Winzige Bodyguards - Helferbakterien stoppen und entwaffnen Krankheitserreger



Bio-News vom 01.09.2020

Das Bakterium Pseudomonas tolaasii löst die Braunfleckenkrankheit beim Zuchtchampignon aus und sorgt für erhebliche Ernteverluste. Der vom Erreger gebildete Wirkstoff Tolaasin schädigt die Zellmembran der Pilze, sodass die Zellen absterben. Doch der Pilz hat Unterstützer, die ihn widerstandsfähig machen: Bakterien der Gattung Mycetocola inaktivieren das toxische Tolaasin und einen weiteren Wirkstoff, der der Beweglichkeit und Verbreitung des Erregers dient. Ein Forscherteam aus Jena nahm den molekularen Mechanismus der mikrobiellen Dreiecksbeziehung näher unter die Lupe. Das dabei entdeckte Schutzprinzip könnte Vorbild für Anwendungen in der Landwirtschaft oder Medizin sein.

Pilze sind eine wichtige Nahrungsquelle und ihre weltweite Produktion ein Milliardenmarkt. Die für die Pilzzucht typische Temperatur und Feuchtigkeit bieten jedoch auch zahlreichen Krankheitserregern optimale Bedingungen, sodass es durch Infektionen zu drastischen Ernteausfällen kommen kann. Ein bekannter Erreger ist Pseudomonas tolaasii. Das Bakterium bildet eine Gruppe ringförmiger Lipopeptide, Tolaasine genannt. Diese Toxine können in der Membran von Pilz- und auch Pflanzenzellen Poren bilden, die die Zelle schädigen und absterben lassen. Außerdem sind die Bakterien in der Lage, auf Oberflächen wie dem Hut des Champignons auszuschwärmen und sich damit rasch zu verbreiten. Unterstützt wird die Beweglichkeit des Erregers durch oberflächenaktive Pseudodesmine, eine zu den Lipodepsipeptiden gehörende Molekülfamilie.


Mischkultur aus dem Pilzpathogen Pseudomonas tolaasii und dem Helferbakterium Mycetocola tolaasinivorans.

Publikation:


Hermenau R, Kugel S, Komor AJ, Hertweck C
Helper bacteria halt and disarm mushroom pathogens by linearizing structurally diverse cyclopeptides
Proc Natl Acad Sci

DOI: 10.1073/pnas.2006109117



Mit den Pilzen assoziierte Helferbakterien der Gattung Mycetocola sorgen jedoch dafür, dass die Champignons dem Angriff von Pseudomonas tolaasii nicht schutzlos ausgeliefert sind. Bislang war unbekannt, wie das funktioniert. „Wir sind einem neuen molekularen Mechanismus auf die Spur gekommen, der gegen die schädliche Aktivität des Toxins Tolaasin wirkt“, sagt Christian Hertweck, stellvertretender Direktor des Leibniz-Instituts für Naturstoff-Forschung und Infektionsbiologie – Hans-Knöll-Institut.

Das Team identifizierte Enzyme der Helferbakterien Mycetocola tolaasinivorans und M. lacteus, die die Ringstruktur der Tolaasine spalten und sie damit unwirksam machen. Zudem behindern die Helferbakterien die weitere Besiedelung der Pilze mit dem Erreger, indem sie auch die für die Ausbreitung verantwortlichen Pseudodesmine inaktivieren. „Die Beobachtung, dass Helferbakterien Krankheitserreger, die ihren Wirt angreifen, anhalten und unschädlich machen, ist bisher beispiellos. Damit blockieren die schützenden Partner sowohl die Fähigkeit von Tolaasin, die krankhaften Veränderungen beim Pilz hervorzurufen, als auch die Beweglichkeit des Erregers selbst“, so Hertweck, der an der Friedrich-Schiller-Universität Jena einen Lehrstuhl innehat.

Mit diesen wissenschaftlichen Erkenntnissen leisten Hertweck und sein Team einen bedeutenden Beitrag für das Verständnis der chemischen Grundlage von mikrobiellen Interaktionen, wie sie im DFG-Sonderforschungsbereich ChemBioSys und dem Jenaer Exzellenzcluster Balance of the Microverse untersucht werden. „Damit bringen wir die schonende Schädlingsbekämpfung in der Nahrungsmittelproduktion voran. Anstelle von Antibiotika könnten die Helferbakterien oder deren Enzyme gezielt dafür eingesetzt werden, die Pilzkulturen vor der Braunfleckenkrankheit zu schützen. Eine Zukunftsvision wäre aber auch das Design von Helferbakterien für den Einsatz in der Medizin“, sagt Hertweck.

Für die Untersuchungen wurde eine ganze Palette moderner chemischer und bioinformatischer Analysenmethoden angewendet, darunter metabolisches Profiling und bildgebende Massenspektrometrie.


Diese Newsmeldung wurde mit Material des Leibniz-Instituts für Naturstoff-Forschung und Infektionsbiologie via Informationsdienst Wissenschaft erstellt

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