Bulau (Wald)
Die Bulau ist ein ehemals zusammenhängendes Waldgebiet nordöstlich von Hanau. Sie ist ein sehr naturbelassener Wald am Unterlauf der Kinzig und aufgrund des Artenreichtums in weiten Teilen FFH-Schutzgebiet. Außerdem finden sich in der Bulau gut erhaltene Abschnitte des Obergermanisch-Raetischen Limes, die Klosterruine St. Wolfgang sowie das Forstamt Wolfgang mit der hessischen Forstsamendarre. Ob sich der Name vom Pfahl, dem römischen Limes, ableitet, ist bis heute umstritten.
Der Wald
Geographie
Die Bulau liegt westlich der letzten Ausläufer des Naturpark Spessart, nördlich schließt sich das Ronneburger Hügelland und nordwestlich die Wetterau an. Sie erstreckt sich vom Hanauer Ortsteil Wolfgang bis zum Ortsteil Rückingen der Hanauer Nachbargemeinde Erlensee. Die Bulau umfasst einen Teil der Gemarkungen von Rodenbach und dem Hanauer Ortsteil Großauheim. Die Größe des FFH-Gebiets zusammen mit dem benachbarten Naturschutzgebiet Erlensee bei Erlensee beträgt 583 ha.[1]
Geprägt wird der Wald hauptsächlich von der Kinzig und ihrem Nebenfluss Lache, die mit ihren regelmäßigen Überschwemmungen die zahlreichen Bodenmulden und Altarme mit Wasser füllen. Ein Teil der Bodenmulden sind Bombentrichter, Hinterlassenschaften der Luftangriffe auf Hanau im Zweiten Weltkrieg. Entsprechend bildet die Bulau ein natürliches Retentionsgebiet für die flussabwärts in einer Kinzigschleife gelegene Kernstadt Hanaus und den Zufluss zum Main. Zusammen mit dem Retentionsgebiet nordöstlich der A 66 könnte sich bei geringen baulichen Maßnahmen ein zusätzliches Stauvolumen von 3.100.000 m³ ergeben.[2]
Die Autobahnen A 66 und A 45 Dortmund - Aschaffenburg zerteilen das Gebiet der Bulau. Für einen Teil der Schneisen (Waldwege) wurden Brücken errichtet, die ermöglichen, dass Fußgänger, Radfahrer und Forstfahrzeuge die Autobahn überqueren können. Östlich der B43 sind der Bulau eigentlich noch einige Waldgebiete wie die Rote Lache in der Gemarkung Wolfgang zugehörig, die auf topographischen Karten die Bezeichnung Große Bulau tragen.
Flora
Durch großflächige Relikte einer alten Auenlandschaft gehört die Bulau zu den natürlichsten Flusssystemen Hessens. Als Naturschutzgebiet sind große Teile der Bulau von forstwirtschaftlicher Holznutzung weitgehend ausgenommen. Durch regelmäßige Überflutung und relativ späte Belaubung der Stieleichen und Hainbuchen konnten sich vor allem Frühjahrsblüher ansiedeln. An seltenen Pflanzen sind Breitblättrige Stendelwurz, Wasserschwertlilie, Maiglöckchen, Waldschlüsselblume, Sumpf-Veilchen und Gemeiner Bärlauch nachgewiesen. Letzterer sorgt im Frühjahr für einen deutlichen Bärlauch-Geruch im kompletten Waldgebiet.
Fauna
Zusammen mit den Kinzigwiesen bei Erlensee und dem durch Kies- und Sandabbau entstandenen Baggersee (16,5 ha) gehört die Bulau zu den artenreichsten Gebieten der Region. Der See dient weiterhin als Rast- und Brutplatz für einige wassergebundene Vogelarten, darunter Haubentaucher, Flussregenpfeifer, Reiherente, Tafelente, Pfeifente, Kormoran, Graureiher und Eisvogel. In der Bulau leben außerdem Feuersalamander, Kamm-Molche, Gelbbauchunken und Ringelnattern.
Etymologie
Der Name wurde auf einer Karte von 1728 (Friedrich Zollmann, Comitatus Hanau) von Pfahl, also dem Limes abgeleitet, und der Wald als Polau, Pfol- oder Pfalau bezeichnet.[3] Zwar verläuft der Limes durch die Bulau, was aber in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts wenig bekannt war. Heutige Überlegungen zweifeln an dieser Herleitung,[4] da der Name erstmals auf der Zollmannschen Karte erscheint und später von dort übernommen wurde. Bereits der Hanauer Archivar Johann Adam Bernhard, ein Zeitgenosse Zollmanns, wies darauf hin, dass der Name in dieser Form nie vor Erscheinen der Karte belegt ist, stattdessen sind in mittelalterlichen Urkunden die Namensformen Bulahe,[5] Bulaha[6] und Bule[7] belegt.
Ernst Julius Zimmermann wollte im frühen 20. Jahrhundert den Namen von Buchlohe als ein örtliches Synonym für einen Buchenwald ableiten. Der Hanauer Historiker Eckhard Meise lehnt all diese Deutungen ab und bevorzugt eine Ableitung von Bühl, das im süddeutschen Raum recht verbreitet ist. Als demzufolge vorhandenen Hügel favorisiert er die leichte Anhöhe im Bogen der Kinzig, auf der sich die heutige Altstadt Hanau befindet.[4] Eine analoge Verwendung der Bezeichnung „Bulau“ in Bezug auf eine Anhebung gibt es für ein Gebiet südlich von Hanau in Dreieich und Rödermark. [4][8]
Samendarre und Forstamt Wolfgang
Gegründet 1884 [9] liegt im Waldgebiet neben der Ruine des Klosters St. Wolfgang, die dem benachbarten Hanauer Stadtteil den Namen gab, die Hessische Samendarre mit ihren umfangreichen Baumsamenvorräten. Sie ist Teil des Forstamtes Wolfgang und steht wie das Forstamt unter Denkmalschutz.[10] Das Forstamt bietet auch Führungen durch die Bulau an.[11]
Limes
Unter Römischer Herrschaft verlief durch dieses Gebiet der Obergermanisch-Raetische Limes, die Grenze zwischen Römischem Reich und "freiem" Germanien – heute Weltkulturerbe der UNESCO. Der Limes tritt in annäherndem nord-südlichem Verlauf, aus der Wetterau kommend, in die Bulau unmittelbar südlich der Kinzig und des Kastell Rückingen (heute: Erlensee) ein. Auf Erlenseer Gemarkung nördlich der A45 sind wenige Abschnitte gut erhalten, allerdings größtenteils abseits begehbarer Wege. Im Bereich der Autobahn ist er stark zerstört. Erst westlich der Autobahn finden sich wieder besser erhaltenere Abschnitte (ab Wachposten 5/11). Er durchquert den heute noch unbegehbaren Doppelbiersumpf in Form eines Bohlenweges, weil die feuchte Umgebung die Anlage von Wall und Graben schon in der Antike unmöglich machte.
Südlich des Doppelbiersumpfs folgen wieder einige gut erhaltene Abschnitte bis zur erneuten Kreuzung mit der A45. Gut erhalten ist das südlich der Autobahn gelegene Kleinkastell Neuwirtshaus. Der Limes verläuft dort allerdings nur schwach sichtbar unter einem modernen Forstweg. Im Bereich Neuwirtshaus sind die Limesanlagen mit Schautafeln versehen. Bis zum Kastell Großkrotzenburg sind nur noch wenige Abschnitte sichtbar. Dort erreicht der Limes den Main, der im weiteren Verlauf nach Süden die Reichsgrenze bildete (sogenannter Nasser Limes).
Literatur
- Eckhard Meise: Die Landkarte „Comitatus Hanau“ und eine Kontroverse des 18. Jahrhunderts: Woher kommt der Name „Bulau“? In: Neues Magazin für Hanauische Geschichte 2010, S. 9–43.
Weblinks
- Commons: Bulau – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien
- Die Bulau auf hanau.de
- Forstamt Wolfgang
Einzelnachweise
- ↑ hmuelv.hessen.de
- ↑ Retentionskataster Flussgebiet Kinzig, S. 30–33
- ↑ Siehe Fritz-Rudolf Herrmann: Die archäologische Erforschung der Römerzeit in Hessen. In: Dietwulf Baatz/ F.-R. Herrmann: Die Römer in Hessen. Theiss, Stuttgart 1989 S. 16f. bzw. die Karte Comitatus Hanau
- ↑ 4,0 4,1 4,2 Eckhard Meise: Die Landkarte „Comitatus Hanau“ und eine Kontroverse des 18. Jahrhunderts: Woher kommt der Name „Bulau“? In: Neues Magazin für Hanauische Geschichte 2010, S. 9–43.
- ↑ Heinrich Reimer: Hessisches Urkundenbuch. Abt. 2, Urkundenbuch zur Geschichte der Herren von Hanau und der ehemaligen Provinz Hanau. Bd. 1. 767-1300. Publikationen aus den königlich-preußischen Staatsarchiven, Hirzel, Leipzig 1891 Nr. 214 (4. Mai 1240); ebd. Nr. 376 (11. Dezember 1261).
- ↑ Heinrich Reimer: Hessisches Urkundenbuch. Abt. 2, Urkundenbuch zur Geschichte der Herren von Hanau und der ehemaligen Provinz Hanau. Bd. 1. 767-1300. Publikationen aus den königlich-preußischen Staatsarchiven, Hirzel, Leipzig 1891 Nr. 448 (2. März 1270).
- ↑ Heinrich Reimer: Hessisches Urkundenbuch. Abt. 2, Urkundenbuch zur Geschichte der Herren von Hanau und der ehemaligen Provinz Hanau. Bd. 1. 767-1300. Publikationen aus den königlich-preußischen Staatsarchiven, Hirzel, Leipzig 1891 Nr. 551 (6. November 1277).
- ↑ Hans Ramge: Südhessisches Flurnamenbuch, Darmstadt 2002, S. 272.
- ↑ "Wolfgang im Überblick"
- ↑ siehe DenkXweb.denkmalpflege-hessen.de – Samendarre; Forstamt.
- ↑ Führungen des Forstamts Wolfgang
Koordinaten: 50° 8′ 8″ N, 8° 57′ 51″ O