Wie neue Arten entstehen
Bio-News vom 30.01.2019
Internationales Forscherteam rekonstruiert die Evolutionsgeschichte von Pavianen.
Das Leben auf der Erde ist komplex und vielfältig. Im Laufe der Evolution sind immer neue Arten entstanden, die an eine sich stetig verändernde Umwelt angepasst sind. Mit modernen genetischen Analysen können Forscher heute die Erbinformation von Organismen vollständig entschlüsseln, um deren Entwicklungsgeschichten und Anpassungen besser zu verstehen. Ein internationales Forscherteam, dem auch Wissenschaftler des Deutschen Primatenzentrums (DPZ) – Leibniz-Institut für Primatenforschung angehören, hat unter der Leitung des Human Genome Sequencing Center am Baylor College of Medicine, USA, den Stammbaum der sechs in Afrika lebenden Pavianarten rekonstruiert.
Die Erbinformationen der Paviane lieferten zudem deutliche Hinweise darauf, dass es zwischen den Arten zum Austausch von Genen kam, die Arten sich also gekreuzt haben. Die Arbeit wirft ein neues Licht auf die grundlegenden biologischen Prozesse, die neue Spezies hervorbringen. Da sich die Paviane etwa zur gleichen Zeit und im gleichen Lebensraum wie der Mensch entwickelt haben, ermöglichen die Ergebnisse der Studie auch Rückschlüsse auf die Entwicklungsgeschichte früher Menschenarten (Science Advances).
Publikation:
Rogers J. et al.
The comparative genomics and complex population history of Papio baboons
Science Avance
Paviane gehören zur Gruppe der Altweltaffen. Es gibt sechs verschiedene Arten, die in Afrika südlich der Sahara weit verbreitet sind. Sie sind hinsichtlich ihres Aussehens, Verhaltens und ihrer Lebensweise gut untersucht. Bislang war jedoch wenig über ihre genetische Anpassung und ihre Evolutionsgeschichte bekannt.
Um diese Fragen im Detail zu untersuchen, entschlüsselten die Forscher die vollständige Erbinformation (das Genom) der sechs Arten. Durch Vergleiche der Genome und durch die Anwendung verschiedener Stammbaummodelle fanden die Wissenschaftler heraus, dass es neben der Artbildung durch Aufspaltung von Linien auch Artbildung durch Hybridisierung und damit einhergehenden Genaustausch gegeben hat.
„Die Kindapaviane, eine im südlichen Afrika beheimatete Pavianart, sind sehr wahrscheinlich durch Verschmelzung von zwei ursprünglichen Pavianlinien entstanden“, erklärt Christian Roos, Wissenschaftler in der Abteilung Primatengenetik am Deutschen Primatenzentrum und einer der Autoren der Studie. „Darüber hinaus konnten wir auch genetische Merkmale identifizieren, die keiner der heute lebenden Pavianarten mehr zugeordnet werden können und auf Genfluss von einer ausgestorbenen Pavianlinie, einer sogenannten ‚ghost line‘, hinweisen.“
Hybridisierung zwischen verschiedenen Pavianarten ist auch heute noch in Gebieten zu beobachten, wo die Verbreitungsgebiete von Arten aneinandergrenzen. Da sich die Paviane genau wie der Mensch vor rund zwei Millionen Jahren in den gleichen Lebensräumen südlich der Sahara entwickelten, sind sie ein ausgezeichnetes Modell, um die evolutionäre Entwicklung der Gattung Homo nachzuvollziehen, von der der moderne Mensch als einzige Art überlebt hat.
„Unsere Kollegen vom Max-Planck-Institut für evolutionäre Anthropologie in Leipzig und in anderen Laboren haben bereits gezeigt, dass der moderne Mensch mit anderen Arten wie Neandertaler oder Denisova-Mensch hybridisierte“, fasst Dietmar Zinner, Wissenschaftler in der Abteilung Kognitive Ethologie am DPZ und ebenfalls einer der Autoren, zusammen. „Im Gegensatz zum Menschen, deren Schwesterarten ausgestorben sind, ist die Kreuzung und der genetische Austausch unter den Pavianarten auch heute noch direkt zu beobachten. Studien zur Hybridisierung bei Pavianen ermöglichen uns ein besseres Verständnis der Evolution unserer eigenen Art.“
Paviane stellen aber nicht nur ein Modell für Hybridisierungsstudien dar. Sie dienen Forschern darüber hinaus auch als ausgezeichnetes Vergleichsmodell, um Einflüsse von historischen Klima- und Umweltveränderungen auf die Evolution von Savannenprimaten, einschließlich des Menschen, zu untersuchen.
Diese Newsmeldung wurde via Informationsdienst Wissenschaft erstellt.