Wertvoller Genpool: Wildtomaten



Bio-News vom 28.09.2020

Wildtomaten stellen einen wertvollen Genpool für agronomisch und ernährungsphysiologisch wichtige Merkmale dar. Dazu gehören z. B. eine bessere Anpassung an widrige Umgebungsbedingungen oder die Resistenz gegen bestimmte Krankheitserreger. Während der Domestikation sind diese oft verloren gegangen. Ein internationales Forscherteam, zu dem Wissenschaftler des IPK und des Weizmann-Institutes für Wissenschaften in Israel gehörten, nutzte eine Introgressionspopulation einer wildwachsenden und einer domestizierten Tomate, um die Übertragung und Wirkung von Merkmalen aus der wildverwandten Tomate im Detail zu untersuchen.

Die Domestizierung und anschließende intensive Züchtung der Tomate hatte Einfluss auf die Fruchtreifung und wichtige Stoffwechselwege. Moderne Tomatensorten weisen viele gewünschte Merkmale auf, die unter anderem die Beschaffenheit der Früchte, die Fruchtgröße und deren Pigmentierung, aber auch Aromen und damit einhergehende geschmackliche Veränderungen betreffen. Gleichzeitig führte die kontinuierliche Selektion durch die Züchtung zu einer reduzierten genetischen Vielfalt und Eliminierung wichtiger Fruchteigenschaften, etwa in Bezug auf die Robustheit der Pflanzen gegen Trockenstress oder Pathogene.


Die Vielfalt macht den Unterschied - auch bei Tomaten.

Publikation:


Szymanski, Bocobza, Panda et al.
Analysis of wild tomato introgression lines elucidates the genetic basis of transcriptome and metabolome variation underlying fruit traits and pathogen response

Nature Genetics

DOI: 10.1038/s41588-020-0690-6



In der vorliegenden Studie nutzten die Wissenschaftler genetische Ressourcen in Kombination mit multimodalen Methoden für eine tiefgreifende molekulare und phänotypische Charakterisierung - eine integrative QTL-Analyse. QTL sind quantitative Merkmalsausprägungen (Quantitative Trait Loci), die mit definierten Regionen im Genom korreliert sind, also eine statistische Wahrscheinlichkeit von Genfunktionen in einem chromosomalen Bereich.

Die in der Studie untersuchte Population umfasste 580 Introgressionslinien, die im Labor von Prof. Dani Zamir von der Hebräischen Universität in Jerusalem entwickelt wurden. Jede dieser Linien trägt ein kleines Fragment der Wildtomate Solanum pennellii im Hintergrund der Kulturtomatensorte „M82“. Das Team von Prof. Asaph Aharoni vom Weizmann-Institut erstellte nun in verschiedenen Entwicklungsstadien ein multimodales Profil von Früchten der gesamten Population, einschließlich RNA-Sequenzierung, Massenspektrometrie-basierter Metabolomik und Pathogen-Sensitivitätstests.

Die daraus resultierende immense Datenbasis wurde in einer mehrstufigen QTL-Analyse verwendet und erlaubte es Dr. Jedrzej Jakub Szymanski, Leiter der Forschungsgruppe "Netzwerkanalyse und Modellierung" am IPK und ehemaliger Mitarbeiter im Labor von Prof. Aharoni, kausale Zusammenhänge zwischen genetischer Sequenzvariation, quantitativen Veränderungen in der Genexpression und auf Metabolitenebene sowie Veränderungen komplexer phänotypischer Merkmale aufzuzeigen.

Aus Hunderten identifizierten Interaktionen wählte das Team mehrere interessante Kandidaten aus. „Zusammen mit unserem Kollegen aus dem Labor von Prof. Asaph Aharoni vom Weizmann-Institut konzentrierten wir uns auf den Einfluss der S. pennellii-Gene auf für die Ernährung relevanten sekundären Inhaltsstoffe sowie die Resistenz gegen Pathogene - zwei sehr gegensätzliche biochemische Eigenschaften von wilden und domestizierten Tomatenarten“, sagt Dr. Jedrzej Jakub Szymanski.

Das Forscherteam identifizierte einen enzymatischen Schritt in einem theoretisch vorhergesagten Stoffwechselweg. “α-Tomatin“ aus der Gruppe der Solanum-Alkaloide gilt als Anti-Ernährungs- und gleichzeitig als Abwehr-Alkaloid. Dieses kommt vor allem in unreifen, noch grünen Tomaten vor. Während der Fruchtreifung wird dieses Alkaloid in Eskuloside und Lycoperoside umgewandelt. „Diese chemische Veränderung ist wichtig, um die Bitterkeit, welche das α-Tomatin verursacht, zu reduzieren. Dadurch verringert sich jedoch der Gehalt an antibakteriell wirkenden Metaboliten“, sagt Dr. Szymanski, der die Arbeiten an diesem Projekt am Weizmann-Institut begann und dann am IPK fortführte.

Darüber hinaus wurden Genorte und Gene definiert, die mit der Akkumulation von gesundheitsfördernden Flavonoiden, darunter Farbstoffen im Fruchtschalengewebe, in Verbindung stehen. Beobachtete Veränderungen der Genexpression und des Stoffwechsels, z.B. die Akkumulation von Abwehrmetaboliten, wirkten sich auf die Pathogenresistenz aus.

„In unserer Studie beobachteten wir, dass sich die erhöhte Resistenz von Früchten gegen einen verbreiteten Pilzpathogen B. cinerea auf mehreren Ebenen der zellulären Reaktion dokumentierte - in Variationen der genetischen Information, der Expression von Genen, aber auch der Anhäufung spezifischer Metaboliten. Die Vernetzung dieser Elemente zeigt die Veränderungen auf molekularer Ebene, hin zu makroskopisch beobachtbaren Effekten, dem Phänotyp einer Merkmalsausprägung, auf. Diese sind einerseits für das Überleben der Pflanze, aber natürlich auch für den kommerziellen Erfolg wichtig“, sagt Dr. Szymanski.

Der in der Studie generierte große Datensatz stellt eine einzigartige Ressource für die Forschungsgemeinschaft dar. „Während wir beispielhaft nur einige wenige Kandidatengene und Metaboliten eingehend charakterisieren konnten, kann der Datensatz potenziell für Dutzende, wenn nicht gar Hunderte weitere Kandidaten genutzt werden“, sagt Dr. Szymanski.

Die Erforschung des Weges von der Wild- zur Kulturfrucht ist für ein umfassendes Verständnis des Stoffwechsels und des Einflusses der menschlichen Selektion auf positive und negative Qualitätsmerkmale von Früchten unerlässlich. „Wir gehen davon aus, dass die durch diese Studie geschlussfolgerten Genotyp-Phänotyp-Assoziationen einen bedeutenden Beitrag zu den gegenwärtigen molekularen Züchtungsbemühungen leisten werden, um der Eliminierung von Schlüsselmerkmalen der Fruchtqualität wie Geschmack, aber auch Pathogenresistenz entgegenzuwirken.“


Diese Newsmeldung wurde mit Material des Leibniz-Instituts für Pflanzengenetik und Kulturpflanzenforschung via Informationsdienst Wissenschaft erstellt.

Mehr zu den Themen


warte
warte
warte
warte
warte
warte
warte
warte
warte
warte