Biopharmazeutikum
Biopharmazeutika (auch Biopharmaka, Biologicals, Biologica, Biologika oder Biologics) sind Arzneistoffe, die mit Mitteln der Biotechnologie in gentechnisch veränderten Organismen hergestellt werden. Biopharmazeutika gehören zu den wichtigsten Wachstumsmotoren der Pharma- und Biotechnologieindustrie. Abzugrenzen hiervon ist das Gebiet der Biopharmazie.
Prinzip, Herstellung und Anwendungsgebiete
Bei den Biologika (engl.: biologicals) handelt es sich um Substanzen, die mit moderner Biotechnologie unter hohem technologischen Aufwand und aufwändigen Entwicklungs- und Fertigungsmethoden hergestellt werden. Sie sollen gezielt in die Vorgänge des Körpers eingreifen
Produziert werden Proteine (inklusive monoklonaler Antikörper) und Nukleinsäuren (DNA, RNA wie Antisense-RNA, sowie Antisense-Oligonukleotide). Diese können in der Diagnostik aber auch für die Therapie, so z. B. in der Krebsbekämpfung eingesetzt werden.
Die Herstellung kann prinzipiell mit Hilfe von tierischen oder pflanzlichen Organismen geschehen. Biopharmazeutika können von Mikroorganismen (z. B. rekombinante Escherichia coli oder Hefekulturen), Zelllinien von Säugetieren, sowie von Pflanzen (Meristemvermehrung) in Bioreaktoren hergestellt werden. Werden Biopharmazeutika mit Hilfe kompletter genetisch veränderter Pflanzen produziert (Pflanzenbiotechnologie), bezeichnet man diese als Pharmapflanzen.
Biopharmazeutika-Klassen
- Gerinnungsfaktoren (Faktor VIII und IX)
- Fibrinolytika (Gewebespezifische Plasminogenaktivatoren wie Alteplase)
- Hormone ( z.B. Insulin, Gonadotropine, Wachstumshormone wie Somatotropin)
- Hämatopoetische Wachstumsfaktoren (Erythropoietin, Kolonie stimulierende Faktoren wie G-CSF)
- Interferone (Interferon-α, -β, -γ)
- auf Interleukinen basierende Produkte (Interleukin-2 = Aldesleukin)
- Impfstoffe (Hepatitis B-Oberflächenantigen)
- monoklonale Antikörper
- sonstige Produkte (Tumornekrosefaktor-Superfamilie, therapeutische Enzyme)
Forschung und Ergebnisse
Ein Ziel der Forschung und Entwicklung auf dem Gebiet der Biopharmazeutika (der entsprechende Wissenschaftszweig wird Pharmazeutische Biotechnologie genannt) ist es, eine sichere Alternative zu den herkömmlichen Produktionssystemen, wie z. B. CHO-Zellen, zu entwickeln. Dabei werden GMP-Bedingungen am besten eingehalten, wenn die Pflanzen in abgeschlossenen Behältnissen, wie z. B. Bioreaktoren (Photobioreaktoren) [1] kultiviert werden.
Das erste Biopharmazeutikum, das für therapeutische Zwecke zugelassen wurde, war ein mittels rekombinanter DNA biosynthetisch hergestelltes Insulin aus E. coli (rHI, Handelsname Humulin, entwickelt von Genentech, jedoch lizenziert an Eli Lilly, Markteinführung 1982).
Das erste Arzneimittel aus Milch einer gentechnisch veränderten Ziege war ATryn. Die Markteinführung wurde von der Europäischen Arzneimittelagentur im Februar 2006 zunächst gestoppt.[2] Diese Entscheidung wurde im Juni 2006 wieder rückgängig gemacht und die Zulassung im August 2006 erteilt.[3]
Die Zahl von Patenten für Biopharmazeutika ist seit den 1970er Jahren rasant angestiegen. 1978 bestanden insgesamt 30 Patente, 1995 bereits 15.600, 2001 wurden schon 34.527 Anmeldungen eingereicht.[4]
Gemessen an den Umsatzzahlen und dem Spektrum möglicher medizinischer Indikationen ist heute das bedeutendste Biopharmazeutikum weltweit Erythropoetin. Rekombinante Antikörper machen ca. 30 % aller derzeit in der klinischen Prüfung befindlichen Biopharmazeutika aus; das zeigt, welches Potential für das Wachstum der Biotechnologie in der Produktion dieser Produkte steckt.
Biosimilars
Biosimilars sind Nachfolgeprodukte von Biopharmazeutika, deren Patentschutz abgelaufen ist. Sie gehören nicht zur Produktklasse der Generika. Bei Zulassung niedermolekularer chemischer Generika darf sich der Hersteller auf die pharmakologischen und klinischen Studien des Originalproduktes beziehen, die bei Erstzulassung eingereicht wurden. Biosimilars sind biotechnologisch erzeugte, proteinbasierte Nachahmer-Arzneistoffe, die nach dem Ablauf der Patentzeit eines Originalwirkstoffs zugelassen werden. Als Biotechnologie-Erzeugnisse unterliegen sie natürlichen Schwankungen, beispielsweise in der Isoform-Verteilung, was dazu führt, dass keine Charge der anderen zu hundert Prozent gleicht. Selbst innerhalb einer einzelnen Charge kann es zu minimalen Abweichungen kommen. Deshalb können auch Referenzprodukt und Biosimilar nie völlig identisch sein und man spricht von Similarität, also Ähnlichkeit. Ihre Zulassung erfordert aufwändigere Verfahren und Überwachungsmaßnahmen als bei klassischen Generika. Aus Sicht der Arzneimittelkommission der Deutschen Ärzteschaft (AkdÄ) sind auf Grund der Anforderungen bei der Zulassung die Nachweise für Wirksamkeit, Qualität und Unbedenklichkeit vorhanden. Biosimilars sind den Originalpräparaten gleichwertig und können am Beginn einer Behandlung ebenso eingesetzt werden wie diese.[5]
Kosten von Biopharmaka
Biotechnologisch hergestellte Arzneimittel zählen zu den teuersten Arzneimitteln. Bereits jetzt entfallen in Deutschland 13 Prozent der Arzneimittelausgaben, die im Jahr 2011 zu Lasten der GKV 27,1 Milliarden € betrugen, auf diese Klasse. Laut einer Studie des IGES-Instituts könnten bis 2020 bereits mehr als 20 Biosimilars zur Verfügung stehen. Das würde auf der Kostenseite in einem Zeitraum von 12 Jahren ein Einsparvolumen von insgesamt 8,1 Milliarden Euro bedeuten, was 25 Prozent im biosimilarfähigen Markt entspricht.[6]
Einzelnachweise
- ↑ Eva L. Decker und Ralf Reski (2008): Current achievements in the production of complex biopharmaceuticals with moss bioreactor. Bioprocess and Biosystems Engineering 31, 3-9. (PDF)
- ↑ Phillip B. C. Jones: European Regulators Curdle Plans for Goat Milk Human Antithrombin
- ↑ Go-ahead for 'pharmed' goat drug, BBC, 2. Juni 2006
- ↑ Luke Foster: Patenting in the Biopharmaceutical Industry – comparing the US with Europe (Memento vom 17. November 2007 im Internet Archive) 2002.
- ↑ Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft: Stellungnahme der Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft zu Biosimilars. Berlin, 9. Dezember 2008 (PDF).
- ↑ Häussler B (2008), IGES Institut