Großer Brachvogel
Großer Brachvogel | ||||||||
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Großer Brachvogel (Numenius arquata) | ||||||||
Systematik | ||||||||
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Wissenschaftlicher Name | ||||||||
Numenius arquata | ||||||||
Linnaeus, 1758 |
Der Große Brachvogel (Numenius arquata) ist eine Vogelart aus der Familie der Schnepfenvögel (Scolopacidae). Es werden zwei Unterarten unterschieden. Die Nominatform ist in Mitteleuropa ein zunehmend seltener Brut- und Sommervogel. Er ist während der Zugzeiten ein regelmäßiger Durchzügler und Rastvögel, der gebietsweise auch überwintert.[1]
In Deutschland war der Große Brachvogel im Jahre 1982 Vogel des Jahres.[2]
Beschreibung
Erscheinungsbild adulter Vögel
Der Große Brachvogel ist etwa 50 bis 60 cm lang und wiegt zwischen 600 und 1000 Gramm. Die Flügelspannweite beträgt 80 bis 100 cm. Die Vögel sind die größten Watvögel, und sie sind in Europa die häufigsten Brachvögel. Charakteristisches Kennzeichen des Großen Brachvogels ist der lange und stark nach unten gekrümmte Schnabel. Das Weibchen ist etwas größer als das Männchen und hat einen deutlich stärker gebogenen und längeren Schnabel. Ansonsten sehen die Geschlechter gleich aus.
Große Brachvögel sind eher unscheinbar gefärbt. Der Kopf, der Hals, die Brust die Körperoberseite sind fahl beigebraun mit dunklen Streifen und Flecken. Die Wangen sind dunkel gestrichelt und kontrastieren dadurch mit dem hellen Kinn- und Kehlfleck. Die Brust ist etwas kräftiger gestreift und wird zum Bauch hin heller. Im Flug wird der weiße Bürzel sichtbar, der mit dem weißen Rücken einen weißen Keil bildet.
Erscheinungsbild der Jungvögel
Das Dunenkleid ist auf der Körperoberseite rahmfarben bis hell rostbraun mit einer schwarzbraunen Zeichnung. Die Körperunterseite ist ebenfalls rahmfarben auf, die Brust ist jedoch etwas dunkler. Vom Schnabel verlaufen dunkle Linien zum schwärzlichbraunen und in der Mitte etwas aufgehellten Scheitel. Der dunkle Augenstreif verläuft bis zum Nacken. Vom Nacken aus verläuft ein schmaler dunkler Streif, der sich auf dem Mantel in zwei breitere Streifen gabelt. Auf dem hinteren Rücken befindet sich ein unregelmäßiger ringförmiger Fleck, der einen helleren Fleck einschließt. Der Schnabel ist anfangs kurz und gerade und bei flüggen Jungvögeln bereits etwas länger und leicht gebogen. Die Beine und Zehen sind blässlichgrau mit dunkelgrauen Krallen.[3]
Stimme
Die Stimme ist ein lauter wehmütiger Ruf, der wie "kuri li" klingt. Dieser Ruf hat ihm im englischsprachigen Raum vermutlich den Namen „Curlew“ eingebracht. Um die Brutreviere zu markieren, singen die Männchen im Frühjahr eine flötende und trillernde Strophe. Beim Fliegen geben große Brachvögel ein "tlüih" von sich, das bei Erregung zu einem "tüi-tüi-tüi" wird.
Lebensraum
Große Brachvögel brüten in Mooren und Feuchtwiesen sowie in offenen Marschen. Sein bevorzugtes Habitat während der Brutzeit sind großflächige, offene, gut überschaubare feuchte Regenmoore. Er brütet außerdem im Moorheiden, auf Calluna-Heiden mit Feuchstellen, Feuchtgrünland sowie gelegentlich auch auf Äckern, wenn sich diese in der Nähe von Grünland befinden.[4]
Im Winter leben sie an den Küsten und im Watt, außerdem im Binnenland auf Feldern und Feuchtwiesen. Ihre Hauptverbreitungsgebiete sind Nord- und Mitteleuropa sowie die Britischen Inseln; in Deutschland findet man sie in den feuchten Niederungen der Weser-Ems-Region. Im Winter ziehen die Vögel an die Küsten in West- und Südeuropa.
Verbreitung
Das riesige Verbreitungsgebiet des Großen Brachvogels reicht im Westen von Island bis zu den Alpen, im Osten vom Baikalsee und der Mandschurei bis nach Kasachstan und dem Nordrand des innerasiatischen Hochlandes im Südosten. Der Große Brachvogel ist überwiegend ein Kurzstreckenzieher, die Brutvögel Irlands und Großbritanniens sind zum Teil Standvögel.
Der Großteil der nordeuropäischen Population zieht ab Juni in südwestlicher Richtung an die Küsten Großbritannien sowie an die Küsten von Dänemark bis Iberien, Marokko und Mauretanien. Auf dem Höhepunkt des Zuges im Juli und August finden sich viele Altvögel an der Nordseeküste ein und mausern dort. Ihnen schließen sich von Mitte bis Ende September die Jungvögel an, von denen viele in diesem Gebiet überwintern.[5] Südosteuropäische Brutvögel überwintern überwiegend am Mittelmeer.
Unterarten
Es gibt zwei Unterarten. Die Nominatform Numenius arquata arquata kommt im europäischen Teil des Verbreitungsgebietes vor sowie in West- und Zentralsibirien sowie Zentralasien, dem Norden Mongolei und der Mandschurei. Sie überwintern im Nahen Osten, im tropischen Afrika bis nach Südafrika, auf dem indischen Halbkontinent, in China, Japan und im Südosten Asiens bis zu den Großen Sunda-Inseln.[6] Östlich der Linie Wolga-Ural bis nach Kasachstan kommt Numenius a. orientalis vor. Vögel dieser Population wirken insgesamt heller, die Ausdehnung der dunklen Federmarkierungen auf der Unterseite und auf dem hinteren Rücken ist geringer. Der Schnabel ist etwas länger, ebenso die Flügellänge. Beide Unterarten sind im Grenzgebiet nicht klar voneinander getrennt, es gibt große Überschneidungen in den Maßen sowie in der Färbung. Das Überwinterungsgebiet dieser Unterart ist bislang nur unzureichend erforscht, jedoch geht man davon aus, dass sie in Afrika überwintern.[6]
Ernährung
Große Brachvögel fressen Insekten, Würmer und Schnecken, die sie mit ihrem langen Schnabel auf dem Boden stochernd suchen. Der Schnabel dient auch als Pinzette, um Schnecken und Muscheln aus ihren Schalen zu holen. Auf dem Zug und im Winter suchen Große Brachvögel in küstennahen Süßwassermarschen und auf Wattflächen in den Gezeitenzonen nach Nahrung. Im Watt fressen sie bevorzugt kleine Strandkrabben, während in den Süßwasserhabitaten Schnaken dominieren.[7]
Große Brachvögel orten ihre Beute visuell und mit dem Tastsinn. Sie sondieren den Schlamm im Vorwärtsschreiten wiederholt in geringer Tiefe. Orten sie ein Beutetier, wird dieses durch tiefere Stocherbewegungen gepackt. Sie werden dann unter Kopf- und Halswendungen aus dem Boden gezogen. Krabben werden von ihnen kräftig geschüttelt und auf den Boden geworfen, um die Gliedmaßen zu entfernen. Beutetiere, die sich auf der Oberfläche befinden, werden häufig in kurzen Spurts erjagt.[7]
Brutpflege
Das Nest ist eine flache Mulde auf dem Boden, die spärlich mit altem (getrockneten) Gras oder Moos aus der nächsten Umgebung ausgepolstert wird. Angelegt werden die Nistmulden vom Männchen, das gelegentlich mehrere Nistmulden scharrt, von denen das Weibchen eines auswählt. Die Brutperiode beginnt Ende April bis Anfang Mai. Das Gelege besteht in der Regel aus vier Eiern, seltener aus drei oder fünf Eiern. Diese haben eine ovale bis kreiselförmige Form und eine glatte, schwach glänzende Schale. Sie sind hellgrün, olivgrün oder düster oliv gefärbt und mit kleineren, relativ dunklen Flecken gezeichnet. Der Legeabstand beträgt gewöhnlich zwei Tage. Beide Elternvögel brüten, das Männchen aber gewöhnlich weit weniger als das Weibchen.
Die Küken sind Nestflüchter, die das Nest verlassen, sobald die Daunen völlig getrocknet sind. Sie werden in den ersten Lebenstagen von beiden Elternvögeln geführt, später führt sie nur das Männchen. Sie sind in der Zeit des Heranwachsens auf lockere, nicht zu hohe Vegetation angewiesen, da sie sich in zu dichtem Gras nicht vorwärts bewegen können und dann verhungern. Mit etwa fünf bis sechs Wochen sind sie flügge.[3]
Bestand
Bestandsentwicklung und aktueller Bestand
Während des 19. Jahrhunderts verlor der Große Brachvogel viele geeignete mitteleuropäische Brutgebiete durch Entwässerung von Moorgebieten. Parallel entstanden jedoch neue Brutmöglichkeiten auf extensiv genutzten Feuchtgrünland der Tiefebenen, die nach Rodung von Auwäldern neu entstanden. Dies führte zu einer Ausbreitung der Art und Zunahme der Populationsgebiete in weiten Teilen Mitteleuropas. Seit den 1950er Jahren gibt es in weiten Teilen Mitteleuropas erhebliche Bestandsrückstände, nachdem Mähwiesen und Weiden intensiver genutzt werden. Eine hohe Brutorttreue sowie die hohe Lebensdauer der Art täuscht dabei über längere Zeit intakte Brutbestände vor. Der Bruterfolg des großen Brachvogels reicht jedoch in vielen Regionen nicht mehr zum Erhalt der Population aus. Der fehlende Nachwuchs führt deshalb zwangsläufig zu einem Zusammenbruch der Population, wenn eine Zuwanderung von Vögeln fehlt.[8]
Der europäische Gesamtbestand wird zu Beginn des 21. Jahrhundert auf 220.000 bis 360.000 Brutpaare geschätzt. Davon kommen zwischen 50.000 und 80.000 Brutpaare in Fennoskandinavien, 48.000 bis 120.000 Brutpaare im europäischen Teil Russlands und 99.000 bis 125.000 Brutpaare in Großbritannien vor. In Mitteleuropa brüten 11.000 bis 13.000 Brutpaare.[9]
Bestandsprognose
Der große Brachvogel gilt als eine der Arten, die vom Klimawandel besonders betroffen sein wird. Ein Forschungsteam, das im Auftrag der britischen Umweltbehörde und der RSPB die zukünftige Verbreitungsentwicklung von europäischen Brutvögeln auf Basis von Klimamodellen untersuchte, geht davon aus, dass das Verbreitungsgebiet des Großen Brachvogels bis zum Ende des 21. Jahrhunderts um mehr als vierzig Prozent schrumpfen und sich weiter nach Norden verschieben wird. Potentiell besiedelbare Regionen entstehen nach dieser Prognose auf Island, im äußersten Norden von Russland, auf Novaya Zemlya sowie möglicherweise ein kleines Areal auch auf Svalbard. Als mitteleuropäischer Brutvogel bleibt der große Brachvogel voraussichtlich erhalten, doch verringert sich sein Verbreitungsgebiet signifikant.[10]
Belege
Literatur
- Hans-Günther Bauer, Einhard Bezzel und Wolfgang Fiedler (Hrsg): Das Kompendium der Vögel Mitteleuropas: Alles über Biologie, Gefährdung und Schutz. Band 1: Nonpasseriformes – Nichtsperlingsvögel. Aula-Verlag Wiebelsheim, Wiesbaden 2005, ISBN 3-89104-647-2.
- Peter Colston, Philip Burton: Limicolen – Alle europäischen Watvogel-Arten, Bestimmungsmerkmale, Flugbilder, Biologie, Verbreitung. BlV Verlagsgesellschaft, München 1989, ISBN 3-405-13647-4.
- Simon Delany, Derek Scott, Tim Dodman, David Stroud (Hrsg): An Atlas of Wader Populations in Afrika and Western Eurasia. Wetlands International, Wageningen 2009, ISBN 978-90-5882-047-1.
- Otto von Frisch: Der Große Brachvogel. (Die neue Brehm-Bücherei 335). Wittenberg Lutherstadt 1964.
- Collin Harrison und Peter Castell: Jungvögel, Eier und Nester der Vögel Europas, Nordafrikas und des Mittleren Ostens. Aula Verlag, Wiebelsheim 2004, ISBN 3-89104-685-5.
Einzelnachweise
- ↑ Hans-Günther Bauer, Einhard Bezzel und Wolfgang Fiedler (Hrsg): Das Kompendium der Vögel Mitteleuropas: Alles über Biologie, Gefährdung und Schutz. Band 1: Nonpasseriformes – Nichtsperlingsvögel. Aula-Verlag Wiebelsheim, Wiesbaden 2005, ISBN 3-89104-647-2, S. 464.
- ↑ Vogel des Jahres (Deutschland): 1982
- ↑ 3,0 3,1 Collin Harrison und Peter Castell: Jungvögel, Eier und Nester der Vögel Europas, Nordafrikas und des Mittleren Ostens. Aula Verlag, Wiebelsheim 2004, ISBN 3-89104-685-5, S. 144.
- ↑ Martin Flade: Die Brutvogelgemeinschaften Mittel- und Norddeutschlands – Grundlagen für den Gebrauch vogelkundlicher Daten in der Landschaftsplanung. IHW-Verlag, Berlin 1994, ISBN 3-930167-00-X, S. 544
- ↑ Peter Colston, Philip Burton: Limicolen – Alle europäischen Watvogel-Arten, Bestimmungsmerkmale, Flugbilder, Biologie, Verbreitung. BlV Verlagsgesellschaft, München 1989, ISBN 3-405-13647-4, S. 185–186.
- ↑ 6,0 6,1 Simon Delany, Derek Scott, Tim Dodman, David Stroud (Hrsg): An Atlas of Wader Populations in Afrika and Western Eurasia. Wetlands International, Wageningen 2009, ISBN 978-90-5882-047-1, S. 307.
- ↑ 7,0 7,1 Colston et al., S. 186.
- ↑ Bauer et al., S. 466
- ↑ Bauer et al., S. 464–465.
- ↑ Brian Huntley, Rhys E. Green, Yvonne C. Collingham, Stephen G. Willis: A Climatic Atlas of European Breeding Birds, Durham University, The RSPB and Lynx Editions, Barcelona 2007, ISBN 978-84-96553-14-9, S. 194
Weblinks
- Numenius arquata in der Roten Liste gefährdeter Arten der IUCN 2008. Eingestellt von: BirdLife International, 2008. Abgerufen am 2. Januar 2009.
- Videos, Fotos und Tonaufnahmen zu Numenius arquata in der Internet Bird Collection
- Weitere Infos und Bilder bei der Schutzstation Wattenmeer e.V.
- Wiesenvogelschutz Schutzprogramm für Brachvögel im Emsland