Parasit manipuliert Algenstoffwechsel für eigene Ausbreitung
Bio-News vom 30.10.2019
Forscherinnen und Forscher des Max Planck Instituts für chemische Ökologie und der Universitäten in Jena und Frankfurt zeigen in einer neuen Publikation in Nature Communications, dass ein krankheitserregender Pilz den Stoffwechsel einzelliger Kieselalgen für eigene Zwecke verändert. Es werden kleine bioaktive Stoffe gebildet, die der Pilz für seine eigene Ausbreitung nutzt, während die Vermehrung der Algen verhindert wird und der Algenteppich schließlich schrumpft und stirbt.
Immer wieder kann es in Ozeanen zu einer Massenvermehrung von Algen kommen. Dadurch werden viele andere Lebewesen anlockt, die manchmal das Ende der gesamten Algenpopulation herbeiführen können. Der zugrundeliegende Mechanismus war jedoch bislang unbekannt. Forscherinnen und Forscher des Max-Planck-Instituts für chemische Ökologie und der Universitäten in Jena und Frankfurt zeigen in einer neuen Publikation in Nature Communications, dass ein krankheitserregender Pilz den Stoffwechsel einzelliger Algen für eigene Zwecke verändert: Es werden kleine bioaktive Stoffe gebildet, die der Pilz für seine eigene Ausbreitung nutzt, während die Vermehrung der Algen verhindert wird und der Algenteppich schließlich schrumpft und stirbt.
Publikation:
Vallet, M., Baumeister, T. U. H., Kaftan, F., Grabe, V., Buaya, A., Thines, M., Svatoš, A., Pohnert, G.
The oomycete Lagenisma coscinodisci hijacks host alkaloid synthesis during infection of a marine diatom
Nature Communications
DOI: 10.1038/s41467-019-12908-w
Eipilze – Oomycenten - sind dafür bekannt, dass sie viele gefährliche Krankheiten in Pflanzen und Tieren verursachen. Auch Fische und Algen werden von ihnen befallen, doch die Beziehungen zwischen diesen Kleinstlebewesen und Meeresalgen sind immer noch wenig erforscht. Bislang wissen wir kaum etwas darüber, warum manche Arten sich erst stark vermehren und dann wieder verschwinden. Eine Hypothese ist, dass Mikroorganismen im Meer chemische Signalstoffe produzieren, die an der Verteidigung, Paarung und Kommunikation zwischen Lebewesen beteiligt sind. Um solche Substanzen zu identifizieren, haben Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler des Max Planck Institut für chemische Ökologie und der Universitäten in Jena und Frankfurt im Labor ein System etabliert, bei dem der Eipilz Lagenisma coscinodisci unter kontrollierten Bedingungen eine marine Kieselalge infiziert.
Die Forscherinnen und Forscher stellten fest, dass während des Infektionsprozesses zwei neue Substanzen, sogenannte Carboline, aus der Klasse der Alkaloide, zu denen auch Nikotin und Koffein gehören, neu gebildet werden. Insbesondere eine der beiden Substanzen reichert sich nach Befall mit dem Eipilz stark an. „Die Anwesenheit dieser Carboline hat uns überrascht. Ihre Bildung war bei Kieselalgen völlig unbekannt, sie wurden aber während des Befalls mit dem Eipilz von allen Algenzellen gebildet”, erläutert Marine Vallet, eine der beiden Hauptautorinnen der neuen Studie. Interessanterweise nutzten diese beiden Substanzen nur dem Eipilz, schadeten jedoch der Alge und töteten sie letztlich ab.
Es ist nicht einfach, ein solches System zu untersuchen, denn diese Schaderreger töten ihren Wirt innerhalb von nur wenigen Stunden. „Eipilze sind dafür bekannt, dass sie verschiedene Formen annehmen können: Oft sind sie nur als winzige Sporen in ihrem Wirt zu finden. Manchmal fügen sie gar keinen Schaden zu und „schlafen“ quasi in ihrem Wirt. Andererseits können sie aber auch ein Massensterben der Zellen auslösen. Diese Prozesse führen zu einer starken Schwankung von dominanten Arten im Ozean“, beschreibt Tim Baumeister, weiterer Hauptautor, die Herausforderungen, die es zu Beginn der Arbeit zu meistern galt.
Mit Hilfe von hochauflösenden spektrometrischen Methoden zur Trennung und Bestimmung von kleinen Substanzen aus komplexen Mischungen kombiniert mit mikroskopischen Techniken gelang es, die aktiven chemischen Verbindungen, die eine einzelne Algenzelle produziert, zu identifizieren. „Dabei muss man sich vor Augen führen, dass eine einzelne Zelle 30mal kleiner als ein Stecknadelkopf ist und verglichen mit der Menge an Meerwasser nur ganz geringe Konzentrationen aller Stoffe vorliegen. Die Chemie in einer einzelnen Zelle aufzuklären, ist eine große technische Errungenschaft“, führt Georg Pohnert, Leiter der Max-Planck-Fellow-Gruppe Interaktion in Plankton-Gemeinschaften und Professor für Instrumentelle Analytik an der Universität Jena, aus.
In weiteren Studien möchten die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler herausfinden, wie sich die Kieselalgen gegenüber einem Angriff dieser Erreger wehren können, denn es ist bekannt, dass nicht alle Kieselalgenarten gleichermaßen anfällig sind. Aber es gibt im Hinblick auf Kieselalgen und ihre vielfältigen Wechselwirkungen mit ihrer Umwelt noch extrem viele weitere ungeklärte Fragen und Signalstoffe, die noch identifiziert werden müssen. „Das Meer ist ein Schatz, den man schützen muss. Es gibt noch viele fantastische Entdeckungen, die uns dort erwarten!“, schließt Marine Vallet.
Diese Newsmeldung wurde mit Material des Max-Planck-Instituts für chemischen Ökologie via Informationsdienst Wissenschaft erstellt.