Küstennahe Ökosysteme: Wie junge Fische Plastik zu sich nehmen



Bio-News vom 16.06.2023

In einer neuen Studie weist eine Meeresbiologin die Aufnahme von Mikroplastikteilchen bei jungen Meerbrassen nach. Gleichzeitig untersucht sie, welche Umweltfaktoren darüber entscheiden, ob die Jungstadien der Fische das Plastik zu sich nehmen.

Küstennahe Ökosysteme, wie Lagunen und Flussästuare, sind wichtige Kinderstuben für eine Vielzahl kommerziell bedeutender Fischarten. In den Seegraswiesen der Lagunen finden die Fische Schutz und Futter und damit ideale Bedingungen zum Aufwachsen. Gleichzeitig gelangt aber auch ein Großteil der Kunststoffverschmutzung über die Flüsse und Küsten ins Meer – dabei können Seegraswiesen oder Algenwälder wie Netze wirken, in denen die Plastikteile hängen bleiben.


An der Algarveküste schwimmen häufig Meerbrassen verschiedener Arten zusammen über Seegraswiesen oder mit Algen bewachsenen Felsen.

Publikation:


Müller, C., Erzini, K., Dudeck, T. et al.
Variability of prey preferences and uptake of anthropogenic particles by juvenile white seabream in a coastal lagoon nursery ground

Environ Biol Fish (2023)

DOI: 10.1007/s10641-023-01423-z



Die Meeresbiologin Carolin Müller vom ZMT untersuchte gemeinsam mit Kolleginnen und Kollegen des Centro de Ciências do Mar in Portugal in einer Studie über Meerbrassen, welche Umweltfaktoren darüber entscheiden, ob die Jungstadien der Fische das Plastik zu sich nehmen: „Insbesondere die Larven und jungen Fische, die den Engpass bei der Entwicklung von Fischpopulationen darstellen, sind sehr empfindlich gegenüber Umweltstress. Die jungen Meerbrassen sind außerdem Allesfresser und könnten deshalb besonders anfällig für die Aufnahme von Plastik sein,“ erklärt sie. Man wisse immer noch zu wenig darüber, wie sich Kunststoff auf Fische und ihre sensiblen Jungen auswirke.


Vermüllte Strände sind auch rund um die Ria Formosa ein Problem, das nicht nur den Tourismus stört. Wie sich die Plastikverschmutzung auf Jungfische auswirkt, die in der Lagune aufwachsen, ist eine wichtige wissenschaftliche Fragestellung.

Carolin Müller und ihr Team nahmen sich für ihre Studie Geißbrassen vor. Das ist eine von mehreren Meerbrassen-Arten, die in der Ria Formosa, einer Lagune an der Algarve im Süden Portugals, ihre Kinderstube hat. Meerbrassen kommen sowohl in tropischen als auch gemäßigten Gewässern des Atlantischen, Indischen und Pazifischen Ozeans vor. Auch im Mittelmeer sind die beliebten Speisefische weit verbreitet.

Über mehrere Monate nahmen die Forschenden Proben an fünf Standorten, die dem Einfluss des Menschen unterschiedlich stark ausgesetzt waren. Dort fingen sie junge Meerbrassen und untersuchten anschließend Größe, Gewicht und Mageninhalt der Fische, um Aufschluss über ihre Nahrungsvorlieben zu gewinnen. Zudem sammelten sie eine Vielzahl an Daten, unter anderem zu den Beuteorganismen der Brassen sowie zur Verschmutzung mit Mikroplastik im Wasser und am Meeresboden.

Wie sich zeigte, nutzten die jungen Fische ein breites Nahrungsspektrum. So fraßen manche hauptsächlich kleine Krebstiere wie Ruderfußkrebse, andere vor allem Insekten von der Wasseroberfläche. Wieder andere fraßen mit Vorliebe Würmer und weitere Wirbellose vom Meeresboden oder ernährten sich vegetarisch von Algen und Seegras.

Doch auch Plastikpartikel fanden sich in den Mägen der Fische, insbesondere bei solchen, die hauptsächlich pflanzliche Nahrung aufgenommen hatten. „Prinzipiell sind junge Meerbrassen durchaus in der Lage, Fressbares von nicht Fressbarem zu unterscheiden. Sie können mit ihren Zähnen Muscheln knacken und die Schalenbruchstücke ausspucken. Diese besondere Fähigkeit ermöglicht es ihnen auch, größere, härtere Plastikfragmente von natürlicher Beute zu unterscheiden und wieder auszuspucken“, erklärt Carolin Müller.

Und weiter: „Die Kunststofffasern in den Mägen mancher Fische waren häufig in Knäueln mit Seegras und anderen pflanzlichen Materialen verwoben. Wir gehen davon aus, dass dieses Plastik unbemerkt mitgefressen wurde.“ Fische, die näher an urbanen Räumen wie Städten oder Strandsiedlungen lebten, hatten auch mehr Plastik aufgenommen, da die Belastung mit Kunststoffen dort höher war.

Fressen Fische größere Mengen an Plastik und wird dadurch die Nahrungsaufnahme beeinträchtigt, kann dies gesundheitliche Schäden bis hin zum Tod nach sich ziehen. Wichtige Einblicke in ihre Ernährungsbiologie sind daher notwendig, um zu verstehen, welche Faktoren bei der Aufnahme eine Rolle spielen, und welche Lebensstadien und Populationen besonders anfällig für Kunststoffverschmutzung sind. Letztendlich kann die Beeinträchtigung der Jungfische durch ein Zusammenspiel von Umweltverschmutzung, Klimawandel und Zerstörung von Habitaten erhebliche Auswirkungen auf die Küstenfischbestände haben und damit die Lebensgrundlage von Millionen von Menschen gefährden.

Carolin Müller plant weitere Studien zu dem Thema: „Wir konzentrieren uns auf kommerziell bedeutende Arten wie Sardellen und Sardinen, die sich in ihrer Ernährungsweise als Filtrierer deutlich von den Meerbrassen unterscheiden. Die wenig wählerische Art ihrer Futteraufnahme macht diese Fische eventuell anfälliger für Kunststoffverschmutzung. Gleichzeitig untersuchen wir auch die Aufnahme von Mikroplastik durch Fischarten, die zwischen Oberflächenwasser und Tiefsee wandern und möglicherweise ein Transportvehikel für Kunststoffteilchen sind.“


Diese Newsmeldung wurde mit Material des Leibniz-Zentrums für Marine Tropenforschung (ZMT) via Informationsdienst Wissenschaft erstellt.


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