Hypothyreose


Schilddrüse und Nebenschilddrüsen beim Menschen

Unter einer Hypothyreose versteht man eine mangelnde Versorgung des Körpers mit den Schilddrüsenhormonen Trijodthyronin (T3) und Thyroxin (T4). Meist ist eine Unterfunktion der Schilddrüse dafür verantwortlich. Bei einer Unterfunktion der Schilddrüse läuft der Stoffwechsel des Körpers langsamer ab als normal. Die Folgen sind geringere körperliche und geistige Leistungsfähigkeit. Die Erkrankung wird in der Regel anhand von Blutuntersuchungen nachgewiesen und ist gut behandelbar. Das Gegenteil, eine Überversorgung mit Schilddrüsenhormonen, wird als Hyperthyreose bezeichnet.

Bei Kindern kann eine sehr früh erworbene oder eine angeborene Hypothyreose zu körperlichen und geistigen Entwicklungsverzögerungen führen, deren Vollbild bei fehlender Behandlung als Kretinismus bezeichnet wird.[1]

Geschichte

Historische Darstellung der "Drüsenblasen der Thyroidea mit Colloid" (1867)[2]

Das Verständnis für die Funktion der Schilddrüse entwickelte sich erst langsam. Bis in die zweite Hälfte des 19. Jahrhunderts wurde sie als „Nebendrüse der Respirationsorgane“ betrachtet, deren Funktion unklar war.[3] 1896 fand Eugen Baumann organisch gebundenes Jod in der Schilddrüse, das sogenannte Jodothyrin (oder auch Thyreojodin) und charakterisierte es als den wirksamen Bestandteil der Schilddrüse.[4] Über seine Wirkung war jedoch noch 1898 kaum etwas bekannt (Robert Hutchison);[5] es diente bis ins 20. Jahrhundert zu Versuchzwecken.[6] 1911 beschrieb Harry E. Alderson die Entstehung des Myxödems bei Hypothyreose als subkutane Infiltration einer schleimähnlichen Substanz, die im weiteren Verlauf durch eine überschießende Bildung von Bindegewebe ersetzt wird. Zusätzlich fand er, dass die Ichthyose damit einhergeht und setzte erfolgreich Schilddrüsenextrakte und Jodothyrin zur Therapie ein.[7]

Die Entdeckung des Schilddrüsenhormones Thyroxin wird Edward Calvin Kendall 1914 zugeschrieben. Er hatte aus Jodothyrin einen aktiven Anteil herauskristallisiert und ihn Thyroxin genannt.[8] Als beste Möglichkeit zur Feststellung einer Hypothyreose mittels Untersuchung des Blutes werden in dieser Zeit als Parameter eine beschleunigte Blutgerinnung sowie eine Abnahme der Neutrophilen und eine Zunahme der Lymphozyten erachtet.[9] Die direkte Messung vom Thyroxin im Blut ist seit den 1960er Jahren möglich.[10]

François-Emmanuel Fodéré (1764–1835) ging von jodarmer Luft als Ursache der kindlichen Hypothyreose aus, deren unbehandelter Verlauf als Kretinismus bezeichnet wird.[11] Julius Wagner-Jauregg (1857–1940) führte grundlegende Studien über den Kretinismus durch und behandelte ihn mittels Schilddrüsenextrakten.[12][13] Emil Theodor Kocher (1841–1917) beschrieb 1883 bei der Nachuntersuchung von schilddrüsenoperierten Patienten das Auftreten einer „kretinartigen Veränderung“.[14]

Grundlagen

Beim gesunden Menschen gibt die Schilddrüse bedarfsgerecht die SchilddrüsenhormoneThyroxin (T4) und Trijodthyronin (T3) – ins Blut ab. Die Produktion dieser Hormone wird durch den thyreotropen Regelkreis gesteuert. In der Schilddrüse bewirkt eine Verminderung des in der Hirnanhangsdrüse (Hypophyse) gebildeten Hormons Thyreotropin (TSH) eine Verminderung der Produktion von Schilddrüsenhormonen.

Zum Aufbau von Thyroxin und Trijodthyronin benötigt die Schilddrüse Jod. Der Bedarf des Erwachsenen liegt bei etwa 200 μg pro Tag. Eine ausreichende Zufuhr mit der normalen Ernährung ist in Deutschland nicht immer gewährleistet.[1] Die Menge der produzierten Hormone schwankt innerhalb der Gruppe schilddrüsengesunder Personen (Normalpopulation) erheblich, das heißt, dass der Referenzbereich der laborchemischen Ergebnisse relativ groß ist. Die Schwankungen bei Messungen bei derselben Person sind wesentlich geringer.[15]

Die aus der Schilddrüse ins Blut abgegebenen Schilddrüsenhormone (T3 und T4) werden dort größtenteils an unterschiedliche Proteine (hauptsächlich TBG, TBPA und Albumin) gebunden und dabei biologisch inaktiv. Nur etwa 1 ‰ der im Blut befindlichen Schilddrüsenhormone zirkuliert frei (fT3 und fT4). Nur die freien Schilddrüsenhormone sind biologisch aktiv.

Die Schilddrüsenhormone steigern physiologisch den Grundumsatz, die Empfindlichkeit des Herzens für Katecholamine, den Calcium- und Phosphatumsatz sowie die Erregbarkeit von Muskel- und Nervenzellen und hemmen die Protein- und Glykogenneubildung.

Einteilung und Ursachen

Klassifikation nach ICD-10
E00 Angeborenes Jodmangelsyndrom
E00.0 Angeborenes Jodmangelsyndrom, neurologischer Typ
E00.1 Angeborenes Jodmangelsyndrom, myxödematöser Typ
E00.2 Angeborenes Jodmangelsyndrom, gemischter Typ
E00.9 Angeborenes Jodmangelsyndrom, nicht näher bezeichnet
E03 Sonstige Hypothyreose
E03.0 Angeborene Hypothyreose mit diffuser Struma
E03.1 Angeborene Hypothyreose ohne Struma
E89.0 Hypothyreose nach medizinischen Maßnahmen
ICD-10 online (WHO-Version 2019)
Sechs Wochen altes Kind mit verlängerter Neugeborenengelbsucht aufgrund einer angeborenen Hypothyreose. Beachte auch die große Zunge und die Nabelhernie.

Eine angeborene Hypothyreose – statistisch sind etwa 0,2 ‰ aller Neugeborenen betroffen[1][16] – entsteht durch eine fehlende oder insuffizient angelegte Schilddrüse (Aplasie oder Dysplasie), eine nicht ausreichende Hormonbiosynthese oder -ausschüttung, sehr selten auch durch eine Hormonresistenz aufgrund von T3-Rezeptordefekten. Eine vorübergehende Hypothyreose des neugeborenen Kindes kann iatrogen durch eine vermehrte Jodexposition nach der Geburt (z. B. durch Desinfektionsmittel wie Povidon-Iod) oder Jodmangel bei der Mutter ausgelöst sein. In letzterem Falle ist begleitend eine Struma typisch.[17][18]

Die erworbene Hypothyreose kann schon im Kindesalter auftreten. Ihre Inzidenz in Deutschland beträgt etwa 0,25–1 % und ist mit zunehmendem Lebensalter ansteigend.[19] Man unterscheidet dabei auch die primäre, sekundäre und tertiäre Form. Von der primären Hypothyreose wird allgemein gesprochen, wenn die Schilddrüse selbst ursächlich für die Hypothyreose ist, d. h. wenn die Sekretionsleistung der Schilddrüse zu gering für die Anforderungen des Organismus ist. Zu dieser Form werden Schilddrüsenunterfunktionen gerechnet, die sich nach einer Schilddrüsenoperation, oder einer Radiojodtherapie entwickeln. Des Weiteren kann sie sowohl iatrogen durch Thyreostatika oder extremen Selen- bzw. Jodmangel (bei Kindern weltweit die häufigste vermeidbare Ursache für Retardierung[1]) als auch durch eine atrophische Thyreoiditis (z. B. Autoimmunthyreopathie, Typ Morbus Hashimoto) ausgelöst werden. Bei der seltenen sekundären Hypothyreose mangelt es am schilddrüsenstimulierenden Hormon TSH, welches in der Hypophyse (Hirnanhangdrüse) produziert wird (Hypopituitarismus). Eine Rarität ist die tertiäre Hypothyreose, die entweder durch Mangel an thyrotropine releasing hormone (TRH), oder durch eine Unterbrechung des Portalgefäßsystems zwischen Hypothalamus und Hypophyse (Pickardt-Syndrom) gekennzeichnet ist.

Klinisches Bild

Wie auch bei der Hyperthyreose gibt es unterschiedliche Schweregrade der Hypothyreose: Sie reichen von latent bzw. kompensiert (Schildrüsenhormonspiegel normal, aber TSH- Wert erhöht) über subklinisch (Schildrüsenhormonspiegel zwar erniedrigt, aber symptomlos) und manifest (erniedrigter Schildrüsenhormonspiegel begleitet von entsprechenden Symptomen) bis hin zum lebensgefährlichen Mangel.

Angeborene Hypothyreose

Hauptartikel Angeborene Hypothyreose

Bei der Geburt sind die Kinder meist klinisch unauffällig, weil die Kinder noch Schilddrüsenhormone der Mutter in ihrem Blutkreislauf haben. In den ersten Lebenswochen fallen sie z. B. durch zunehmende Trinkschwäche, Bewegungsarmut, Obstipation und eine große, sichtbare Zunge auf. Auch eine verlängerte Neugeborenengelbsucht (Ikterus neonatorum prolongatus) ist typisch. Die Kinder wirken „sehr brav“, schreien wenig und schlafen überdurchschnittlich viel. Eine verlangsamte Herzfrequenz (Bradykardie), teigige Haut, Persistenz des Neugeborenenkopfhaares und ein großer Bauch mit Nabelbruch sind ebenso weitere Zeichen, wie auch ein typischer Gesichtsausdruck mit eingesunkener Nasenwurzel und ballonierter Stirn.[18] Wächst ein Kind heran, ohne dass die Hypothyreose erkannt wurde, so sind Störungen der geistigen und körperlichen Entwicklung zusammen mit einem verringerten Längenwachstum zu erwarten.

Erworbene Hypothyreose

Anfangs sind die Beschwerden oft nicht auffallend (subklinisch), da sich das Krankheitsbild bei Erwachsenen in der Regel langsam entwickelt. Symptome bestehen aus Leistungsminderung, Konzentrationsschwäche, Schwäche, Antriebslosigkeit, Müdigkeit, Verstopfung und leichtem Frieren. Eine Schilddrüsenunterfunktion kann darüber hinaus eine Depression hervorrufen. Ältere Patienten klagen über depressive Stimmungen, Gedächtnisminderung und Appetitlosigkeit. Das typische Myxödem – eine ödematös-teigige Verdickung der Haut – fehlt meistens. Trockene bzw. raue Haut, raue Stimme, langsame Sprache, chronische Verstopfung, Schwellung der Lider und des Gesichtes, Verlangsamung des Pulses und der Reflexe sowie niedriger Blutdruck und Gewichtszunahme können beobachtet werden. Bei Frauen können Zyklusstörungen und bei Männern Libido- und Erektionsstörungen auftreten. Sind Kinder betroffen, treten mehr oder minder stark ausgeprägte Entwicklungsverzögerungen ein.

Die schwerste und lebensbedrohliche Form ist das hypothyreote Koma (Myxödemkoma), bei dem typischerweise begleitend sehr leise Herztöne, langsamer Herzschlag und niedriger Blutdruck, ein diffuses Myxödem, erniedrigte Körpertemperatur, abgeschwächte oder erloschene Reflexe und flache Atmung auftreten.

Diagnose

Hauptartikel Untersuchung der Schilddrüse

Die angeborene Hypothyreose wird beim Neugeborenen-Screening am 4. bis 5. Lebenstag durch die Messung des TSH-Spiegels gesucht.

Da die Hypothyreose bei Kindern und Erwachsenen durch einen Mangel an Schilddrüsenhormonen definiert ist, spielt neben Anamnese, klinischen Symptomen und bildgebenden Verfahren (insbesondere Sonographie und Szintigrafie) die Labordiagnostik die entscheidende Rolle. Die klinischen Symptome korrelieren beim Erwachsenen jedoch andererseits nicht immer mit nachweislichen Laborveränderungen. Beim Kind sind sie ein definitiver Indikator für drohende Entwicklungsstörungen.

Das im Vorderlappen der Hypophyse (hellrot dargestellt) gebildete TSH ist in der Diagnostik besonders wertvoll.

In der Regel produziert die Schilddrüse bei der Hypothyreose, wie oben bereits dargestellt, zu geringe Mengen der Schilddrüsenhormone. Der thyreotrope Regelkreis versucht daher die Produktion durch eine Maximierung der TSH-Ausschüttung zu erhöhen. Als Screening-Parameter eignet sich daher die alleinige Bestimmung des basalen TSH- Spiegels im Blut. Ist dieser normal, kann bei einem klinisch unauffälligen Patienten auf eine weitere Bestimmung der Schilddrüsenhormone verzichtet werden. Der bisher und noch immer von vielen Laboren verwendete Referenzbereich von etwa 0,4-4,0 mlU/L ist mittlerweile umstritten, da Studien zufolge der obere Referenzwert offenbar zu hoch gewählt wurde. In einschlägiger Fachliteratur wird daher teilweise ein Referenzbereich von 0,4-2,5 [20] verwendet. Bei Werten zwischen 2,5 und 4,0 spricht man von einer latenten (versteckten) oder subklinischen Hypothyreose. Je nachdem, ob Beschwerden auftreten, kann eine Behandlung bei positiven TPO-Antikörpern und/oder sonografischen Zeichen für eine Hashimoto-Thyreoiditis bereits bei Werten > 1,6 mU/l erfolgen (Behandlungsversuch). Nach neueren Erkenntnissen geht man davon aus, dass ein TSH-Wert über 2 mehr auf eine kranke als auf eine gesunde Schilddrüse hinweist und in der Schwangerschaft Anlass zur Hormonersatztherapie geben sollte, um Fehlgeburt, Frühgeburt und Hirnreifungsschäden des werdenden Lebens zu verhindern. Es gibt außerdem Hinweise darauf, dass bei einem dauerhaft erhöhten TSH-Wert über 2,5 das Risiko, langfristig eine manifeste Hypothyreose zu entwickeln steigt, insbesondere bei bereits im Blut nachweisbaren Schilddrüsenantikörpern.[21]

Der klassische Fall einer manifesten Hypothyreose ist eine Erniedrigung des fT3 und fT4 zusammen mit einer Erhöhung des TSH- Spiegels (> 4,0 mU/l) und den entsprechenden klinischen Symptomen.

Als laborchemische Parameter zum Nachweis einer Hypothyreose genügen jedoch die Bestimmung von TSH und fT4.[22]

Bei der angeborenen Hypothyreose werden ergänzend Thyreoglobulin im Blut und Jod im Urin bestimmt und eine Schilddrüsenszintigraphie mit Jod123 durchgeführt.[22]

Bei der erworbenen Hypothyreose werden ergänzend TPO-AK (Antikörper gegen Schilddrüsenperoxidase), Antikörper gegen Thyreoglobulin (Tg-AK), sowie Sonographie und Schilddrüsenszintigraphie mit Tc-99m-Pertechnetat empfohlen.[1][22][22][23][24] Weitere Untersuchungsmöglichkeiten spielen nur in speziellen Fällen eine Rolle und werden dort in dem jeweiligen Hauptartikel dargestellt.

Therapie

Strukturformel des L-Thyroxins

Bei der angeborenen Hypothyreose ist die lebenslange Gabe von Thyroxin notwendig. Sie sollte so früh wie irgend möglich begonnen werden.[1]

Die erworbene Hypothyreose bedarf in der Regel ebenfalls einer lebenslangen Ersatztherapie (Substitution) mit T4. Die Dosis muss in allen Fällen individuell angepasst werden. Es wird mit einer niedrigen Dosis Schilddrüsenhormon begonnen und dann langsam gesteigert. Diese Vorgehensweise hat sich im Hinblick auf die Vermeidung von Nebenwirkungen bewährt. Eine Dauersubstitutionsbehandlung (meist zwischen 50 und 150 µg pro Tag) gilt dann als gut eingestellt, wenn sich der Patient wohlfühlt und der basale TSH-Spiegel (frühestens nach sechs bis acht Wochen) zwischen 0,5 und 2,0 mU/l liegt.[1] Der weitere Verlauf wird in der Regel bei guter Einstellung halbjährlich kontrolliert. Bei Kindern ist der Kontrollzyklus altersabhängig. Ergänzend sind engmaschige Kontrollen von Wachstum, Gewicht sowie psycho- und somatomotorischer Entwicklung indiziert. Im Falle einer erworbenen Hypothyreose kann beim Kind nach etwa 2 Jahren ein vier- bis sechswöchiger Auslassversuch unternommen werden.[25]

Beim Myxödemkoma (hypothyreotes Koma) handelt es sich um ein akut lebensbedrohliches, notfallmedizinisches Krankheitsbild. Daher beginnt die Therapie unverzüglich, ohne das Ergebnis laborchemischer Hormonanalysen abzuwarten. Auch Patienten mit den klinischen Zeichen eines Myxödemkomas sollen sofort auf einer Intensivstation aufgenommen und behandelt werden. Die Therapie umfasst in beiden Fällen die Sicherung der Vitalfunktionen, die Gabe von Glucocorticoiden, Glucose, die Überwachung und gegebenenfalls den Ausgleich des Elektrolythaushaltes, eine Normalisierung der Körpertemperatur (häufig Hypothermie) und die intravenöse Applikation von Thyroxin.[1]

Prophylaxe

Prophylaktisch wirkt eine ausreichende Versorgung mit Jod über die Ernährung. Die täglich empfohlene Jod-Menge für Erwachsene beträgt etwa 200 μg. Während einer Schwangerschaft benötigt der Körper der Mutter mehr Jod (bis 300 μg täglich).[26] Besonders Seefisch und jodiertes Speisesalz enthalten viel Jod, darum sind sekundäre Schilddrüsenunterfunktionen in der Nähe des Meeres selten. In Jodmangelgebieten wie z. B. den Alpen wird eine entsprechende Nahrungsergänzung empfohlen (in Deutschland) bzw. staatlich geregelt. In der Schweiz und in Österreich, aber auch den USA gibt es bereits seit 1920 Gesetze, die die Versorgung mit Jod regeln, z. B. indem sie den Jodanteil in Kochsalz vorschreiben. Der Rückgang von Unterfunktionen wurde dabei mit einem kurzfristigen Anstieg von Schilddrüsenüberfunktionen erkauft. Langzeitstudien haben aber ergeben, dass diese vergleichsweise gering ausfallen.[27]

Hypothyreose bei Tieren

In der Tiermedizin hat die Hypothyreose vor allem bei Hunden eine größere Bedeutung. Die Häufigkeit der durch Jodmangel bedingten Schilddrüsenunterfunktion hat dagegen in den letzten Jahrzehnten deutlich abgenommen, vor allem durch den Jodzusatz in kommerziellen Futtermitteln.

Prinzipiell können bei Hunden die gleichen Ursachen wie beim Menschen dafür verantwortlich sein, 95 % der Fälle sind jedoch erworbene primäre Hypothyreosen. Sie sind durch (vermutlich autoimmunbedingte) Entzündungen der Schilddrüse oder durch eine Atrophie des Organs ohne erkennbare Ursache (idiopathische Hypothyreose) bedingt. Es sind vor allem Hunde großwüchsiger Rassen betroffen. Die Symptome erscheinen meist schleichend und bestehen in zunehmender Trägheit sowie Haut- und Fellveränderungen. Die Diagnostik gleicht der in der Humanmedizin, wobei zu beachten ist, dass Grey- und Deerhounds physiologisch niedrigere T4-Spiegel haben als andere Hunderassen. Außerdem können einige Medikamente (Glucocorticoide, Antikonvulsiva, Chinidin, Salicylate, Phenylbutazon, Sulfonamide und Röntgenkontrastmittel) und andere Erkrankungen zu erniedrigten T4-Werten führen. Die Behandlung erfolgt durch Gabe von Schilddrüsenhormonen.[28]

Sauen mit Hypothyreose gebären „Nacktferkel“ mit einem Myxödem. Bei Kälbern wird „Zungenschlagen“ beobachtet. Ursache dieser Hypothyreose ist ein sekundärer Jodmangel durch Senfölglykosid- oder nitrathaltige Futtermittel.[29]

Bei Vögeln – vor allem Wellensittichen – spielen zum Teil noch durch Jodmangel hervorgerufene Schilddrüsenunterfunktionen eine Rolle. Klinisch äußern sie sich in Atemnot, da die vergrößerte Schilddrüse auf die Luftröhre drückt, sowie Befiederungsstörungen. Bei Papageien wird eine Hypothyreose in Zusammenhang mit der Entstehung von Verfettung und Befiederungsstörungen diskutiert, wie sie vor allem beim Rosakakadu auftritt. Diese Symptome sprechen zwar auf die Zufuhr von Thyroxin an, allerdings ist die Schilddrüsenhormondiagnostik bei Vögeln nicht praxisreif, so dass eine kausale Beziehung nur vermutet werden kann. Auch bei Schildkröten kommen in Gegenden mit geringen Jodgehalten im Trinkwasser vermehrt Hypothyreosen vor. Sie äußern sich in der Bildung von Myxödemen am Halsansatz.[30]

Weblinks

Wiktionary: Hypothyreose – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, Übersetzungen

Quellen

  1. 1,0 1,1 1,2 1,3 1,4 1,5 1,6 1,7 Gerd Herold: Innere Medizin, 2007
  2. Albert Kölliker: Handbuch der Gewebelehre des Menschen, 1867, S. 480
  3. Hyrtl J.: Lehrbuch der Anatomie das Menschen, Braumüller Hofbuchhändler, Wien, 1863, S.666
  4. Baumann, E. Über das Thyrojodin. Münchn Med Wschr 43 (1896/2): 309.
  5. Hutchison R.: Further Observations on the Chemistry and Action of the Thyroid Gland. J Physiol. 1898 July 26; 23(3): 178–189.
  6. Otto v. Fürth und Karl Schwarz: Über die Einwirkung des Jodothyrins auf den Zirkulationsapparat. In: Pflügers Archiv European Journal of Physiology, Volume 124, Numbers 3-5 / August 1908, Verlag Springer Berlin / Heidelberg; ISSN 0031-6768 (Print) 1432-2013 (Online)
  7. Alderson H. E.: The Skin as Influenced by the Thyroid Gland. Cal State J Med. 1911 June; 9(6): 240–243.
  8. Welbourn R. B.: The History of Endocrine Surgery, S.36, Greenwood Publishing Group, 1990; ISBN 0275925862
  9. AN EPITOME OF CURRENT MEDICAL LITERATURE. Br Med J. 1914 June 20; 1(2790): E97–E100.
  10. Patentschrift des United States Patent Office 3.414.383 pdf
  11. Werner E., e.a.: Enzyklopädie Medizingeschichte, S. 407, Walter de Gruyter, 2004, ISBN 3110157144
  12. Julius Wagner-Jauregg, Internetseite des Institutes für Geschichte der Medizin der Universität Wien; zuletzt eingesehen am 27.April 2008
  13. Werner E., e.a.: Enzyklopädie Medizingeschichte, S. 1463, Walter de Gruyter, 2004, ISBN 3110157144
  14. Kocher Th: Über Kropfexstirpation und ihre Folgen. Arch Klin Chir (1883) 29: 2541. In
  15. Miehle K., Paschke R.: Sind TSH-Rezeptor Polymorphismen eine mögliche Ursache für die interindividuell unterschiedlichen Normalbereiche der TSH-, fT3- und fT4-Werte in einer Normalpopulation?. In: Universität Leipzig, Forschungsbericht 2004.
  16. Uniklink Saarland: Schilddrüsenerkrankungen im Kindesalter; zuletzte eingesehen am 12. Feb. 2008
  17. Middendorf K.: Geburtshilfe Basics, S. 79-82, Springer Berlin Heidelberg, 2006; zuletzt eingesehen am 12. Feb. 2008
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  19. Leitlinien-basierte Schilddrüsentherapie, 2002; zuletzt eingesehen 12. Feb. 2008
  20. Die Innere Medizin: Referenzwerk für den Facharzt herausgegeben von Wolfgang Gerok; zuletzt eingesehen am 22. April 2011
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  22. 22,0 22,1 22,2 22,3 AWMF-Leitlinien-Register Nr. 031/001 Schilddrüsendiagnostik; zuletzt eingesehen am 8. Feb.2008
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  24. Schott M., Seißler J., ScherbaumW.: Diagnostik bei autoimmunen Schilddrüsenerkrankungen, LaboratoriumsMedizin, S. 254-257, 8/2006, Print ISSN: 0342-3026; zuletzt eingesehen am 5. Feb. 2008
  25. Hecker W.: Endokrinologie. In: Klinikleifaden Pädiatrie, Jungjohann Verlag, Stuttgart, ISBN 3-8243-1214-X
  26. Gesundheitslexikon des Internistenverbandes
  27. R.Hörmann: Schilddrüsenkrankheiten: Leitfaden für Praxis und Klinik, 4. Auflage, 2005, S.160
  28. Claudia Reusch: Hypothyreose. In: Peter F. Suter und Hans G. Niemand (Hrsg.): Praktikum der Hundeklinik. Paul-Parey-Verlag, 10. Auflage 2006, S. 922–925. ISBN 3-8304-4141-X
  29. Ulbrich, Hoffmann, Drochner: Fütterung und Tiergesundheit. Eugen Ulmer Verlag Stuttgart 2004
  30. K. Gabrisch und P. Zwart: Krankheiten der Heimtiere. 6. Aufl., Schlütersche Verlagsgesellschaft, Hannover 2005. ISBN 3-89993-010-X.