Ein Viertel aller fleischfressenden Pflanzen weltweit bedroht



Bio-News vom 24.09.2020

Ein internationales Forscherteam um SNSB-Botaniker Andreas Fleischmann hat den Rote-Liste-Naturschutzstatus und die Bedrohungen für alle bekannten 860 Arten von fleischfressenden Pflanzen im 21. Jahrhundert ermittelt. Diese Pflanzen reagieren besonders empfindlich auf menschengemachte Einflüsse wie Klimawandel, Lebensraumzerstörung und Umweltverschmutzung.

Um die weltweite Bedrohung von fleischfressenden Pflanzen in ihren Lebensräumen beurteilen zu können, hat ein internationales Forscherteam aus Australien, Brasilien und Deutschland alle bekannten 860 Arten von fleischfressenden Pflanzen nach den Rote-Liste-Kategorien der Internationalen Artenschutzkommission (IUCN) für bedrohte Arten klassifiziert. Im Rahmen der Arbeit wurden auch die Verbreitungsgebiete und Lebensräume der Pflanzen flächenmäßig erfasst, sowie Bedrohungen und Aussterberisiken für jede Art ermittelt.


Ein einzelnes verbliebenes Exemplar der Kannenpflanze Nepenthes neoguineensis in einer durch Bergbau zerstörten Region auf Papua-Neuguinea.

Publikation:


Cross, A.T., Krueger, T.A., Gonella, P.M., Robinson, A.S. & Fleischmann, A.
Conservation of carnivorous plants in the age of extinction

Global Ecology and Conservation: e01272

DOI: 10.1016/j.gecco.2020.e01272



„Durch unsere Arbeit konnten wir 100% aller weltweit bekannten fleischfressenden Pflanzen zusammen mit ihrem Rote-Liste-Naturschutzstatus erfassen“, so Seniorautor der Studie, Dr. Andreas Fleischmann, Botaniker an der Botanischen Staatssammlung München (SNSB-BSM) sowie dem GeoBio-Center der Ludwig-Maximilians-Universität (LMU) und Experte für diese Pflanzengruppe. „Diese Quote ist besonders erfreulich, da wir den Gefährdungsstatus bei den weltweit bekannten ca. 300.000 Blütenpflanzen nur von etwa 10% kennen.“

„Unsere Studie hat gezeigt, dass etwa 25% aller bekannten fleischfressenden Pflanzen heute ein erhöhtes Aussterberisiko haben“, so Dr. Adam Cross von der Curtin Universität in Westaustralien und Erstautor der Studie. „Nach Ländern geordnet finden sich heute die meisten vom Aussterben bedrohten fleischfressenden Pflanzen in Brasilien, gefolgt von Indonesien, den Philippinen, Kuba, Thailand und Australien. Diese Länder tragen eine besondere Verantwortung für den Erhalt der globalen Artenvielfalt von fleischfressenden Pflanzen. Hier handelt es sich vor allem um Arten, die meist nur in einem kleinen Gebiet in diesen jeweiligen Ländern vorkommen“, so Cross weiter.

Fleischfressende Pflanzen können mit ihren umgewandelten Blättern Insekten und andere Kleintiere anlocken, fangen und verdauen. Die so gewonnenen Nährstoffe verwenden sie für ihr Wachstum. Da fleischfressende Pflanzen natürlicherweise auf sehr nährstoffarmen Böden wachsen, dient ihnen die fleischliche Beikost als Zusatznahrung. Sie sind für ihr Überleben auf solche nährstoffarmen, sauberen und zumeist nassen Standorte angewiesen. Typische Lebensräume sind Moore, sauberen Quellbäche, nährstoffarme Gewässer, tropische Regenwälder oder auch nasse Felsen. Diese Spezialisierung ist für diese Pflanzen allerdings durch menschengemachte Einflüsse wie Klimawandel, Lebensraumzerstörung und Umweltverschmutzung zum Problem geworden.

Global gesehen stellen Flächenverbrauch durch intensive landwirtschaftliche Nutzung und Bauvorhaben die größte Bedrohung dar. Langfristig gesehen, vermuten die Forscher, werden Umweltveränderungen durch den Klimawandel zum Aussterben vieler fleischfressender Pflanzenarten führen. Ausgeprägte Hitze- und Dürreperioden machen diesen Pflanzen, die auf feuchte Böden und regelmäßige Wasserversorgung angewiesen sind, zu schaffen. Aber auch Umweltverschmutzung und der erhöhte Nährstoffeintrag in die nährstoffarmen Lebensräume der fleischfressenden Pflanzen, und die damit verbundene Überdüngung (Eutrophierung) ist ein kritischer Faktor.

Fleischfressende Pflanzen können nur auf nährstoffarmen Böden wachsen. Werden diese gedüngt, zum Beispiel mit Stickstoff, sterben diese Nährstoffspezialisten dort aus. Ein Problem ist die flächenweite Überdüngung der Landschaft mit Stickstoff aus der Luft, wie er aus Stäuben von Industrie, Verkehr und Landwirtschaft stammt. Es gibt Orte in Deutschland, in denen regnet jedes Jahr fast 10 Kilogramm Stickstoff pro Hektar auf den Boden – auch in abgelegenen Moorstandorten. Noch in den 1920er Jahren galt diese Menge an Stickstoff als jährliche Volldüngung für landwirtschaftliche Intensivflächen. Heute bekommen auch abgelegene Lebensräume diese Menge flächig ab. Dies wird vor allem für sensitive Spezialisten zum Problem“, so Andreas Fleischmann. “Unsere Studie bildet eine wichtige Grundlage, um die Vielfalt dieser Pflanzengrup-pe erhalten und schützen zu können.“


Diese Newsmeldung wurde mit Material Staatliche Naturwissenschaftliche Sammlungen Bayerns via Informationsdienst Wissenschaft erstellt.


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