Gemeiner Wirbeldost



Gemeiner Wirbeldost

Gemeiner Wirbeldost (Clinopodium vulgare)

Systematik
Euasteriden I
Ordnung: Lippenblütlerartige (Lamiales)
Familie: Lippenblütler (Lamiaceae)
Unterfamilie: Nepetoideae
Gattung: Wirbeldost (Clinopodium)
Art: Gemeiner Wirbeldost
Wissenschaftlicher Name
Clinopodium vulgare
L.

Der Gemeine Wirbeldost (Clinopodium vulgare) ist eine Pflanzenart der Gattung Wirbeldost in der Familie der Lippenblütler (Lamiaceae).

Merkmale

C. vulgare Scheinquirle mit lang-bewimperten Hüllblättern

Die ausdauernde Pflanze wird (20 bis) 30 bis 60 cm hoch. Sie hat einen holzigen Wurzelstock, von dem Ausläufer ausgehen. Der aufsteigende Stängel ist mehr oder minder ästig und abstehend behaart. Die Blätter sind kreuzgegenständig, kurz gestielt, eiförmig und schwach gekerbt bis ganzrandig. Die ein bis vier Scheinquirle werden von einer Hülle umgeben, die aus lang-bewimperten borstigen Blättern besteht und von den tragenden Laubblättern überragt wird.

Die Blüten sind zu 10 bis 20 in dichten Scheinquirlen zusammengefasst. Die purpurnen (bzw. gelegentlich weißen) Kronblätter sind 10 bis 15 mm lang, außen flaumig behaart, mit leicht gekrümmter Röhre. Die kastanienbraunen Nüsschen sind kugelig und etwa 1 mm lang. Die Pflanze blüht von Juli bis Oktober.[1] Meist blühen nur wenige Blüten eines Quirls gleichzeitig. Der Wirbeldost ist schwach aromatisch.

Verwechslungsmöglichkeit

Nichtblühende Pflanzen ähneln dem Oregano [2]. Im Unterschied zum Oregano (Origanum vulgare) sind beim Wirbeldost die Laubblätter unterseitig nicht punktiert.

Systematik

Wichtige Synonyme sind Calamintha clinopodium Spenner und Satureja vulgaris (L.) Fritsch.

Der Gemeine Wirbeldost kommt in drei[3][4] Unterarten vor:

  • Clinopodium vulgare L. subsp. vulgare: Der Kelch ist 7 bis 9.5 mm lang, die unteren Kelchzähne sind bis 4,0 mm, die oberen Kelchzähne bis 2,5 mm lang. Das Längenverhältnis der unteren zu den oberen Kelchzähnen liegt um 2,0. Die Blätter sind bis 40 mm lang und besitzen eine Längen-Breitenverhältnis von etwa 1,5. Diese Unterart ist im gemäßigten und submediterranen Europa heimisch und reicht ostwärts bis Indien. Sie kommt auch in der Osthälfte Nordamerikas vor.[3]
  • Clinopodium vulgare subsp. arundanum (Boiss.) Nyman (Syn.: Clinopodium vulgare subsp. villosum (De Noé) Bothmer): Der Kelch ist 9,5 bis 12 mm lang, die unteren Kelchzähne sind 4,0 bis 5,5 mm, die oberen Kelchzähne 2,5 bis 4,0 mm lang. Das Längenverhältnis der unteren zu den oberen Kelchzähnen liegt um 1,5. Die Pflanze ist stark behaart. Die Blätter sind 40 bis 65 mm lang und besitzen eine Längen-Breitenverhältnis von etwa 2,0. Diese Unterart besiedelt die südliche Iberische Halbinsel und den Maghreb.[3]
  • Clinopodium vulgare subsp. orientale Bothmer: Der Kelch ist wie bei subsp. arundanum. Die Blätter sind mit bis zu 45 mm nur etwas länger als bei subsp. vulgare und besitzen mit etwa 1,5 ein ähnliches Längen-Breitenverhältnis. Diese Unterart ist zentral- und ostmediterran verbreitet und reicht vom südlichen Frankreich bis in den Iran.[3]

Die Chromosomenzahl aller drei Unterarten beträgt 2n = 20.[3]

Ökologie

Der Gewöhnliche Wirbeldost ist ein Hemikryptophyt (Schaftpflanze).

Die Blüten sind „Eigentliche Lippenblüten“ und stehen in vielblütigen Scheinquirlen (Zymen) in den Blattachseln. Ihre Narben und Staubbeutel sind nur von oben bedeckt. Nektar ist reichlich vorhanden, aber wegen der langen Kronröhre ist er nur Hummeln der Gattung Bombus und Schmetterlingen zugänglich; auch Selbstbestäubung ist erfolgreich. Neben Zwitterblüten kommen auch kleinere weibliche Blüten vor oder auch rein weibliche Pflanzen.

Die Früchte sind Klausen, die als Windstreuer und Klebhafter verbreitet werden.

Wirtspflanze

Die Raupen der Grasminiermotte Stephensia brunnichella[5] leben (nur) am Wirbeldost. Außerdem ist die Wanzenart Eysarcoris melanocephalus [6] auf den Wirbeldost spezialisiert.

Der Wirbeldost wird manchmal vom Pfefferminzrost Puccinia menthae befallen.

Vorkommen

Der Gemeine Wirbeldost kommt in ganz Europa (in Norwegen bis zum 66. Breitengrad), in Nordafrika, im gemäßigten Asien sowie in Nordamerika vor. Nach Gustav Hegi[7] hängt die zirkumpolare Verbreitung dieser Art mit ihren geringen Standortansprüchen und ihrem starken vegetativen Ausbreitungsvermögen zusammen.

Der Wirbeldost wächst in Staudenfluren und an Säumen trockener Standorte (Klasse Trifolio-Geranietea sanguinei[8] vom Meeresniveau bis in die montane Höhenstufe (Wallis 2000 m, Türkei 2500 m Seehöhe).[7][9]

Nutzung

Geschichte und Etymologie

Pedanios Dioscurides. Autorenporträt im Kodex Medicina antiqua (um 1250)

Eine Pflanze Clinopodium wird bereits im 1. Jahrhundert nach Christus vom römischen Arzt und berühmtesten Pharmakologen des Altertums Pedanios Dioscurides im 99. (109.) Kapitel Περὶ κλινοπόδιου (=Über Clinopodium) des III. Buches beschrieben. Dioscurides schreibt: Das Klinopodium ... hat Blätter ähnlich denen des Quendels und Blüten, die Bettfüßen in gewisser Weise gleichen. ... Das Kraut und die Abkochung davon wird gegen die Bisse giftiger Tiere, gegen Krämpfe, innere Rupturen und Harnzwang genommen. Einige Tage hindurch genommen, befördert es die Monatsblutung, treibt den Embryo hinaus und vertreibt auch gestielte Warzen.. Der Name Clinopodium leitet sich daher von griechisch κλίνη = das Lager, Bett, πούς-ποδός = Fuß ab: die Form der Blüten des Wirbeldostes ähnelt den Knäufen antiker Bettfüße.

Medizinische Verwendung

Der Wirbeldost wird in der Volksmedizin als stopfendes, herzstärkendes, wind- und schweißtreibendes, schleimlösendes Mittel eingesetzt[10]. In der bulgarischen Volksmedizin wurde der Wirbeldost zur Wundheilung verwendet. Opalchenova und Opreshkova[11] untersuchten seine antibakteriellen Wirkungen. Ein anderes bulgarisches Team, Dzhambazov, Daskalova, Monteva und Popov[12] untersuchte die Wirkungen eines Clinopodium vulgare-Extraktes zur Hemmung des Tumorwachstums. Junge Triebe vom Wirbeldost enthalten Betulin[13].

Betulin ist antientzündlich, antibakteriell, antiviral, hepatoprotektiv und antitumoral. Damit wird der Wirbeldost zu einer interessanten Heilpflanze.

Weitere Verwendungen

Die frischen oder getrockneten Blätter können als Gewürz Speisen zugegeben werden, sie helfen bei der Verdauung. Die frischen Blätter können Salaten beigefügt werden. Außerdem kann das Kraut als Teerersatz und zur Gewinnung von gelben und braunen Farbstoffen verwendet werden.

Literatur

  • David Aeschimann, Konrad Lauber, Daniel Martin Moser, Jean-Paul Theurillat: Flora Alpina. Band 2. Haupt, Bern/Stuttgart/Wien 2004, ISBN 3-258-06600-0.
  • Dietmar Aichele, Hans-Werner Schwegler: Die Blütenpflanzen Mitteleuropas. Band 4. Lippenblütlerähnliche (Nachtschattengewächse – Wassersterngewächse), Korbblütlerähnliche. 2., überarb. Aufl., Franckh-Kosmos, Stuttgart 2000. ISBN 3-440-08048-X, S. 256–257.
  • Pedanios Dioscurides: De materia medica. (ed. M. Wellmann) 3 Bände, Berlin 1906/14 (Neudruck 1958).
  • Gustav Hegi: Illustrierte Flora von Mitteleuropa. Band V. Teil 4: Labiatae – Solanaceae. Pteridophyta, Spermatophyta: Angiospermae: Dicotyledones 3 (4). 2. Auflage. Carl Hanser bzw. Paul Parey, München bzw. Berlin/Hamburg 1964, ISBN 3-489-78021-3 (unveränderter Nachdruck von 1927 mit Nachtrag).

Einzelnachweise

  1. Aichele & Schwegler 2000, S. 256f.
  2. 3,0 3,1 3,2 3,3 3,4 Roland von Bothmer: Intraspecific variation in Clinopodium vulgare L. (Labiatae). In: Botaniska Notiser. Band 120, Nr. 2, S. 202–208.
  3. R. Govaerts, A. Paton, Y. Harvey, T. Navarro, M. del Rosario García Peña: World Checklist of Lamiaceae. The Board of Trustees of the Royal Botanic Gardens, Kew 2011. (online), Zugriff am 23. November 2011
  4. | Grasminiermotte Stephensia brunnichella
  5. C. W. Hahn: Die wanzenartigen Insekten. Band 2. C.H.Zeh’sche Buchhandlung, Nürnberg 1834, S. 130, Fig. 211, online bei biodiversitylibrary.org.
  6. 7,0 7,1 Hegi, Band V/4, S. 2297.
  7. Flora Alpina, Band 2, S. 142.
  8. Peter Hadland Davis (Hrsg.): Flora of Turkey and the East Aegean Islands. Vol. 7 (Orobanchaceae to Rubiaceae). Edinburgh University Press, Edinburgh 1982, ISBN 0-85224-396-0, S. 329.
  9. Plants for a future: Clinopodium vulgare
  10. G. Opralchenova, D. Opreshkova: Antibacterial action of extracts of Clinopodium vulgare L. curative plant. In: Drug Development and Industrial Pharmacy. Band 25, Nr. 3, 1999, S. 323–328, ISSN 0363-9045, doi: 10.1081/DDC-100102177.
  11. B. Dzhambazov, S. Daskalova, A. Monteva, N. Popov: In vitro screening for antitumor activity of Clinopodium vulgare L. (Lamiaceae) Extracts. In: Biological & Pharmaceutical Bulletin. Band 25, Nr. 4, 2002, S. 499–504 DOI:10.1248/bpb.25.499.
  12. GRIN Datenbank

Weblinks

Commons: Clinopodium vulgare – Album mit Bildern, Videos und Audiodateien

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