Hepatitis C


Klassifikation nach ICD-10
B17.1 Akute Virushepatitis C
B18.2 Chronische Virushepatitis C
ICD-10 online (WHO-Version 2019)

Die Hepatitis C ist eine durch das Hepatitis-C-Virus verursachte Infektionskrankheit beim Menschen. Sie zeichnet sich durch eine hohe Rate der Chronifizierung aus (bis 80 %), die im Verlauf zu schweren Leberschädigungen wie der Leberzirrhose und dem Leberzellkarzinom führen kann. Die Übertragung erfolgt parenteral über Blut; eine Therapie ist je nach Genotyp des Hepatitis-C-Virus in eingeschränkter Form möglich. Eine Impfung gegen Hepatitis C ist bisher nicht möglich.

Erreger

Das Hepatitis-C-Virus (HCV) wurde im Jahre 1989 mit Hilfe gentechnischer Methoden (Nachweis des Erbmaterials) erstmals identifiziert[1] (vorher Hepatitis non-A non-B). Es ist ein 45 nm großes behülltes Einzel(+)-Strang-RNA-Virus und gehört zur Gattung Hepacivirus der Familie der Flaviviridae. Man kann sechs Genotypen und 30 Subtypen unterscheiden. So findet man beispielsweise in Europa und in den USA vorwiegend die Genotypen 1, 2 und 3 und in Afrika Typ 4. Der Mensch ist der einzige natürliche Wirt des Hepatitis-C-Virus.

Übertragung

Bei etwa 30 % der Erkrankungen lässt sich im Nachhinein der Infektionsweg nicht mehr nachvollziehen. Erhöhte Infektionsgefahr besteht heute für Konsumenten von Drogen wie Heroin, die intravenös konsumieren und dasselbe Spritzbesteck mit anderen Konsumenten teilen, wie auch der nasale Drogenkonsum durch gemeinsame Benutzung von Aspirationsröhrchen. Auch Tätowierungen und Piercings sind bei Verwendung verunreinigter Instrumente ein Risikofaktor. Häufige Infektionswege sind die Verletzung mit spitzen und scharfen Instrumenten (Nadelstichverletzung (NSV)) bei gleichzeitiger Übertragung kontaminierten Blutes. Das Risiko der Ansteckung nach einer NSV mit bekannt positivem „Spender“ wird in der Literatur mit 3 bis 10 Prozent angegeben. Es ist damit höher als das durchschnittliche Risiko der Übertragung des AIDS-Erregers HIV, erscheint aber wie beim HIV stark abhängig von der Virämie des Indexpatienten.

Auch betroffen waren bis etwa zum Jahr 1990 Hämophilie-Patienten, die zum Beispiel bei operativen Eingriffen auf Spenderblut/-plasma oder auf aus Menschenblut hergestellte Gerinnungspräparate angewiesen waren. Damals wurde Hepatitis C und auch B vielfach unbemerkt auf diese Patienten übertragen. Mit der Einführung moderner Testverfahren, mit deren Hilfe heute über 99 % Hepatitis-C-positiver Spender identifiziert werden können, besteht nur noch ein minimales Risiko einer Ansteckung durch eine Blutübertragung. Ein weiterer möglicher Infektionsweg ist eine Lebertransplantation.

Die sexuelle Übertragung der Hepatitis C ist selten. Da das Virus durch Blut übertragen wird, sind Sexualpraktiken, die ein höheres Risiko von Schleimhautverletzungen beinhalten, wie der ungeschützte Analverkehr, mit höherem Risiko behaftet. Die Häufigkeit der Übertragung des Virus von der schwangeren Mutter auf das ungeborene Kind wird bei einer komplikationslosen Entbindung auf unter 5 % geschätzt. Bei einer Koinfektion mit dem HI-Virus kann die Übertragung auf bis zu 14 % steigen.

Die Inkubationszeit liegt zwischen 2 und 26 Wochen (6 Monaten).

Epidemiologie

Die Prävalenz beträgt weltweit 2,6 %, in Deutschland 0,5 % und in den Hochrisikogebieten der Welt (dunkelrote Gebiete auf der Karte) 5,0 % und mehr – in der Mongolei bis 48 %.[2]

Verbreitung Hepatitis C (Stand 1999)

Zur epidemiologischen Situation der Hepatitis C werden jedes Jahr durch das Robert-Koch-Institut Zahlen veröffentlicht. Diese belaufen sich für das Jahr 2005 auf 8308 gemeldete Erstdiagnosen in Deutschland (Quelle: RKI, Epidemiologisches Bulletin 13/2006). Davon wurden etwas mehr als 50 % labordiagnostisch festgestellt und waren ohne typisches klinisches Krankheitsbild. Die Unterscheidung zwischen akuten und schon länger bestehenden HCV-Infektionen ist labordiagnostisch nicht möglich.

Weltweit sind etwa 170 Millionen Menschen mit dem HC-Virus infiziert, in Deutschland sind 400.000 bis 500.000 Menschen davon betroffen (RKI, Epidemiologisches Bulletin 46/2005). Die Hauptrisikogruppe für eine HCV-Infektion sind intravenös injizierende Drogenkonsumenten, von denen 60 bis 90 Prozent Träger von HCV sind.[3] Umgekehrt wiesen in einer US-amerikanischen Untersuchung 48,4 % aller anti-HCV-positiven Personen im Alter zwischen 20 und 59 Jahren einen intravenösen Drogenkonsum auf.[4]

Diagnostik

Die Diagnose erfolgt durch Nachweis virusspezifischer Antikörper gegen Struktur-und Nichtstrukturproteine mittels Enzymimmunoassays und Immunoblots sowie durch Nachweis von Teilen des Virusgenoms (HCV-RNA) mittels Polymerase-Kettenreaktion (RT-PCR). Liegt ein sicher positiver Antikörpertest und eine im Abstand von mindestens drei Monaten mehrfach negative PCR vor, so kann von einer früheren ausgeheilten Infektion ausgegangen werden. Eine Leberbiopsie vermag zuverlässige Aussagen über das Stadium der Krankheit (Stadium der Gewebsschädigung) zu treffen. Anders als bei anderen Hepatitiden sind die Transaminase-Werte des Bluts (GGT, GOT, GPT) häufig von der Schwere bzw. dem Stadium der Erkrankung unabhängig und daher kein sicherer Marker für den tatsächlichen Krankheitsverlauf.

Verlauf

Die Hepatitis C wird in der Akutphase aufgrund des meist symptomlosen oder symptomarmen Verlaufs (in 85 % der Fälle) oftmals nicht diagnostiziert. Mögliche Beschwerden nach einer Inkubationszeit von 20 bis 60 Tagen sind Müdigkeit, Abgeschlagenheit, Appetitlosigkeit, Gelenkschmerzen, Druck- oder Spannungsgefühl im rechten Oberbauch, möglicherweise auch ein Gewichtsverlust. Bei einigen Betroffenen kommt es zu einer Gelbsucht; der Urin kann sehr dunkel, der Stuhl lehmfarben sein.[5] Damit wird die Erkrankung in vielen Fällen vom Betroffenen gar nicht oder lediglich als vermeintlich grippaler Infekt wahrgenommen. Die Akutphase geht jedoch in mehr als 70 % der Fälle in eine chronische Verlaufsform über. Aufgrund der hohen Virusvariabilität und der wahrscheinlich spezifischen Unterdrückung einer ausreichenden T-Zell-Antwort kommt es zu einer ständigen Vermehrung des Virus und damit zu einer chronischen Infektion. Bleibt die Infektion dann unbehandelt, so führt sie bei ca. einem Viertel der Patienten im Langzeitverlauf nach etwa 20 Jahren zur Leberzirrhose. Außerdem besteht ein erhöhtes Risiko für ein Leberzellkarzinom.

Im Verlauf einer chronischen HCV-Infektion kann es zu weiteren, meist Antikörper-vermittelten Erkrankungen kommen. Zu diesen zählt die Kryoglobulinämie (besonders häufig bei Genotyp 2), das Sjögren-Syndrom, die Panarteriitis nodosa und eine Immunkomplex-Glomerulonephritis. Im gesicherten kausalen Zusammenhang mit der HCV-Infektion werden als extrahepatische Erkrankungen die Insulinresistenz/Diabetes mellitus, kryoglobuliämische Vaskulitis, lymphoproliferative Erkrankungen, Einschränkung der Leistungsfähigkeit (Müdigkeit, Abgeschlagenheit), depressive Symptome beschrieben.[6]

Standardtherapie

Die Standardbehandlung besteht derzeit (Stand 2009) aus einer kombinierten Therapie mit pegyliertem Interferon α (Peginterferon alfa-2a bzw. Peginterferon alfa-2b) und dem Virostatikum Ribavirin über eine Dauer von 24 bis 48, selten 72 Wochen. Peg-Interferon wird einmal wöchentlich als Spritze unter die Haut gesetzt, Ribavirin wird täglich in Tablettenform (bei Kindern teilweise auch flüssig) verabreicht.

Ziel der Behandlung ist, dass sechs Monate nach dem Therapieende weiterhin kein Virus mehr nachweisbar ist (HCV-RNA negativ). Ist dieser Punkt erreicht, gelten Patienten als geheilt. Spätere Rückfälle sind sehr selten.

Abhängig von dem beim Patienten vorliegenden Genotyp des Virus besteht mit dieser Therapie eine Chance von etwa 50 bis 80 %, das Virus dauerhaft zu eliminieren. Bei den Genotypen 2 und 3 ist die Erfolgswahrscheinlichkeit deutlich höher als beim Genotyp 1. Weitere wichtige Faktoren für einen Therapieerfolg sind Alter, Geschlecht, Viruslast, Dauer der Erkrankung, Körpergewicht und Schädigungsgrad der Leber. Zusätzliche Erkrankungen wie eine HIV- oder Hepatitis-B-Infektion können den Therapieerfolg erschweren.

Inzwischen wird die Therapiedauer nicht nur nach dem Genotyp angepasst, sondern auch danach, wie schnell oder langsam die Virusmenge in den ersten 4, 12 und ggf. 24 Wochen abfällt.

Bei der Hepatitis-C-Behandlung ist mit zahlreichen Nebenwirkungen zu rechnen, die je nach Patient unterschiedlich stark ausgeprägt sind. (Peg)-Interferon α kann unter anderem zu grippalen Symptomen (Fieber, Schüttelfrost), Müdigkeit, leichtem Haarausfall, Fehlfunktionen der Schilddrüse und psychischen Nebenwirkungen wie Depressionen, Aggressionen oder Angstzuständen führen. Wenn Patienten bereits eine Vorgeschichte von Depressionen haben, kann in ausgewählten Fällen bereits vor Beginn einer Interferon-Therapie ein Antidepressivum gegeben werden. Die häufigste Nebenwirkung von Ribavirin ist eine Verminderung der roten Blutkörperchen (Hämolyse); diese kann dazu führen, dass die Ribavirin-Dosis reduziert und in schweren Fällen die Therapie vorzeitig beendet wird. Da eine ausreichende Ribavirinmenge wichtig für die Heilungschancen ist, versucht man jedoch, Dosisreduktionen möglichst zu vermeiden.

Die Entscheidung für oder gegen eine Therapie wird individuell gefällt. Wichtig für die Entscheidung sind der jeweilige Krankheitsverlauf, eventuelle Kontraindikationen und die voraussichtlichen Therapiechancen, aber auch die Lebenssituation des Betroffenen. Die Behandlung sollte von einem therapieerfahrenen Arzt durchgeführt und überwacht werden.

Neue Medikamente

Neben neuen Interferonen und Ersatzstoffen für Ribavirin wird auch an Mitteln geforscht, die das Virus direkt in seiner Vermehrung behindern (Protease- und Polymerasehemmer). In Studien werden eine Reihe dieser Wirkstoffe bereits geprüft; im Mai 2011 wurden von der Food and Drug Administration die beiden Proteaseinhibitoren Telaprevir und Boceprevir in den USA zugelassen,[7] es folgten die Zulassungen in der EU im Juli und September 2011. Sowohl Boceprevir als auch Telaprevir müssen jeweils mit Peg-Interferon und Ribavirin kombiniert werden, zudem sind diese Substanzen nur für den Genotyp 1 des Hepatitis-C-Virus zugelassen. Es zeigte sich in Studien, dass Protease- und Polymerasehemmer als Einzelsubstanzen das Hepatitis-C-Virus in der Regel nicht eliminieren können; zunächst senken sie die Viruslast deutlich ab, rufen aber rasch Resistenzen hervor, wodurch die Virenmenge wieder ansteigt. Die Dreifachtherapien mit Telaprevir bzw. Boceprevir sind beim Genotyp 1 nun deutlich wirksamer, allerdings sind zusätzliche Nebenwirkungen und Wechselwirkungen mit anderen Medikamenten zu beachten. Sowohl Telaprevir als auch Boceprevir können die Blutarmut (Anämie) verstärken. Beim Telaprevir werden insbesondere Hautausschläge und Juckreiz im Analbereich häufiger beobachtet. Beim Boceprevir können Geschmacksveränderungen (Dysgeusie) öfter auftreten.[8][9]

Zahlreiche weitere antivirale Substanzen sind in der Erforschung, großenteils noch mit Peg-Interferon und Ribavirin; seit einiger Zeit wird auch an interferonfreien Therapien gegen Hepatitis C geforscht, bei denen verschiedene neuartige Substanzen miteinander kombiniert werden.[10] Im April 2011 wurde auf dem Leberkongress EASL erstmals von interferonfreien Heilungen unter kontrollierten Bedingungen berichtet: 4 von 11 Hepatitis-C-Patienten mit dem Genotyp 1 konnten durch eine interferonfreie Behandlung mit den Substanzen Asunaprevir und Daclatsavir geheilt werden[11] Weitere interferonfreie Kombinationstherapien sind in Erforschung.[12] Eine 12-wöchige Kombinationstherapie aus GS-7977 (PSI-7977) mit Ribavirin konnte 10 von 10 Hepatitis-C-Patienten mit dem Genotyp 2 und 3 heilen,[13] diese Zweifachkombination reichte aber bei erfolglos vorbehandelten Genotyp-1-Patienten ("Null-Responder") nicht zur Heilung aus.[14] Grundsätzlich muss jede neuartige Substanz gründlich in Studien auf Sicherheit und Wirksamkeit getestet werden, bevor eine Zulassung möglich ist.

Vorbeugung

Trotz intensiver Bemühungen konnte bis heute ein Impfstoff zur aktiven Immunisierung gegen Hepatitis C nicht bis zur Zulassung gebracht werden. Die bisherigen Schutzmaßnahmen beschränken sich daher auf die Verhinderung der Exposition, indem Blut-zu-Blut-Kontakte mit Infizierten vermieden werden, also beispielsweise bei intravenösem Drogenkonsum jeder nur seine eigene Spritze und Nadel verwendet. Um die Versuchung zum gemeinsamen Spritzengebrauch zu vermindern, bieten Drogenberatungsstellen kostenlos Injektionsbestecke an. Infizierte sollten lernen, „Blut-Vorsicht“ zu üben (Aids-Hilfe). Dazu gehört überwiegend, auf mögliche Blutkontakte aufmerksam zu werden und die gemeinsame Benutzung von Nagelscheren, Rasiermessern und auch Zahnbürsten mit Nicht-Infizierten zu vermeiden. Zudem sollte beim genitalen Geschlechtsverkehr ein Kondom benutzt werden.

Es gibt keine Postexpositionsprophylaxe nach einer Infektion mit Hepatitis C, wie sie bei Hepatitis B oder HIV bekannt ist. Wird Hepatitis C jedoch im ersten halben Jahr nach der Infektion entdeckt und behandelt, kann eine 24-wöchige Interferon-Therapie in mehr als 90 % der Fälle zur Heilung führen, bevor die Erkrankung einen chronischen Verlauf nimmt.

Übertragung von Hepatitis-C-Viren durch ärztliche Maßnahmen

Übertragung im Rahmen einer Bilharziose-Behandlung

Während der 1950er bis in die 1980er Jahre bekämpften die ägyptischen Gesundheitsbehörden zusammen mit der Weltgesundheitsorganisation die dort sehr häufige Bilharziose mit organisierten Kampagnen, bei denen den Erkrankten Brechweinstein (tartar emetic) injiziert wurde. Vermutlich über nicht ausreichend desinfizierte Kanülen kam es zu Ansteckungen mit dem Hepatitis-C-Virus. In späteren serologischen Untersuchungen waren bei 70-90 % aller Fälle von chronischer Hepatitis, Leberzirrhose und Leberzellkarzinomen die Virusantigene nachzuweisen. Die Zahl der betroffenen Personen wird auf sechs Millionen geschätzt. Da die genannten Komplikationen einer Hepatitis-C-Virusinfektion häufig erst nach zwanzig Jahren auftraten, steht nach Ansicht von Infektiologen der Höhepunkt in der Epidemie von Leberkrankheiten in Ägypten noch bevor.[15] Es handelt sich vermutlich um den schwersten Fall von durch ärztliche Maßnahmen (iatrogen) übertragene Krankheitserreger in der Geschichte.[16]

Übertragung im Rahmen einer Anti-D-Immunprophylaxe

Die Anti-D-Immunprophylaxe soll dazu dienen, bei einer Mutter, der der Rhesusfaktor D fehlt (rhesus-negativ), in einer zweiten Schwangerschaft eine Abstoßungsreaktion gegen einen rhesus-positiven Fötus zu unterbinden. Bei der Geburt gelangt immer Blut des Kindes in den Blutkreislauf der Mutter. Ist die Frau rhesus-negativ, ihr Kind dagegen rhesus-positiv, so kann die Frau Antikörper gegen den für sie fremden Rhesusfaktor entwickeln. Bei einer weiteren Schwangerschaft mit einem ebenfalls rhesus-positiven Fötus können die mütterlichen Antikörper dann die Plazenta passieren und zu Behinderungen beim Fötus bis hin zum Absterben führen. Um das zu vermeiden, werden direkt nach der Geburt des ersten und weiterer Kinder Anti-D-Immunglobuline gespritzt und so die nachfolgenden Geschwister geschützt.

Deutschland

In der DDR war die Anti-D-Immunprophylaxe gesetzlich vorgeschrieben. In den Jahren 1978 und 1979 erhielten dabei mehrere tausend Frauen – in Presseberichten war von 6.700 die Rede[17] – mit Hepatitis-C-Viren verseuchte Immunglobuline. Der Hersteller (BIBT Halle) und Patentinhaber der DDR-Anti-D-Immunprophylaxe hatte 1978 bereits vor der Produktion der relevanten Serum-Chargen von der Hepatitis-C-Viruskontamination des Ausgangsmaterials (Blutplasma) Kenntnis.[18] Die Spender des Blutplasma (Produktionsrohstoff der Anti-D-Immunprophylaxe) befanden sich wegen akuter NonA-nonB-Hepatitis (Hepatitis-C-Virus) in stationärer Behandlung, und damit stand bereits vor der AntiD-Serumherstellung fest, dass das von den stationär Erkrankten gespendete Blutplasma NonA-nonB-(Hepatitis-C-) viruskontaminiert sein musste. Es handelte sich somit nicht nur um einen Arzneimittelskandal, sondern um die größte Arzneimittelstraftat der DDR, wie in den Akten der nicht öffentlichen Hauptverhandlung des 4. Strafsenats des Bezirksgerichts Halle/Saale (Aktenzeichen 4 BS 13/79 vom 27. November 1979) dokumentiert ist. Die viruskontaminierten Chargen waren vom Bezirksinstitut für Blutspende- und Transfusionswesen des Bezirks Halle (BIBT) und vom Staatlichen Kontrollinstitut für Seren und Impfstoffe (Quelle: Ermittlungsakten zu Aktenzeichen 4 BS 13/79) freigegeben worden. Die AntiD-Arzneimittelstraftatsopfer wurden zunächst nach dem „Gesetz zur Verhütung und Bekämpfung übertragbarer Krankheiten beim Menschen“ (GüK) der DDR unterstützt. Die Bundesregierung im wiedervereinigten Deutschland argumentierte dann, die Entschädigung sei Ländersache. Die betroffenen Frauen galten als „impfgeschädigt“ und erhielten deswegen Leistungen nach dem Bundesseuchengesetz. Am 9. Juni 2000 verabschiedete der Bundestag das „Gesetz über die Hilfe für durch Anti-D-Immunprophylaxe mit dem Hepatitis-C-Virus infizierte Personen“ (Anti-D-Hilfegesetz – AntiDHG).[19] In ihm erhalten infizierte Frauen, ihre nach der Immunprophylaxe geborenen infizierten Kinder sowie andere infizierte Kontaktpersonen einen Anspruch auf Krankenbehandlung und finanzielle Hilfe. Die Rentenleistungen liegen zwischen 271 und 1082 Euro monatlich (Stand: 2004). 2464 Anträge wurden anerkannt. Der Höhepunkt der Einmalzahlungen wurde im Jahr 2000 mit sieben Millionen Euro erreicht; außerdem werden jährlich rund zwei Millionen Euro an Renten ausgezahlt, die mindestens zur Hälfte vom Bund finanziert werden. 2001 prüfte der Bundesrechnungshof die Umsetzung des Gesetzes und bemängelte den uneinheitlichen Umgang mit den Anträgen in den Ländern; er regte eine schärfere Bundesaufsicht an.[20] Geht man nach der Zahl der Betroffenen, handelt es sich – nach dem Contergan-Skandal – um die größte Arzneimittelstraftat der deutschen Nachkriegsgeschichte. Aus der alten Bundesrepublik Deutschland sind derartige Vorfälle nicht bekannt.

Irland

In Irland werden Blutspenden seit Oktober 1991 auf Antikörper gegen das Hepatitis-C-Virus getestet. In einer regionalen Studie stellte sich dabei heraus, dass 13 von 15 infizierten Frauen rhesus-negativ waren (zu erwarten gewesen wären drei); sie waren zugleich erheblich älter als der Durchschnitt der Spender. Zwölf dieser Frauen hatten 1977 eine Anti-D-Immunprophylaxe erhalten. Diese Entdeckung löste eine Vertrauenskrise in den Blutspendedienst (Irish Blood Transfusion Service Board) aus. 1996 wurde eine nationale Untersuchungskommission eingerichtet. Über 62.000 Frauen, die zwischen 1970 und 1994 eine Immunprophylaxe erhalten hatten, wurden getestet, wobei sich bestätigte, dass Chargen von Anti-D-Immunglobulinen, die 1977 und 1978 verwendet worden waren, mit Hepatitis-C-Viren kontaminiert gewesen waren. Die Kommission kam zu dem Ergebnis, dass das Blutplasma einer einzigen kontaminierten Person zu der Verseuchung geführt hatte. 1997 wurde ein Tribunal eingerichtet, das über Entschädigungsansprüche entscheiden sollte. Von 1871 Anträgen wurden 1042 (Stand: November 1998) als berechtigt anerkannt und Entschädigungen im Gegenwert von insgesamt 219 Millionen US-Dollar gezahlt. Das entspricht einer durchschnittlichen Entschädigung von 210.173 Dollar pro Fall.[21]

22 Jahre nach der ursprünglichen Infektion wurden 155 Frauen nachuntersucht. Die häufigsten berichteten Symptome waren Müdigkeit und Gelenkschmerzen; 77 Prozent der Frauen zeigten außerdem klinisch bedeutsame Angstsymptome. Nur bei 87 Frauen ließ sich die Hepatitis-C-Infektion noch mit PCR nachweisen, die anderen schienen das Virus spontan eliminiert zu haben; allerdings zeigten knapp die Hälfte von diesen noch Antikörper. Auffälligerweise war ausgerechnet in dieser Gruppe jede fünfte Frau an Hepatitis erkrankt. Eine Leberbiopsie wurde auch bei 27 (40 %) der PCR-negativen Patientinnen durchgeführt, hierdurch wurden minimale entzündliche Veränderungen wie geringgradige Entzündung und minimale Fibrosierung festgestellt. 4 (14,8 %) Personen zeigten einen normalen Leberhistologiebefund, 20 (74 %) Personen hatten eine leichte Entzündung und 3 (11,1 %) Personen eine mittelschwere bis schwere Lebererkrankung. Frauen mit nachweisbaren Viren litten nur zu 3,4 Prozent an einer Hepatitis. Die Viruslast scheint also nicht die Stärke der klinischen Symptome wiederzugeben. In keinem einzigen Fall konnte eine Zirrhose oder ein Leberzellkarzinom nachgewiesen werden. Insgesamt zeigte diese Studie, dass in einem überraschend hohen Anteil der Frauen ihr Körper die Viren eliminiert hatte und dass die Krankheit nicht dazu neigt, im Laufe der Jahre schlimmer zu werden. Trotz des hier gesehenen günstigen Krankheitsverlaufs bestanden starke psychologische Stresssymptome und eine schlechte Lebensqualität.[22]

Übertragung durch Blutgerinnungsmittel

In Japan haben seit dem Oktober 2002 etwa 240 Personen den Staat wegen Infektion mit Hepatitis-C-Viren durch Blutgerinnungsmittel, speziell Fibrinogen, verklagt. Die meisten Erkrankten hatten die Blutprodukte während einer Entbindung übertragen bekommen. Im Januar 2008 beendete die Regierung die Gerichtsverfahren mit einem Vergleich: Auf dieser Grundlage erließ das japanische Parlament am 15. Januar ein Gesetz, das den Opfern Entschädigungen zwischen 12 und 40 Millionen Yen (etwa 75- bis 250.000 Euro) zusprach.[23] Als anspruchsberechtigt wurden zunächst etwa 1000 Menschen bezeichnet. Premierminister Yasuo Fukuda entschuldigte sich bei den Betroffenen und übernahm im Namen des Staates die Verantwortung. Der Entschädigungsfonds wird mit 20 Milliarden Yen ausgestattet, in ihn sollen auch die Hersteller der kontaminierten Blutprodukte einzahlen.[24] Am 15. Februar 2008 enthüllte das Gesundheitsministerium, dass die tatsächliche Zahl der infizierten Personen sich vermutlich auf 8.896 beläuft. Bisher seien erst rund 40 Prozent der Betroffenen informiert worden. Als Hersteller der kontaminierten Blutprodukte werden drei Firmen, die Mitsubishi Tanabe Pharma Corp., sowie ihre Tochterunternehmen Benesis Corp. und Nihon Pharmaceutical Co., genannt. Bei Mitsubishi Tanabe handelt es sich um den Nachfolger der Green Cross Corp., die das Fibrinogen ursprünglich herstellte. Green Cross war in Japan bekannt geworden, weil zahlreiche Menschen Aids entwickelten, nachdem es mit HIV kontaminierte Blutprodukte verkauft hatte.[25]

Übertragung durch verseuchte Spritzen

Nach einer Studie der Universität Valencia hat der Anästhesist Juan Maeso Vélez zwischen 1994 und 1998 in zwei Krankenhäusern von Valencia mindestens 171 Patienten mit Hepatitis C infiziert. Die Studie, mit der es gelang, Maeso als einzige Quelle dingfest zu machen, wurde im Rahmen eines Gerichtsverfahrens im Jahr 2000 angefertigt.[26] In Deutschland trifft einen Patienten, der sich in kurzem zeitlichen Zusammenhang mit einer Infusion mit Hepatitis-C infiziert hat, nach höchstrichterlicher Rechtsprechung die volle Beweislast dafür, dass die Erreger durch die Infusion übertragen worden sind.[27]

In einer Klinik in Las Vegas haben sich nach Presseberichten mehrere Menschen durch unsaubere Spritzen mit Hepatitis-Viren bzw. dem Aids-Erreger HIV infiziert. Seit März 2004 sollen die Mitarbeiter im „Endoscopy Center of Southern Nevada“ Einweg-Spritzen und Einweg-Injektionsfläschchen gemäß Anweisung des Klinikdirektors mehrfach verwendet haben, so dass auf diesem Weg die Viren übertragen werden konnten. Der Skandal kam ans Licht, als im Februar 2008 sechs Hepatitis-C-Erkrankungen an den zuständigen Bezirk gemeldet wurden.[28]

Einzelnachweise

  1. Choo QL, Kuo G, Weiner AJ, Overby LR, Bradley DW, Houghton M. Isolation of a cDNA clone derived from a blood-borne non-A, non-B viral hepatitis genome. Science 1989 Apr 21;244(4902): 359-62. PMID: 2523562
  2. Fujioka S, Shimomura H, Ishii Y, Kondo J, Fujio K, Ikeda F, et al. Prevalence of hepatitis B and C virus markers in outpatients of Mongolian general hospitals. Kansenshogaku Zasshi 1998;72:5–11.
  3. Seger, Gabriele: „Drogen und Hepatitis C: Neue Konzepte der Prävention gesucht“ Dtsch Arztebl 2004; 101(27)
  4. Armstrong GL, Wasley A, Simard EP, McQuillan GM, Kuhnert WL, Alter MJ.:„The prevalence of hepatitis C virus infection in the United States, 1999 through 2002.“ Ann Intern Med. 2006 May 16;144(10):705-14.
  5. Centers for Disease Control and Prevention: Hepatitis C FAQs for Health Professionals
  6. Leitlinie
  7. Pressemitteilungen der FDA vom 13. Mai 2011 sowie dem 23. Mai 2011; zuletzt abgerufen am 23. Mai 2011
  8. Arzneimittelinformationen der European Medicines Agency zu Telaprevir
  9. Arzneimittelinformationen der European Medicines Agency zu Boceprevir
  10. Natap.org: New HCV Drugs at AASLD. http://www.natap.org/2011/AASLD/AASLD_94.htm
  11. Anna S. Lok et al.: Preliminary Study of Two Antiviral Agents for Hepatitis C Genotype 1"". In: N Engl J Med 2012;366:216-24.].
  12. Natap.org: Are we ready for IFN-free treatment regimens?
  13. http://www.natap.org/2011/AASLD/AASLD_07.htm
  14. Deutsche Leberhilfe e.V.: Hepatitis C: Rückschlag für GS-7977 bei Nullrespondern mit dem Genotyp 1.
  15. G. T. Strickland: Liver disease in Egypt: hepatitis C superseded schistosomiasis as a result of iatrogenic and biological factors. In: Hepatology. Bd. 43, Nr. 5, 2006, S. 915-922.
  16. C. Frank u. a.: The role of parenteral antischistosomal therapy in the spread of hepatitis C virus in Egypt. In: Lancet. Bd. 355, Nr. 9207, 2000, S. 887-891.
  17. Entschädigung für Hepatitis-C-Infizierte. In: Deutsches Ärzteblatt. Bd. 94, Nr. 9, 1997, S. A-500 / B-422 / C-398. ([1])
  18. Große Anfrage der Abgeordneten Horst Schmidbauer u.a. zur Infektion durch Hepatitis C-kontaminiertes Plasma 1978/1979 in der DDR [2] Deutscher Bundestag, Drucksache 13/1649 vom 7. Juni 1995
  19. Gesetz über die Hilfe für durch Anti-D-Immunprophylaxe mit dem Hepatitis-C-Virus infizierte Personen (Anti-D-Hilfegesetz – AntiDHG) ([3])
  20. Deutscher Bundestag, Drucksache 15/2792 (PDF).
  21. Elizabeth Kenny-Walsh: Clinical Outcomes after Hepatitis C Infection from Contaminated Anti-D Immune Globulin. In: The New England Journal of Medicine. Bd. 340, Nr. 16, 1999, S. 1228-1233.
  22. S. Barrett u. a.: The natural course of hepatitis C virus infection after 22 years in a unique homogenous cohort: spontaneous viral clearance and chronic HCV infection. In: Gut. Bd. 49, 2001, S. 423-430.
  23. Hepatitis C victims settle lawsuits filed against state. In: The Japan Times. 5. Februar 2008. ([4])
  24. Hepatitis C bill offering aid, apology clears Diet. In: The Japan Times. 12. Januar 2008. ([5])
  25. Report increases hepatitis C exposure cases to 8,896. In: The Japan Times. 16. Februar 2008. ([6])
  26. El ADN revela que el anestesista Maeso contagió la hepatitis C a 171 pacientes. In: El País 24. Februar 2000. ([7])
  27. BGH, Urteil vom 17. Januar 2012 (VI ZR 336/10)
  28. Klinikpersonal benutzte verseuchte Spritzen an 40.000 Patienten – auf Anweisung. In: Spiegel Online. 29. Februar 2008. ([8])

Literatur

  • H. Wedemeyer, M. Cornberg, M.P. Manns: PEG-Interferone: Bedeutung für die Therapie der Virushepatitis B und C, Dtsch Med Wochenschr. 2001 Jun 1;126 Suppl 1:S68–75, PMID 11450618
  • Herrmann E, Sarrazin C.: Hepatitis-C-Virus – Viruskinetik und Resistenzmechanismen. Z Gastroenterol 1998;36:997–1008, PMID 15136939
  • Hadem J, Wedemeyer H, Manns MP: Hepatitis als Reisekrankheit. Internist, 2004;45:655–668, PMID 15118829
  • Gert Frösner: Moderne Hepatitisdiagnostik. ISBN 3-932091-50-7
  • Stefan Zeuzem: Hepatitis C im Dialog – 100 Fragen – 100 Antworten. ISBN 3-13-133391-X
  • Das Deutsche Hepatitis-C Handbuch. Herausgeber: Deutsches Hepatitis C Forum e. V., ISBN 3000040250
  • Hofmann, W.P.: Behandlung von Patienten mit chronischer Hepatitis C: Aktueller HCV-Therapiestandard. In: Dtsch Arztebl Int. Nr. 109(19), 2012, S. 352-8 (Übersichtsarbeit).

Weblinks