Verlust der Tierwelt in tropischen Wäldern



Bio-News vom 27.05.2021

Eine neue Untersuchung betrachtet den Zusammenhang zwischen zunehmend tierleeren Tropenwäldern und den UN-Zielen für nachhaltige Entwicklung. In der FStudie zeigen Forschende auf, wie der Verlust einer reichhaltigen und vielfältigen Tierwelt die Ernährungssicherheit untergräbt, das Risiko des Ausbruchs von Infektionskrankheiten erhöht, die Kapazität für die Kohlenstoffspeicherung verringert und somit Grundpfeiler der nachhaltigen globalen Entwicklung schwächt.

Der gegenwärtige Verlust biologischer Vielfalt ist beispiellos und die Geschwindigkeit des Artensterben übersteigt vergleichbare natürliche Prozesse um ein Vielfaches. Maßgeblich verursacht durch menschliche Eingriffe ist dieser Verlust an Fülle und Vielfalt der Tierwelt in den Tropen besonders ausgeprägt, obgleich nicht darauf beschränkt. Eine neue Untersuchung von Wissenschaftlern des Leibniz-Instituts für Zoo- und Wildtierforschung (Leibniz-IZW) und des Lund University Centre for Sustainability Studies (LUCSUS) betrachtet nun den Zusammenhang zwischen zunehmend tierleeren Tropenwäldern und den UN-Zielen für nachhaltige Entwicklung.

In der Fachzeitschrift „Ambio“ zeigen sie auf, wie der Verlust einer reichhaltigen und vielfältigen Tierwelt die Ernährungssicherheit untergräbt, das Risiko des Ausbruchs von Infektionskrankheiten erhöht, die Kapazität für die Kohlenstoffspeicherung verringert und somit Grundpfeiler der nachhaltigen globalen Entwicklung schwächt. Aufgrund dieser Einsichten drängen sie darauf, der „Defaunation“ mehr Aufmerksamkeit in der interdisziplinären Forschung, der Forstpolitik und dem Naturschutz zu schenken.


Serow im Truong-Son-Gebirge

Publikation:


Krause T, Tilker A
How the loss of forest fauna undermines the achievement of the SDGs
Ambio

DOI: 10.1007/s13280-021-01547-5



Die sogenannte „Defaunation“ ist ein schleichender, unbemerkter Prozess in tropischen Wäldern. Er bezeichnet den Verlust der Vielfalt in der Tierwelt durch regionales oder globales Aussterben von Arten und die erheblichen Bestandsrückgänge zahlreicher Arten, so dass diese ihre ökologischen Funktionen nicht mehr ausreichend ausfüllen können. „Ein leerer Wald unterscheidet sich fundamental von einem Wald mit einer gesunden Tiergemeinschaft. Was unter dem Kronendach der verbleibenden Tropenwälder der Welt passiert, ist von größter Bedeutung für das Erreichen der Nachhaltigkeitsziele der Vereinten Nationen“, sagen Torsten Krause vom LUCSUS und Andrew Tilker vom Leibniz-IZW. Die Wissenschaftler untersuchten den Zusammenhang zwischen dem Verlust der Tierwelt in den Tropen und vier der 17 Nachhaltigkeitsziele der VN und analysierten die sozialen und ökologischen Auswirkungen der „Defaunation“ auf lokaler und globaler Ebene.


Amazonas-Regenwald.

Sie zeigten, dass dieser Prozess kritische ökologische Funktionen bedroht und das menschliche Wohlbefinden auf vielen Ebenen gefährdet:

  • Ernährung sichern (Ziel 2):
  • Wildfleisch ist eine wichtige Nahrungsquelle für die lokale Bevölkerung, die innerhalb oder in unmittelbarer Nähe von Tropenwäldern leben und häufig darauf angewiesen sind. Der Verlust an Fauna erhöht die Wahrscheinlichkeit von Hunger, verstellt den Zugang zu sicherer, nahrhafter und ausreichender Nahrung während des ganzen Jahres und befördert die Unterernährung von Kindern – eine Situation, dessen Beendigung in den Teilzielen von Ziel 2 formuliert wurden. „Dies ist insofern besonders wichtig, weil diese Abhängigkeit von Wildfleisch auch als Treiber für den Raubbau an der Waldfauna wirken kann“, sagt Tilker.

    Die tropischen Waldtiere spielen zudem eine Schlüsselrolle bei der Bestäubung, so dass ein Verlust von Insekten, Fledermäusen oder Vögeln den Ertrag von Nicht-Holz-Waldprodukten wie Früchten oder Nüssen bedrohen kann – eine weitere, wenig erforschte Säule für Nahrungssicherheit und Gesundheit in den Tropen.

  • Gesundes Leben für alle (Ziel 3):
  • Die vergangenen 18 Monate haben gezeigt, wie relevant der Wildtierhandel und Verzehr von Wildtieren für die öffentliche Gesundheit weltweit sein können: Wildtiere sind Wirte von und können zahlreiche, für Menschen schädliche und potenziell tödliche Krankheitserreger übertragen. „Es gibt immer mehr Beweise dafür, dass der Verlust der Tropenwaldfauna die Ausbreitung von Wirts-, Parasiten- und Vektorspezies signifikant erhöht und damit einen besseren Kontakt zu Menschen und eine größere Häufigkeit von Ausbrüchen von Infektionskrankheiten ermöglicht“, erklärt Krause. „Für die globale Gesundheit ist es deshalb von zentraler Bedeutung, dass Wildtiergemeinschaften in tropischen Wäldern gesund sind und relativ ungestört bleiben.“ Eine artenreiche und widerstandsfähige Waldfauna ist häufig von hoher kultureller Bedeutung für die lokale Bevölkerung und dient als Inspirationsquelle in Kunst und Literatur – und trägt dazu bei, die psychische Gesundheit und das Wohlbefinden im Sinne von Ziel 3 zu fördern.
  • Klimawandel und seine Folgen (Ziel 13):
  • Wälder sind eine der wichtigsten terrestrischen Kohlenstoffsenken der Welt. Der Erhalt und Schutz gesunder Waldökosysteme ist daher entscheidend für die Abschwächung des Klimawandels. Die Intaktheit der Tierartengemeinschaften spielt für diese Funktion von Waldökosystemen eine entscheidende Rolle, da es eine Vielzahl ökologischer Wechselwirkungen zwischen Pflanzen und Tieren gibt. „Der Verlust der tropischen Waldfauna beeinträchtigt diese Wechselwirkungen. Leere Wälder sind viel weniger widerstandsfähig, weil es zum Beispiel keine Samenverbreiter gibt“, erklärt Tilker. Jüngste Untersuchungen hätten einen direkten Zusammenhang von Tierartenvielfalt und der Fähigkeit von CO2-Bindung nachgewiesen: Wenn die Zahl der Bäume mit großen Samen, die nur von Tieren verbreitet werden, abnimmt, speichern Wälder weniger Kohlenstoff. „Gibt es weniger Tiere und Tierarten im Wald, stellt dies eine indirekte, aber signifikante Bedrohung für die Bemühungen zur Bekämpfung des Klimawandels dar.“
  • Landökosysteme schützen (Ziel 15):
  • Der Verlust der Fauna in den Tropenwäldern der Welt steht in direktem Zusammenhang mit der Fähigkeit, terrestrische Waldökosysteme und deren Biodiversität zu schützen und in Zukunft nachhaltig zu nutzen. Die „Defaunation“ ist also eine direkte Bedrohung für die Unterziele 15.2 (nachhaltige Bewirtschaftung aller Art von Wäldern fördern, die Entwaldung stoppen, degradierte Wälder wiederherstellen und die Aufforstung und Wiederaufforstung weltweit erheblich steigern) und 15.5 (Maßnahmen ergreifen, um die Degradierung natürlicher Lebensräume zu verringern, den Verlust der biologischen Vielfalt zu stoppen, bedrohte Arten zu schützen und ihr Aussterben zu verhindern). „In diesem Kontext ist tatsächlich das primäre Ziel der Stopp der Verluste des Tierreichtums tropischer Wälder und damit ein grundlegender Pfeiler für die nachhaltige globale Entwicklung“, so Krause und Tilker.

    Angesichts dieser Einsichten müsse dem Verlust der Tierwelt in den Tropenwäldern in der Forschung, der Umweltpolitik und im Naturschutz auf globaler und lokaler Ebene mehr Aufmerksamkeit geschenkt werden, schlussfolgern die Wissenschaftler. Da die Folgen der Verarmung der Tierwelt in den Tropen weitreichend, einzigartig und komplex sind – wie das Wildfleisch-Dilemma verdeutlicht – ist mehr interdisziplinäre Forschung notwendig, um die Auswirkungen des Prozesses vollständig zu verstehen.


    Es sollten also ganzheitliche, ortsbezogene Schutzansätze entwickelt werden, um die „Defaunation“ abzuschwächen oder zu stoppen. Die lokale Bevölkerung und ihre Wirtschaft müssten eine wichtige Rolle in der Ausgestaltung von Schutzstrategien spielen. „Defaunation“ wurde auch in der Forstpolitik bisher weitgehend übersehen und sollte in den Strategien zur Waldbewirtschaftung häufiger direkt angesprochen werden, zum Beispiel durch die Einbeziehung der Fauna in die waldbezogene globale Klimafinanzierung. Nicht zuletzt seien wirksame Maßnahmen zur Eindämmung und Kontrolle des kommerziellen Handels mit tropischen Wildtieren ein wichtiger Eckpfeiler, um einen weiteren Niedergang von Tierdiversität und -häufigkeit in Waldökosystemen zu bekämpfen, so Krause und Tilker.


    Diese Newsmeldung wurde mit Material des Leibniz-Instituts für Zoo- und Wildtierforschung (IZW) im Forschungsverbund Berlin e.V. via Informationsdienst Wissenschaft erstellt

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