Schneller Klimawandel macht Muscheln seit 66 Millionen Jahren zu schaffen



Bio-News vom 26.03.2019

Eine Wissenschaftlerin des Senckenberg Biodiversität und Klima Forschungszentrums hat herausgefunden, dass in der Vergangenheit überdurchschnittlich viele Muscheln in Zeiträumen ausstarben, in denen sich das Klima sehr schnell veränderte. Dabei war es nicht ausschlaggebend, ob sich die Meere erwärmten oder abkühlten. Für die im Fachjournal „Integrative and Comparative Biology” veröffentlichte Studie wertete sie gemeinsam mit Forschenden anderer Institutionen Daten zu Muschelgattungen und Meerestemperaturen während der letzten 66 Millionen Jahre aus.

Muscheln bevölkern seit Jahrmillionen die Weltmeere und haben im Zuge dessen schon verschiedene Klimaveränderungen erlebt. Dabei hatten die meisten ihrer Vertreter ein beachtliches Handicap: Sie sind nur begrenzt mobil. Wenn sich ihre Umgebung zu ihren Ungunsten veränderte, starben die Individuen daher meist an Ort und Stelle aus.

„Schlecht für die Muschel, gut für die Wissenschaft, denn es gibt relativ viele Muschelfossilien, anhand derer man untersuchen kann, wie das Aussterben von Wirbellosen im Meer und der Klimawandel zusammenhängen”, so Dr. Shan Huang, Wissenschaftlerin am Frankfurter Senckenberg Biodiversität und Klima Forschungszentrum.


Vertreter der Klasse der Muscheln (Bivalven) haben während der letzten 66 Millionen Jahre mehrere Klimaveränderungen erlebt.

Publikation:


Edie, S.M, Huang, S., Collins, K.S., Roy, K. and Jablonski, D.
Loss of Biodiversity Dimensions through Shifting Climates and Ancient Mass Extinctions

Integrative and Comparative Biology

DOI: 10.1093/icb/icy111



Gemeinsam mit Kollegen der Universität Chicago und der Universität von Kalifornien, San Diego, wertete Huang Daten von rund 1.500 Muschelgattungen aus. Alle untersuchten Gattungen haben während des Känozoikums (vor 66 Millionen Jahren bis heute) Meerestiefen bis 200 Meter besiedelt oder besiedeln sie heute noch. Das Team analysierte, wann und wie viele der Muschelgattungen ausstarben, und setzte dies in Beziehung mit der damaligen Meerestemperatur sowie der Geschwindigkeit der Temperaturänderung auf verschiedenen Zeitskalen.

Die Auswertung zeigt, dass das Aussterben von Muschelgattungen überwiegend davon abhing, wie schnell sich das Klima veränderte. „Wir haben zwei Muster entdeckt. Wenn sich die Temperatur innerhalb eines Zeitraums von circa zwei Millionen Jahren besonders schnell änderte – egal ob sie vergleichsweise stark stieg oder sank – verschwanden gleichzeitig mehr Muschelgattungen. Zweitens spielten Langzeiteffekte eine Rolle: Mehr Muschelgattungen starben aus, wenn sich die Meerestemperatur von einem solchem Zeitraum bis zum nächsten Zwei-Millionen-Jahre-Zeitraum stark veränderte“, erklärt Huang.

Detailierte Analysen zeigten zudem, dass sich der Klimawandel in verschiedenen von Muscheln besiedelten Regionen unterschiedlich auswirkte. Die Klimaveränderungen während der letzten 66 Millionen Jahre führten dazu, dass überproportional viele Muscheln in den hohen Breitengraden ausstarben. Die Effekte sind heute noch spürbar, denn die Anzahl der Muschelarten und vieler anderer Arten ist in hohen Breitengraden sehr viel geringer als in den Tropen.

Aus der Vergangenheit lässt sich daher schließen, dass der Verlust biologischer Vielfalt höher ist, wenn sich die Temperatur schneller verändert. Das höchste Aussterberisiko haben laut der Studie Gattungen, die in hohen Breitengraden leben. Aber dieser vorausschauende Rückblick in die Vergangenheit hat auch einen entschiedenen Nachteil: Den heutigen Zustand der Ozeane, den der Mensch unter anderem durch Verschmutzung und Überfischung entscheidend beeinflusst hat, hat es in der Vergangenheit bislang noch nie gegeben.

„Außerdem ist die Zu- und Abnahme von Muschelgattungen im Känozoikum nicht vollständig mit Klimaveränderungen erklärbar. Es müssen noch andere Kräfte eine Rolle gespielt haben. Um besser vorhersagen zu können, wie sich die globale Erwärmung auf Muscheln und andere wenig bis kaum mobile marine Arten auswirkt, ist es deshalb wichtig, detaillierte vergleichende paläontologische Forschung zu diesem Thema zu betreiben“, so Huang.


Diese Newsmeldung wurde via Informationsdienst Wissenschaft erstellt.


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