Epigenetik: Sozialer Status hinterlässt Spuren im Erbgut von Tüpfelhyänen



Bio-News vom 30.03.2024

Forschende weisen in einer Untersuchung an jungen und erwachsenen freilebenden Tüpfelhyänen nach, dass sich Sozialverhalten und sozialer Status durch epigenetische Mechanismen auf molekularer Ebene im Erbgut niederschlagen. Sie analysierten nicht-invasiv gesammelte Proben der Darmschleimhaut von ranghohen und rangniedrigen Weibchen und zeigten, dass sich Rangunterschiede in dem Muster des An- oder Abschaltens von Genen in Erbgutregionen ausdrückten, die wichtige physiologische Prozesse wie Energieumwandlung und Immunantwort steuern.

Die Ergebnisse sollen dazu beitragen, die Rolle epigenetischer Mechanismen im Zusammenspiel von sozialen, ökologischen und physiologischen Faktoren im Leben eines sozialen Säugetiers besser zu verstehen.


Tüpfelhyänen am Gemeinschaftsbau des Clans im Serengeti-Nationalpark in Tansania.

Publikation:


Vullioud C, Benhaiem S, Meneghini D, Szyf M, Shao Y, Hofer H, East ML, Fickel J, Weyrich A
Epigenetic signatures of social status in female free-ranging spotted hyenas (Crocuta Crocuta)

Commun Biol 7, 313 (2024)

DOI: 10.1038/s42003-024-05926-y



Bei Säugetieren können das Sozialverhalten und der soziale Status das Überleben, die Fortpflanzungsleistung und die Gesundheit von Individuen stark beeinflussen. Es ist jedoch noch nicht vollständig geklärt, wie soziale und ökologische Faktoren in physiologische Prozesse übertragen werden und wie sich das dann in molekularen Prozessen widerspiegelt. Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler der Leibniz-IZW-Abteilung für Evolutionsgenetik und des Serengeti-Hyänenprojekts der Leibniz-IZW-Abteilung für Ökologische Dynamik fanden nun heraus, dass der soziale Status epigenetische Muster – insbesondere durch DNS-Methylierung – bei jungen und erwachsenen weiblichen Tüpfelhyänen (Crocuta crocuta) hinterlässt.


Safari mit Tüpfelhyänen.

Die Forschenden analysierten gemeinsam mit Kolleginnen und Kollegen DNS aus Zellen der Darmschleimhaut von 18 erwachsenen Hyänenweibchen und 24 Jungtieren mit bekanntem sozialem Status aus drei Clans im Serengeti-Nationalpark in Tansania. Sie identifizierten und validierten 149 Regionen, die bei ranghohen und rangniedrigen Individuen unterschiedlich methyliert waren (differentially methylated regions – DMRs). „Wir konnten erstmals epigenetische Signaturen sozialer Ungleichheit sowohl bei jungen als auch bei erwachsenen Tüpfelhyänen nachweisen“, sagt Dr. Alexandra Weyrich, Leiterin der Arbeitsgruppe „Wildtier-Epigenetik“ in der Leibniz-IZW-Abteilung für Evolutionsgenetik und Seniorautorin des Aufsatzes.

Die Ergebnisse zeigten, dass diese epigenetischen Signaturen über mehrere Lebensstadien hinweg stabil und mit wichtigen physiologischen Prozessen verbunden sind: Viele der identifizierten DMRs sind an der Regulierung der Energieumwandlung, der Immunantwort, der Signalgebung des Glutamatrezeptors und des Ionentransports beteiligt. „Besonders die große Anzahl von DMRs in Genen, die an der Energieumwandlung beteiligt sind, ist uns aufgefallen“, sagt Erstautor Colin Vullioud, Datenanalyst in Weyrichs Arbeitsgruppe. Co-Autorin Dr. Sarah Benhaiem, Co-Leiterin des Serengeti-Hyänen-Projekts, erklärt: „Wir vermuten, dass dies auf Unterschiede im Verhalten bei der Nahrungssuche zurückzuführen ist. Rangniedrige Weibchen müssen dafür häufiger lange Strecken zurücklegen – und haben daher einen erheblich höheren Energiebedarf für die Nahrungsbeschaffung – als ranghohe Weibchen, die Ressourcen in ihrem Clanterritorium monopolisieren.“

Interessanterweise waren diese Gene bei rangniedrigen Weibchen im Erwachsenenalter mehr methyliert („hypermethyliert“), nicht jedoch bei den Jungtieren. Dies passt insofern, da erst die erwachsenen Weibchen mit niedrigem Rang mit den hohen energetischen Kosten des häufigen Pendelns über große Entfernungen umgehen müssen – ein Verhalten, das die Jungtiere noch nicht zeigen. „Obwohl die genauen physiologischen Folgen der beobachteten Hypermethylierung noch untersucht werden müssen, stimmen diese Ergebnisse mit unseren Beobachtungen überein und weisen auf die gesuchte fehlende Verbindung zwischen sozialen und physiologischen Faktoren hin“, schließen Weyrich und Benhaiem.



Die Analysen bauen auf der epigenetischen Expertise des Leibniz-IZW sowie auf der bereits 1987 begonnenen Langzeitforschung an Tüpfelhyänen in der Serengeti auf. Die Weibchen in dieser Untersuchung sind individuell bekannt und die Forschenden verfolgen den sozialen Rang der Hyänen über Generationen hinweg. Dies bot ideale Bedingungen, um die Zusammenhänge zwischen epigenetischen Veränderungen, Verhalten, physiologischen Faktoren und Fitness im Sinne von Überleben und Fortpflanzung in einer Wildpopulation zu untersuchen.

„Wir haben unsere Proben gesammelt, ohne in das Leben der Hyänen einzugreifen“, sagen Dr. Marion L. East und Prof. Dr. Heribert Hofer, die das Serengeti-Hyänenprojekt des Leibniz-IZW begründeten. „Das Team folgte unseren Studientieren, sammelte frischen, dampfenden Kot unmittelbar nach seiner Produktion und sicherte Proben der Darmschleimhaut von dessen Oberfläche.“ Die Verwendung eines nicht-invasiv gesammelten Probenmaterials sei eine der Stärken der Untersuchung, stellen die Autorinnen und Autoren fest. „Die im nächsten Schritt von uns verwendete Capture-Methylierungsmethode reichert sowohl methylierte DNS als auch Säugetier-DNS an, was die Menge an Hyänen-DNS gegenüber bakterieller DNS und die Qualität der Sequenzierdaten verbesserte“, erklärt Weyrich.

Tüpfelhyänen sind sehr soziale Tiere und ein hervorragendes Beispiel für statusbedingte Unterschiede, die mit Unterschieden in physiologischen Prozessen und der Gesundheit einhergehen. In Hyänenclans dominieren Weibchen und ihr Nachwuchs alle neu einwandernden Männchen, wobei der soziale Status von den Müttern an die Jungtiere „vererbt“ wird. Die Jungtiere erhalten dadurch jene Privilegien, die mit dem Rang ihrer Mutter verbunden sind. „Wie bei einigen Affenarten erhalten junge Hyänen von ihren Müttern soziale Unterstützung bei Interaktionen mit Gruppenmitgliedern und lernen dabei, dass sie alle Individuen dominieren können, die ihrer Mutter untergeordnet sind. Sie werden aber zugleich von jenen dominiert, denen ihre Mutter untergeordnet ist“, erklärt East. Der soziale Status ist also stabil und vorhersehbar, weil er durch Familienbeziehungen und Verhaltenskonventionen bestimmt wird.

„Außerdem werden die Auswirkungen des sozialen Status auf den Lebensverlauf und die Gesundheit typischerweise über Generationen hinweg weitergegeben“, ergänzt Hofer. Beispielsweise haben Weibchen mit hohem Rang vorrangigen Zugang zu den Ressourcen im Clanterritorium und müssen nicht so weite Wege zurücklegen wie rangniedrige Weibchen, um Nahrung zu finden. Sie sind daher viel häufiger im Gemeinschaftsbau anwesend und säugen ihre Jungen häufiger. Die von der Milch abhängigen Jungtiere profitieren in dieser frühen Phase ihres Lebens überproportional – sie wachsen schneller, haben eine höhere Überlebenschance und starten früher mit der Fortpflanzung als der Nachwuchs rangniedriger Weibchen.


Diese Newsmeldung wurde mit Material des Leibniz-Instituts für Zoo- und Wildtierforschung (IZW) im Forschungsverbund Berlin e.V. via Informationsdienst Wissenschaft erstellt.


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