Hepatitis B


Klassifikation nach ICD-10
B16.- Akute Virushepatitis B
B16.0 Akute Virushepatitis B mit Delta-Virus (Begleitinfektion) und mit Coma hepaticum
B16.1 Akute Virushepatitis B mit Delta-Virus (Begleitinfektion) ohne Coma hepaticum
B16.2 Akute Virushepatitis B ohne Delta-Virus mit Coma hepaticum
B16.9 Akute Virushepatitis B ohne Delta-Virus und ohne Coma hepaticum
B18.0 Chronische Virushepatitis B mit Delta-Virus
B18.1 Chronische Virushepatitis B ohne Delta-Virus
ICD-10 online (WHO-Version 2019)

Die Hepatitis B ist eine Infektionskrankheit der Leber mit dem Hepatitis-B-Virus (HBV), die häufig akut (90 %), gelegentlich auch chronisch verläuft. Mit etwa 350 Millionen chronisch infizierten Menschen ist die Hepatitis B weltweit eine der häufigsten Virusinfektionen. Bei etwa einem Drittel der Weltbevölkerung sind als Zeichen einer überstandenen HBV-Infektion Antikörper nachweisbar. Auf Basis der chronischen Leberentzündung kann eine Leberzirrhose, sowie ein Leberzellkarzinom entstehen. Die Therapie einer chronischen Hepatitis B ist schwierig, daher ist die vorbeugende Impfung die wichtigste Maßnahme zur Vermeidung der Infektion und Verminderung der Virusträgerzahl.

Erreger

Virionen und leere Partikel des Hepatitis-B-Virus

Der Erreger der Hepatitis B, das etwa 42 nm große Hepatitis-B-Virus, ist ein partiell doppelsträngiges DNA-Virus und gehört zur Familie der Hepadnaviridae. Zum Vergleich: Rote Blutkörperchen sind mit 7,5 μm ca. 150-mal so groß. Das ca. 3200 bp große Genom ist verpackt in ein ikosaedrisches Kapsid, das Hepatitis-B-Core-Protein (= HBV-Core-Antigen, HBcAg). Es erfüllt eine ähnliche Funktion wie der Zellkern bei Mehrzellern. Das Kapsid ist von einer Virushülle umgeben, die aus einer zellulären Lipidmembran und eingelagerten Oberflächenproteinen des Virus aufgebaut ist. Von diesen Oberflächenproteinen (HBsAg hepatitis B surface antigen) existieren drei unterschiedlich große Formen (L-, M- und S-HBsAg). Während der Vermehrung des HBV in der Leberzelle wird meist ein weiteres Protein in die Blutbahn abgegeben, das HBV-e-Antigen (HBeAg, „e“ wird als „exkretorisch“ gedeutet, ein Antigen ist in der Medizin ein von den Abwehrzellen als fremd erkanntes Molekül); das HBeAg ist ein frisch produziertes, dann gekürztes Hepatitis-B-Core-Protein (HBcAg), das vom Virus ins Blut abgegeben wird.

Die meisten der Oberflächenproteine im Blut sind nicht am Aufbau der infektiösen Viren beteiligt (der sogenannten Dane-Partikel), sondern liegen als Filamente oder sphärische Partikel ohne Kapsid und DNA vor (bis zu 600 μg/ml HBs-Protein). Es sind etwa 10.000-mal mehr „leere“ HBsAg-Partikel im Blut als komplette HBV-Partikel nachweisbar; dies hat wichtige Konsequenzen für den Krankheitsverlauf. Die Partikel lenken das Immunsystem ab, ähnlich einem Raketenabwehrsystem bei Flugzeugen. Dafür helfen sie bei der Diagnostik der Hepatitis.

Die Therapie ist so schwierig, weil die Viren ihre Erbinformation in die DNA der Leberzelle schreiben. Dafür nutzen sie RNA-Zwischenstufen und ähnlich dem HI-Virus Reverse Transkriptasen; das HBV ist daher eng mit den echten Retroviren verwandt. Eine Elimination des Hepatitis-B-Virus aus dem Organismus ist nicht möglich, die Viren-DNA ist fester Bestandteil der DNA der Leberzellen und teilt sich mit diesen. Nach überstandener akuter Infektion geht es in einen Ruhezustand über, aus dem es bei einer Immunschwäche (z.B. nach Organtransplantationen, Chemotherapie oder bei HIV-Infektion) reaktiviert wird.

Wegen der Ähnlichkeit zu Retroviren sind einige Arzneistoffe sowohl gegen HIV als auch Hepatitis B wirksam (die Nukleosidische Reverse-Transkriptase-Inhibitoren Lamivudin und Adefovir).

Die RNA-Zwischenstufe macht HBV für ein DNA-Virus ungewöhnlich anpassungsfähig. Es bildet leicht Varianten (sogenannte Quasispezies), die das Immunsystem unterlaufen oder gegen antivirale Medikamente resistent sind.

Vom HBV sind acht Genotypen (A–H) bekannt, die geographisch unterschiedlich verteilt sind.

Verbreitung

Verbreitung Hepatitis B (Stand 2005)
  • Hoch: Prävalenz höher als 8 %
  • Mittel : zwischen 2 % und 7 %
  • Niedrig : weniger als 2 %
  • Das HBV kommt weltweit vor. Es ist endemisch in China, Südostasien, dem Nahen und Mittleren Osten, der Türkei und in großen Teilen Afrikas. Dank der seit einigen Jahren durchgeführten Impfkampagnen ist das Vorkommen chronischer Virusträger in Nord- und Westeuropa, USA, Kanada, Mexiko und südlichen Regionen Südamerikas auf unter 1 % gefallen. In Deutschland sind 0,3 bis 0,8 % der Bevölkerung HBs-Antigen-positiv, d. h. 250.000 bis 650.000 sind chronische Virusträger. Offiziell werden in Deutschland etwa 5000 Neuinfektionen pro Jahr gemeldet, wobei die wirkliche Zahl wesentlich höher anzusetzen ist. Gehäuft ist in Deutschland eine Trägerschaft bei intravenös Drogenabhängigen, Homosexuellen und Personen aus dem arabischen Raum und der Türkei (hier oft angeborene Infektionen) zu finden.

    Übertragung

    Die Infektion mit HBV erfolgt parenteral und sexuell, d. h. durch Blut oder andere Körperflüssigkeiten eines infizierten, HBsAg-positiven Patienten. Die Infektiosität eines Virusträgers ist abhängig von der Viruskonzentration im Blut; bei sogenannten hochvirämischen Trägern (107 bis zu 1010 HBV-Genome/ml) finden sich infektiöse Viren auch in Urin, Speichel, Samenflüssigkeit, Tränensekret, Galle und Muttermilch.

    Die Eintrittspforten sind meist kleinste Verletzungen der Haut oder Schleimhaut. Daher gilt als Risikofaktor auch der ungeschützte Geschlechtsverkehr. Unter Kleinkindern kann die Infektion auch durch Kratzen oder Beißen weitergegeben werden. Auch Gegenstände des täglichen Lebens, wie zum Beispiel Rasierapparate oder Nagelscheren, mit denen man sich häufig geringfügig verletzt, können das HBV übertragen. In Ländern, in denen noch das Rasieren beim Barbier weit verbreitet ist, findet sich meist auch eine erhöhte Häufigkeit von HBV-Infektionen. Weitere wichtige Übertragungsmöglichkeiten sind auch größere Verletzungen mit Blutkontakt z. B. bei intravenösem Drogenkonsum, Tätowierung und Piercing. Im medizinischen Bereich kann HBV durch invasive, operative Eingriffe und Verletzungen übertragen werden, so von unerkannten HBsAg-Trägern auf Patienten oder von nicht-getesteten Patienten auf medizinisches oder zahnärztliches Personal. Die Übertragung von HBV durch Blut und Blutprodukte bei einer Transfusion ist seit der Testung von Blutspenden auf anti-HBc, HBsAg und HBV-DNA in Deutschland sehr selten geworden.

    In Endemiegebieten ist der wichtigste Übertragungsweg die vertikale Infektion von einer HBsAg-positiven Mutter unter der Geburt (perinatal) auf das Kind. Die perinatale Infektion hat zu 90 % eine chronische Infektion des Kindes zur Folge.

    Das Risiko einer Ansteckung durch eine Nadelstichverletzung mit bekannt HBsAg-positivem Indexpatient liegt bei etwa 10–30 %. Dieses Risiko ist sehr abhängig von der Viruskonzentration, unterhalb von 105 HBV-Genomen/ml ist eine solche Übertragung im medizinischen Bereich nicht nachgewiesen worden. Diese z. B. in Großbritannien bereits festgelegte Grenze hat große Bedeutung bei der Beschäftigung von HBsAg-Trägern im medizinischen Bereich.

    Klinischer Verlauf

    Akute Hepatitis B

    Etwa 2/3 aller Infektionen verlaufen ohne klinische Anzeichen (asymptomatisch), d. h. nur etwa ein Drittel der Infizierten zeigen nach einer Inkubationszeit von ein bis sechs Monaten die klassischen Hepatitiszeichen wie Gelbfärbung der Haut und der Skleren (Ikterus), dunklen Urin, Gliederschmerzen, Schmerzen im Oberbauch, Übelkeit, Erbrechen und Durchfall. Häufig wird nach asymptomatischen Verläufen eine leichte Abgeschlagenheit angegeben oder eine Erhöhung der Leberenzyme (Transaminasen) wird zufällig entdeckt; eine solche Infektion kann meist nur durch die Serologie erkannt werden.

    In der Regel heilt eine unkomplizierte akute Hepatitis B nach zwei bis sechs Wochen klinisch aus, der Nachweis von Antikörpern gegen das HBsAg (anti-HBs) zeigt dies an. Mit dem Verschwinden des HBsAg und dem Auftauchen von anti-HBs (Serokonversion) gilt die Ansteckungsgefahr als überwunden.

    Selten kann eine akute Hepatitis B einen schwereren Verlauf nehmen, bei dem es zu einer Beeinträchtigung der Blutgerinnung und zu Schädigungen des Gehirns (Enzephalopathie) kommt; hier wird eine Therapie mit einem Nukleosidanalogon (z. B. Lamivudin) empfohlen. Im schwersten Fall kommt es bei rund 1 % der symptomatischen Verläufe zu einem lebensbedrohlichen Verlauf (in Stunden bis wenigen Tage), der sogenannten fulminanten Hepatitis. In diesem Fall gelten das rasche Verschwinden des HBsAg und eine Schrumpfung der Leber als ungünstige Zeichen; eine medikamentöse Therapie und intensivmedizinische Betreuung mit der Möglichkeit einer Lebertransplantation sind geboten. Die Verabreichung von Interferon ist bei jeder Form der akuten Hepatitis B kontraindiziert.

    Chronische Hepatitis B

    In vielen Fällen verläuft auch die Infektion unbemerkt und ohne Symptome. Definitionsgemäß spricht man von einer chronischen Hepatitis B, wenn die Symptome einer durch HBV verursachten Leberentzündung sowie entsprechende viralen Marker länger als sechs Monate bestehen (persistieren). Chronisch verläuft diese Erkrankung in 5–10 % der Fälle. Sie kann sich entweder im Anschluss an eine akute Hepatitis B entwickeln oder auch primär chronisch verlaufen. Die Chronifizierungsrate nimmt mit sinkendem Alter stetig zu und ist bei Neugeborenen am höchsten. Diese werden bei einer Infektion wie oben beschrieben in über 90 % der Fälle zu chronischen Virusträgern. Noch bei vierjährigen Patienten verläuft die Hälfte aller Infektionen chronisch. Bei etwa einem Viertel aller chronischen Hepatitis-B-Erkrankungen ist ein sich im Schweregrad steigernder Krankheitsverlauf (progredienter) zu beobachten, der dann häufig zu erheblichen Folgeschäden wie beispielsweise zu einem Leberzellkarzinom oder Leberzirrhose führt. Spätestens bei Auftreten von Bewusstseinsveränderungen (sogenannte Hepatische Enzephalopathie) ist die Verlegung in ein Zentrum für Lebererkrankungen angebracht.

    Bei einer bösartigen Verlaufsform nach Hepatitis B Infektion besteht eine Letalität von 0,5-1 %. Bei 5-10 % der Infizierten kommt es zur Entwicklung einer chronischen Hepatitis.[1]

    Etwa 5 % der HBV-Infizierten sind zusätzlich an Hepatitis D erkrankt.

    HBV gehört zusammen mit dem Epstein-Barr-Virus (EBV), dem Hepatitis-C-Virus (HCV), dem humanen Papillomvirus (HPV), Humanen T-lymphotropen Virus 1 (HTLV-1) und dem Humanen Herpesvirus 8 (HHV-8, auch Kaposi-Sarkom-Herpesvirus, KSHV) zu einer Gruppe von humanen Viren, die weltweit für 10 bis 15 Prozent aller Krebserkrankungen verantwortlich sind.[2]

    Reaktivierung

    Durch neue Therapien bei der Behandlung von Leukämie und zur Immunsuppression nach einer Organtransplantation wurde in den letzten Jahren in einzelnen Fällen eine Reaktivierung einer alten, klinisch ausgeheilten HBV-Infektion beobachtet. Auch wurden Reaktivierungen von HBV bei AIDS im fortgeschrittenen Stadium (C3) beschrieben. Die HBV-Infektion lag in einigen Fällen der Reaktivierung bereits Jahrzehnte zurück, und die Patienten hatten vorher das klassische serologische Muster einer alten Infektion (anti-HBc und anti-HBs positiv, siehe Diagnostik). Eine solche Reaktivierung verläuft oft sehr schwer, insbesondere wenn nach erfolgter Reaktivierung die Immunsuppression reduziert wird und durch die dann erfolgende Immunabwehr die Leber wie bei einer fulminanten Hepatitis rasch zerstört wird. Das Auftauchen solcher Symptome nach Reduzierung der Immunsuppression (z. B. bei Beendigung einer Chemotherapie oder bei erfolgreicher HIV-Therapie) wird auch Immunrekonstitutions-Syndrom genannt.

    Durch eine Reaktivierung besonders gefährdet sind Patienten nach Nierentransplantation, Knochenmark-Transplantation und Patienten mit Akuter Myeloischer Leukämie. Eine Behandlung mit einem Nukleosidanalogon für mehrere Wochen bis Monate ist bei einer nachgewiesenen Reaktivierung geboten.

    Das Phänomen einer Reaktivierung verdeutlicht noch einmal die Tatsache, dass das HBV ähnlich wie ein echtes Retrovirus in einen Ruhezustand übergehen kann und nicht aus allen Zellen eliminiert wird. Insgesamt ist die Reaktivierung jedoch ein sehr seltenes Ereignis.

    Diagnose

    Man unterscheidet bei der Hepatitis B hauptsächlich zwei Verlaufsformen, die akute Hepatitis B, die nach spätestens einem halben Jahr völlig ausgeheilt ist, und die chronische Hepatitis B. Die chronische Hepatitis B entsteht aus einer nicht ausgeheilten akuten, kann jahrzehntelang dauern und eine Leberzirrhose oder ein Hepatozelluläres Carcinom (HCC) zur Folge haben. Die Sicherung der jeweiligen Diagnose erfolgt über drei Hauptbestandteile, nach denen gesucht wird:

    • Virus-Antigene (also das Virus selbst oder dessen Eiweißstoffe): Findet man noch Virus-Antigene (HBs-Ag, HBe-Ag), dann ist die Infektion nicht überstanden: Es wird eine akute oder chronische Hepatitis B vorliegen oder, im günstigsten Fall, wenn nur HBs-Ag nachweisbar ist und der Patient sonst gesund ist, ein sog. HBs-Träger-Status. Patienten mit HBe-Ag im Blut sind hoch ansteckend; aber auch bei alleinigem HBs-Ag im Blut besteht Ansteckungsgefahr.
    • Antikörper (die unsere Abwehr dagegen bildet): Anti-HBs sind Zeichen einer Ausheilung. Man findet sie auch nach erfolgreicher Hepatitis-B-Impfung. Sie zeigen also eine Immunität gegen Hepatitis B an. Anti-HBc-IgM sprechen für das Vorliegen einer akuten Hepatitis. Anti-HBc-IgG findet man sowohl im späteren akuten Stadium wie auch nach Abheilung. Anti-HBe können in der Heilungsphase einer akuten Hepatitis auftreten. Ihr Auftreten bei chronischer Hepatitis zeigt eine Verbesserung und eine verminderte Ansteckungsgefahr an.
    • Virus-DNA (Desoxyribonukleinsäure, also Erbsubstanz des Virus): Früher hat man die DNA-Messung bei Hepatitis B zur Diagnose unklarer Fälle und zur Abschätzung der Ansteckungsgefahr eingesetzt. Heute ist die Messung auch für die Diagnose und Beobachtung der chronischen Hepatitis wichtig. Wenig Virus-DNA im Blut spricht für eine ruhende Infektion, viel DNA für eine aktive chronische Hepatitis.

    Tabelle 1: Häufige serologische Konstellationen und ihre diagnostische Interpretation (für die jeweilige Diagnosestellung nicht notwendige Parameter sind eingeklammert)

    anti-HBc anti-HBs HBs-Antigen anti-HBe HBe-Antigen HBV-DNA Interpretation
    neg. pos. (neg.) (neg.) (neg.) (neg.) Z.n. Impfung, >100 mIU anti-HBs/ml: Immunität

    10-100 mIU/ml: relativer Schutz, Auffrischung empfohlen

    pos. pos. (neg.) (neg./pos.) (neg.) (neg.) Alte, klinisch ausgeheilte Infektion
    pos. (neg.) pos. neg. pos. hochpos. Hochvirämische Infektion
    pos. (neg.) pos. pos. neg. pos. Niedrigvirämische Infektion
    pos. (neg.) pos. neg. neg. hochpos. „HBe-Minus-Mutante“, prä-Core-Mutation

    Tabelle 2: Seltene serologische Konstellationen , die einer Überprüfung in einem Speziallabor bedürfen

    anti-HBc anti-HBs HBs-Antigen anti-HBe HBe-Antigen HBV-DNA Interpretation
    pos. neg. neg. neg. neg. neg. „Isolierte anti-HBc-Positivität“: unspezifische Testreaktion oder sehr alte, ausgeheilte Infektion
    pos. neg. neg. pos. neg. neg. Sehr alte, ausgeheilte Infektion mit Verlust des anti-HBs
    neg. pos. pos. neg. neg. neg. Meist unspezifische Testreaktion des HBsAg-Tests oder sehr seltener Befund wenige Tage nach einer wiederholten Impfung
    neg. neg. pos. neg. neg. pos. fehlendes anti-HBc: Häufige Konstellation bei Infektion eines Nicht-Immunkompetenten oder bei angeborener Infektion

    Therapie

    Im Akutstadium (d. h. in den ersten Monaten nach der Infektion) wird eine Hepatitis B gewöhnlich nur symptomatisch therapiert, da die Erkrankung in 90–95 % der Fälle von selbst ausheilt.

    Für eine chronische Hepatitis B stehen zwei Medikamentenklassen zur Verfügung:

    1. pegyliertes Interferon (Peginterferon α), welches einmal wöchentlich gespritzt wird. Interferone regen das Immunsystem an, damit dieses effektiver gegen das Virus kämpft.
    2. Nukleosid- bzw. Nukleotidanaloga, die täglich als Tablette eingenommen werden. Dazu gehören Lamivudin, Adefovir, Entecavir, Telbivudin und Tenofovir. Diese Wirkstoffe behindern das Virus bei der Vermehrung.

    Weitere Wirkstoffe werden in Studien geprüft. Diese Therapien sind allerdings nicht kurativ, es ist also keine vollständige Heilung zu erwarten. Das Therapieziel ist vielmehr, den Verlauf der chronischen Hepatitis B abzumildern und das Risiko von Spätfolgen zu senken. Selten (bis zu 3 %) kann unter der Therapie mit (Peg-)Interferon oder den anderen Wirkstoffen auch das HBsAg aus dem Blut verschwinden und als Immunreaktion anti-HBs-Antikörper auftreten, was einer Heilung gleichkommt.

    Welcher Patient wann therapiert werden muss und mit welchem Medikament, ist von Fall zu Fall unterschiedlich. Bei sehr mildem Verlauf wird eine chronische Hepatitis B meist nur beobachtet. Bei Hinweisen auf eine Schädigung der Leber oder anderen Risikofaktoren ist eine Therapie jedoch sehr wichtig (Stand: August 2008). Dies sollte im Einzelfall fachärztlich beurteilt werden.

    Impfung

    Gegen Hepatitis B kann aktiv und passiv geimpft werden. Die aktive Impfung besteht aus einem nachgebauten Bestandteil der Virushülle, dem HBs-Antigen. Aktiv wird der Körper, der gegen die Fremdstoffe Abwehrmoleküle (Immunglobuline) bildet, um sie zu zerstören. Nach 3 Impfungen kennen die Immunzellen den Virusbestandteil und können es bei einer echten Infektion bekämpfen. Entgegen anderen Meinungen werden bei der Hepatitis-B-Impfung keine echten Viren verabreicht. Die Anzahl der Non-Responder ist deutlich unter 10 %. Die Impfung wird dreimal durchgeführt:

    1. Impfung (Woche 0)
    2. Impfung (ca. 1 Monat später)
    3. Impfung (ein halbes Jahr bis 1 Jahr nach erster Impfung)

    Zwei Wochen nach der dritten Impfung besteht Impfschutz für mindestens zehn Jahre. Je nach Impftiter, der Anzahl der noch aktiven Hepatitis Abwehrmoleküle, sollte nun eine Auffrischimpfung gemacht werden.[3]

    Bei der passiven Impfung werden Hyperimmunoglobuline gespritzt; fertige Immunglobuline, die dem Immunsystem helfen, die Viren zu bekämpfen. Diese wird zusammen mit aktivem Impfstoff nach Kontakt mit infiziertem Material (medizinisch Postexpositionsprophylaxe, bes. im Krankenhaus: Nadelverletzungen, Schleimhautkontakt, etc.) und bei Neugeborenen von Hepatitis-B-positiven Müttern bis 12 Stunden nach Kontakt bzw. Geburt verabreicht.[4] Dieser Impfschutz wird bei Neugeborenen nach dem normalen Impfschema (0. - 1. - 6. Monat) vervollständigt. Damit wird eine Immunantwort bei über 95 % der Impflinge erreicht.

    Da man sich nur mit Hepatitis D anstecken kann, wenn schon eine Hepatitis B vorliegt, schützt die Hepatitis-B-Impfung auch vor Hepatitis-D-Viren. Darüber hinaus gibt es einen Kombinationsimpfstoff, der auch gegen Hepatitis A schützt. Generell wird die Impfung gut vertragen. Gelegentlich kommt es zu Rötungen an der Impfstelle. Seltener sind Fieber, Kopfschmerzen, Abgeschlagenheit und Gelenkbeschwerden. Impfschäden oder schwere allergische Reaktionen sind sehr selten. Ein ursächlicher Zusammenhang mit neurologischen Erkrankungen (z. B. Guillain-Barré-Syndrom) ist bislang ungeklärt; es liegen Einzelfallberichte vor, bei denen ein zufälliges zeitliches Zusammentreffen vermutet wird (Cornberg et al., Leitlinien der DGVS 2007). Wenn akute Erkrankungen oder andere Kontraindikationen vorliegen, z.B. ein Bestandteil des Impfstoffs nicht vertragen wird oder eine fieberhafte Erkrankung, sollte man auf die Impfung verzichten (Cornberg 2007).

    Ob eine unsymptomatische Multiple Sklerose durch die HBV-Impfung ausgelöst werden kann, wurde wiederholt in Studien und Einzelfallberichten diskutiert. Es ist bislang aber nicht wissenschaftlich belegt (Cornberg 2007). Eine Studie von Hernán et al (Neurology 2004) konnte angeblich ein dreifach erhöhtes MS-Risiko durch die HBV-Impfung feststellen; sie wurde aber (u. a. von der Weltgesundheitsorganisation WHO) wegen methodischer Fehler als irreführend und nicht aussagekräftig kritisiert: Bei der Studie wurden ausschließlich MS-Patienten gefragt, wie viele von ihnen in den drei Jahren vor ihrer MS-Diagnose gegen Hepatitis B geimpft wurden (dies traf nur auf 11 von ursprünglich 713 MS-Patienten zu). Es wurde nicht untersucht, wie viele Gesunde gegen Hepatitis B geimpft worden waren und nicht an MS erkrankten, um einen Vergleichsrahmen zu schaffen.

    Die Weltgesundheitsorganisation forderte 1992 alle Mitgliedsstaaten dazu auf, die Hepatitis-B-Impfung in nationale Routineimpfprogramme aufzunehmen.[5] In Taiwan hat die universelle HBV-Impfung die Rate an Leberkrebs erheblich gesenkt.[6]

    Deutschland

    Eine Impfung (aktive Immunisierung) wird bei allen Säuglingen und Kindern von der Ständigen Impfkommission (StIKo) empfohlen, und zwar seit 1995.[7] Außerdem sollten Personen in Heil- und Pflegeberufen sowie Bestatter, Thanatologen und Leichenwäscher, Mitarbeiter in der Pathologie, Dialysepatienten, Promiskuitive, Drogenabhängige und Reisende in Risikogebiete nicht auf den Impfschutz verzichten.[3] Die Hepatitis-B-Impfung ist Kassenleistung bei Kindern und Jugendlichen; bei Erwachsenen erstatten einige Kassen die Kosten einer Reiseimpfung als Satzungsleistung.

    Österreich

    In Österreich wird die Grundimmunisierung bei allen Säuglingen ab dem dritten Lebensmonat – in der Regel mit einem sechsfach kombinierten Impfstoff – durchgeführt, ansonsten wird bei den bislang ungeimpften Kindern die Grundimmunisierung im Rahmen der Schulimpfung im elften Lebensjahr durchgeführt. Es wird angenommen, dass nach einer kompletten Grundimmunisierung (bei Respondern) der Schutz vor Komplikationen einer Hepatitis-B-Infektion durch die Reaktivierung der spezifischen Gedächtniszellen gewährleistet ist, auch wenn die Impfantikörper verschwunden sind.[8] Auf die Schulimpfung gegen Hepatitis B dürfte somit verzichtet werden, wenn die ersten geimpften Säuglinge dieses Alter erreicht haben, da bei jungen Impflingen eine spätere Auffrischungsimpfung derzeit von Experten nicht empfohlen wird.

    Literatur

    Leitlinien

    Sonstiges

    • Baruch S. Blumberg: Hepatitis B: the hunt for a killer virus. Princeton 2002.

    Weblinks

    Einzelnachweise

    1. Hof, Dörries, Duale Reihe Medizinische Mikrobiologie 4. Auflage
    2. Martin, D. and Gutkind J. S.: Human tumor-associated viruses and new insights into the molecular mechanisms of cancer. In: Oncogene. 27. Jahrgang, Nr. 2, 2008, S. 31–42, PMID 19956178.
    3. 3,0 3,1 STIKO Impfkalender. Epidemiologisches Bulletin Nr. 30 des RKI, 30. Juli 2012
    4. H.Renz-Polster, S.Krautzig: Basislehrbuch Innere Medizin 4. Auflage, 2006, S.649 ff
    5. World Health Organization: Programmes and Projects: Hepatitis B. (englisch)
    6. Chang MG et.al. Decreased Incidence of Hepatocellular Carcinoma in Hepatitis B Vaccinees: A 20-Year Follow-up Study. J Natl Cancer Inst. 2009 Sep 16. PMID 19759364
    7. http://www.frauenaerzte-im-netz.de
    8. Hepatitis-B-Impfung: Genügt die Dauer des Impfschutzes, um eine Impfung im Säuglingsalter in Betracht zu ziehen? nach „Medecine et Enfance“ 2001