Tenofovir


Strukturformel
Strukturformel von Tenofovir
Allgemeines
Freiname Tenofovir
Andere Namen
  • (R)-[2-(6-Amino-9H-purin-9-yl)-1-methylethoxy] methylphosphonsäure (IUPAC)
  • Tenofovirum (Latein)
Summenformel C9H14N5O4P
Kurzbeschreibung

Kristalle [1]

Externe Identifikatoren/Datenbanken
CAS-Nummer
  • 147127-20-6 (Tenofovir)
  • 201341-05-1 (Tenofovir disoproxil)
  • 202138-50-9 (Tenofovir disoproxil fumarat)
PubChem 464205
DrugBank DB00300
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Arzneistoffangaben
ATC-Code

J05AF07

Wirkstoffklasse

Virostatika

Wirkmechanismus

Nukleosidische Reverse-Transkriptase-Inhibitoren

Eigenschaften
Molare Masse 287,21 g·mol−1
Schmelzpunkt

279 °C [1]

Sicherheitshinweise
GHS-Gefahrstoffkennzeichnung
keine Einstufung verfügbar[2]
Soweit möglich und gebräuchlich, werden SI-Einheiten verwendet. Wenn nicht anders vermerkt, gelten die angegebenen Daten bei Standardbedingungen.

Tenofovir ist ein Virostatikum, das als Arzneistoff in der Behandlung von HIV-1-Infektionen und Hepatitis B verwendet wird. Tenofovir gehört zur Gruppe der nukleotidischen Reverse-Transkriptase-Inhibitoren (NtRTI), die klinisch wie die nukleosidischen Reverse-Transkriptase-Inhibitoren (NRTI) eingesetzt werden. Chemisch handelt es sich um ein Nukleotid-Analogon, das aufgrund seiner strukturellen Verwandtschaft mit dem natürlichen Substrat an dessen Stelle in die Virus-DNA eingebaut wird und in der Folge die Vermehrung der Viren hemmt.

Anwendung als Arzneimittel

Tenofovir wurde 2001 in den USA und 2002 in der EU in Form des Tenofovirdisoproxilfumarats als Filmablette zur Behandlung von Infektionen mit dem humanen Immundefizienzvirus (HIV) bei Erwachsenen zugelassen, wobei es stets in Kombination mit anderen antiretroviralen Arzneimitteln anzuwenden ist. 2008 wurde die Indikation erweitert um die Behandlung der chronischen Hepatitis B bei Erwachsenen mit einer kompensierten Lebererkrankung, wenn diese mit bestimmten Befunden, wie etwa erhöhten Alanin-Aminotransferase- Serumwerten, aktiver Leberentzündung bzw. Leberfibrose und nachgewiesener aktiver Virusreplikation einhergeht.

2010 wurde eine Studie bekannt, in der die Wirksamkeit von Tenofovir bei der AIDS-Prophylaxe von Frauen untersucht wurde. Die Verabreichung des Wirkstoffs als Vaginalcreme konnte demzufolge das Risiko einer HIV-Infizierung beim Geschlechtsverkehr um 39 % reduzieren.[4] Allerdings wurde in einer späteren Studie der US-amerikanischen National Institutes of Health gezeigt, dass das Präparat als Vaginalcreme wirkungslos ist.[5]

2012 hat die FDA eine Kombination der Wirkstoffe Tenofovir und Emtricitabin in Tablettenform zur HIV-Prävention zugelassen.[6] Studien der Family Health International (FHI) deuten aber darauf hin, dass auch diese Darreichungsform nur das Infektionsrisiko bei Männern senke, nicht jedoch bei Frauen.[7]

Wirkungsmechanismus

Tenofovirdisoproxil ist ein Prodrug. Nach Resorption entsteht das mit Adenosinmonophosphat strukturell verwandte Nukleotid-Analogon Tenofovir, das in Virus-befallenen Zellen phosphoryliert wird zum aktiven Tenofovirdiphosphat. Dieses konkurriert in der Nukleinsäuresynthese mit dem natürlichen Substrat Desoxyadenosintriphosphat und inaktiviert für die Reproduktion wichtige virale Enzyme wie die Reverse Transkriptase des HI-Virus bzw. die DNA-Polymerase des Hepatitis-B-Virus („Suizid-Inhibition“). In die DNA eingebaute Nukleotide verhindern außerdem durch ihre chemische Struktur die Anknüpfung weiterer Nukleotide und es kommt zum Kettenabbruch.[8][9]

Pharmakokinetik

Die orale Bioverfügbarkeit von Tenofovir beträgt nach nüchterner Einnahme etwa 25 % und erhöht sich mit Nahrungsaufnahmen auf 40 %. Die Plasmaproteinbindung ist gering. Das Potential für Cytochrom P450-vermittelte Wechselwirkungen zwischen Tenofovir und anderen Arzneimitteln wird als gering eingeschätzt.[9] Tenofovir wird größtenteils unverändert renal sowohl durch glomeruläre Filtration als auch durch aktive tubuläre Sekretion ausgeschieden. Die terminale Plasmahalbwertszeit liegt bei 12–18 Stunden.[8][9]

Nebenwirkungen und Anwendungsbeschränkungen

Es liegen keine Daten vor über die Anwendung bei Kindern unter 18 Jahren oder bei Patienten über 65 Jahren. Vorsicht ist bei der Therapie niereninsuffizienter Patienten geboten. Aufgrund unzureichender Daten sollte die Nutzen-Risiko-Abwägung in der Schwangerschaft dementsprechend vorgenommen werden. Da nicht bekannt ist, ob Tenofovirdisoproxil in die Muttermilch übertritt, sollten Patientinnen unter der Einnahme von Tenofovirdisoproxil vom Stillen absehen. Es können hauptsächlich gastrointestinale Beschwerden und Kopfschmerzen auftreten, seltener nephrotoxische Nebenwirkungen.[9]

Handelsnamen

Monopräparate

Viread (D, A, CH)

Kombinationspräparate

Atripla (D, A), Truvada (D, A, CH)

Weblinks

Einzelnachweise

  1. 1,0 1,1 The Merck Index: An Encyclopedia of Chemicals, Drugs, and Biologicals, 14. Auflage (Merck & Co., Inc.), Whitehouse Station, NJ, USA, 2006; ISBN 978-0-911910-00-1
  2. Dieser Stoff wurde in Bezug auf seine Gefährlichkeit entweder noch nicht eingestuft oder eine verlässliche und zitierfähige Quelle hierzu wurde noch nicht gefunden.
  3. Tocris Bioscience: Tenofovir
  4. Quarraisha Abdool Karim, Salim S. Abdool Karim, et al.: Effectiveness and Safety of Tenofovir Gel, an Antiretroviral Microbicide, for the Prevention of HIV Infection in Women. Science Express, 19. Juli 2010, doi:10.1126/science.1193748.
  5. NIH Discontinues Tenofovir Vaginal Gel in 'VOICE' HIV Prevention Study. NIH-News, 25. November 20011.
  6. US-Experten empfehlen die Zulassung von Anti-Aids-Pille. Stern, 11. Mai 2012
  7. Truvada: HIV-Präventionsstudie gestoppt. Deutsches Ärzteblatt, 19. April 2011.
  8. 8,0 8,1 Ernst Mutschler, Gerd Geisslinger, Heyo K. Kroemer, Peter Ruth, Monika Schäfer-Korting: Arzneimittelwirkungen. Lehrbuch der Pharmakologie und Toxikologie. 9. Auflage. Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft mbH, Stuttgart 2008, ISBN 3-8047-1952-X.
  9. 9,0 9,1 9,2 9,3 EMA: Zusammenfassung der Merkmale des Arzneimittels Viread