News vom 26.06.2024

Die Jagd und klimatische Veränderungen verursachten das Verschwinden der Steppenbewohner vor 10.000 Jahren. Forscher haben die Gründe für das Aussterben des Wollnashorns nach dem Ende der letzten Eiszeit untersucht. Die Studie ergab, dass anhaltende Jagd durch Menschen in Verbindung mit Temperaturschwankungen die Tierpopulationen dauerhaft beeinträchtigte, sodass sie sich nicht mehr an günstigere Habitate anpassen konnten. Dieses Aussterben verdeutlicht auch die Bedrohung, der heutige große Wildtiere ausgesetzt sind.

Das Wollnashorn (Coelodonta antiquitatis), einst ein charakteristisches Tier der Steppenfauna Zentral- und Nordeurasiens, entwickelte sich vor rund 2,5 Millionen Jahren auf dem Tibetischen Hochland. Es war mit seiner dicken Haut und dem langen, wolligen Fell gut an die Kälte angepasst und erreichte eine Größe, die mit dem heutigen afrikanischen Breitmaulnashorn vergleichbar ist. Die Wollnashörner ernährten sich von der spärlichen Vegetation in trockenen, offenen Landschaften und setzten vermutlich ihr Vorderhorn ein, um Futter unter dem Schnee hervorzuholen. Fossilienfunde belegen, dass Wollnashörner bis vor etwa 35.000 Jahren in ganz Nordeurasien heimisch waren.


Das ikonische Wollnashorn starb vor etwa 10.000 Jahren aus. Verantwortlich war offenbar die Bejagung durch den Menschen in Kombination mit klimatischen Veränderungen.

Publikation:


Fordham, D., Brown, S., Bocherens, H. et al.
52,000 years of woolly rhinoceros population dynamics reveal extinction mechanisms

PNAS (2024)

DOI: https://doi.org/10.1073/pnas.2316419121



Das Aussterben der Wollnashörner vor rund 10.000 Jahren war lange Zeit ein umstrittenes Thema in der Forschung, wobei der Einfluss des Menschen kaum berücksichtigt wurde. Eine kürzlich veröffentlichte Studie deutet jedoch darauf hin, dass die Tiere bereits vor etwa 30.000 Jahren in eine evolutionäre Sackgasse gerieten. Kältere Temperaturen und eine geringe, aber stetige Jagd durch den Menschen zwangen die Wollnashörner nach Süden. Am Ende der letzten Eiszeit waren sie in isolierten und suboptimalen Habitaten gefangen. Die geschwächten Populationen konnten schließlich nicht mehr in günstigere Lebensräume migrieren.

„Wir haben komplexe Computermodelle, Fossilien und fossile DNA genutzt, um die Metapopulationsdynamik der Wollnashörner über 52.000 Jahre kontinuierlich in bisher nicht gekannter Detailtiefe nachzuvollziehen“, berichtet Prof. Dr. Hervé Bocherens vom Senckenberg Centre for Human Evolution and Palaeoenvironment (SHEP) an der Universität Tübingen und fährt fort: „Durch kühler werdende Temperaturen und die anhaltende Jagd – in einigen Gebieten Eurasiens lieferten Wildtiere bis zu 30 Prozent der Proteinzufuhr der damaligen Menschen – schrumpften die Populationen und ihr Verbreitungsgebiet. Moderne Menschen, Neandertaler und andere Homininen lebten Zehntausende von Jahren mit den Wollnashörnern. Im Schnitt dezimierten sie deren Population in jeder Generation um zehn Prozent. Am Ende blieben vereinzelte Populationen übrig, die nach Süden gedrängt, isoliert und dadurch geschwächt waren. Mit der erneuten Erwärmung der Temperaturen zu Beginn des Holozäns vor 11.000 Jahren waren die Wollnashörner dann in klimatisch für sie suboptimalen Gebieten ‚gefangen‘ und verschwanden am Ende vollständig.“

In den Ergebnissen ihrer Studie sehen die Forschenden auch wichtige Hinweise für den Schutz heutiger großer Wildtiere. Durch die gravierenden Folgen von Landnutzungsveränderungen und der Jagd durch den Menschen kommen die meisten verbliebenen Arten der heutigen Megafauna nur noch in einem Bruchteil ihres historischen Verbreitungsgebiets vor. „Während es im späten Pleistozän noch 61 große Pflanzenfresser mit einem Gewicht von über 1.000 Kilogramm gab, leben heute nur noch acht solcher Arten. Fünf davon sind Nashörner, von denen vier gefährdet sind und drei sogar vom Aussterben bedroht“, erklärt Bocherens.

Die Tiere leben in stark fragmentierten und für sie eher ungünstigen Verbreitungsgebieten in Afrika und Asien. „Durch die Klimaerwärmung wird sich ihre Situation in den nächsten Jahren noch weiter verschlechtern. Wir brauchen dringend verstärkte Schutzmaßnahmen, um zu verhindern, dass die heutigen Nashörner dasselbe Schicksal erleiden wie ihre Verwandten, die Wollnashörner!“, schließt Bocherens.


Diese Newsmeldung wurde mit Material der Senckenberg Gesellschaft für Naturforschung via Informationsdienst Wissenschaft erstellt.

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