Kleiner Klappertopf



Kleiner Klappertopf

Kleiner Klappertopf (Rhinanthus minor)

Systematik
Asteriden
Euasteriden I
Ordnung: Lippenblütlerartige (Lamiales)
Familie: Sommerwurzgewächse (Orobanchaceae)
Gattung: Klappertöpfe (Rhinanthus)
Art: Kleiner Klappertopf
Wissenschaftlicher Name
Rhinanthus minor
L.

Der Kleine Klappertopf (Rhinanthus minor) ist eine Pflanzenart aus der Familie der Sommerwurzgewächse (Orobanchaceae). Er wächst als einjährige Pflanze und wird bis zu 50 Zentimeter hoch. Der Kleine Klappertopf ist ein fakultativer Halbparasit, kann die benötigten Nährstoffe also teilweise von anderen Pflanzen erhalten. Seinen deutschen Namen verdankt der Klappertopf seinen reifen Früchten, in denen die Samen klappern, wenn sie bewegt werden. Die Art ist vor allem in Eurasien und Nordamerika verbreitet.

Beschreibung

Vegetative Merkmale

Historische Abbildung von 1796

Der Kleine Klappertopf ist eine einjährige, fakultativ halbparasitäre Pflanze. Die aufrecht wachsende, einfache oder verzweigte Sprossachse ist im Querschnitt vierkantig und wird bis zu 50 Zentimeter lang. Oftmals ist sie schwarz gestreift oder gepunktet. Die Laubblätter sind 20 bis 30 Millimeter lang und meist fünf bis acht Millimeter (gelegentlich auch nur bis zwei Millimeter) breit. Sie stehen gegenständig, sind ungestielt, eiförmig bis lanzettlich, an der Basis beinahe herzförmig und ganzrandig oder gezahnt. Die Blätter können behaart oder unbehaart sein; die Oberseite, gelegentlich auch die Unterseite ist schuppig.

Die Art bildet nur in begrenztem Umfang Wurzeln aus, da sie oftmals vom Wurzelsystem der Wirtspflanzen profitiert. Findet eine Wurzel Kontakt mit der Wurzel einer Wirtspflanze, werden Haustorien gebildet, deren Größe – in Abhängigkeit von der Art des Wirtes – meist um einen Millimeter liegt. Haustorien, die an den Wurzeln des Gewöhnlichen Rot-Schwingels (Festuca rubra) gebildet werden, sind meist deutlich kleiner, wogegen Haustorien am Gewöhnlichen Hornklee (Lotus corniculatus) meist sogar größer als zwei Millimeter werden.

Die Wuchsform der Pflanzen ist unter anderem davon abhängig, ob und an welchem Wirt sie parasitiert. Nichtparasitierende Pflanzen sind oftmals nur 5 bis 7,5 Zentimeter groß und verzweigen nicht, die Gesamtblattfläche reicht meist von 400 bis 910 Quadratmillimetern. Parasitiert die Pflanze beispielsweise an Gerste (Hordeum vulgare), erreicht sie eine Höhe von bis zu 21 Zentimetern und eine Gesamtblattfläche von 4400 bis 5150 Quadratmillimetern. Pflanzen, die an Hügel-Klee (Trifolium alpestre) parasitieren, weisen im Vergleich zu den an Gerste wachsenden Pflanzen größere Blätter auf, die deutlich weniger spröde werden.[1]

Blütenstände und Blüten

Detail des Blütenstandes

Die Blüten sind zweigeschlechtig und stehen in endständigen, ährenähnlichen Trauben. Jede Blüte wird von einem laubblattartigen Tragblatt begleitet, in dessen Achsel sie nahezu aufsitzend steht. Die Tragblätter sind dreieckig, unbehaart oder leicht geschuppt und sind länger oder nur leicht kürzer als die Kelchblätter. Der Rand der Tragblätter ist gezahnt, wobei die unteren Zähne deutlich größer sind als die oberen. Zwischen der obersten Verzweigung der Sprossachse und den untersten Tragblättern können ein bis sechs Paar eingeschobener Laubblätter stehen, die jedoch auch fehlen können.

Der Kelch ist abgeflacht und mit vier Kelchzähnen besetzt, ist meist mittelgrün oder mit einer roten Färbung überzogen. Eine Behaarung findet sich entweder nur an den Rändern oder der Kelch ist komplett behaart. Die Krone hat eine Länge von 12 bis 15 Millimetern (selten auch bis zu 17 Millimetern), ist gelb bis bräunlich-gelb gefärbt. Die untere Lippe der Krone ist dreigelappt und nach unten gebogen, so dass sie sich von der oberen Lippe entfernt. Diese ist zusammengedrückt und unterhalb der Spitze mit zwei violett gefärbten, abgerundeten Zähnen besetzt. Die Rückenlinie der Krone ist mehr oder weniger gerade und vereint sich mit der konvex gebogenen oberen Lippe.

Die Staubblätter kommen in zwei verschiedenen Formen vor und setzen an der oberen Kronlippe an. Die Staubbeutel sind behaart, aber nicht stachelspitzig. Die Narbe steht nicht oder nur leicht über die Krone hinaus.

Früchte und Samen

Fruchtstand.
Kapselfrucht und Samen

Die Früchte sind Kapseln, die kürzer als der Kelch sind, sie sind zusammengedrückt, in Kammern unterteilt und enthalten nur wenige Samen. Diese sind mehr oder weniger scheibenförmig, geflügelt und besitzen keine Elaiosomen. Sie haben eine Größe von etwa 4,9 × 3,8 Millimetern und wiegen im Mittel 2,84 Milligramm. Durch Wind oder Tiere werden die Samen nach und nach aus den Früchten ausgestreut.[2]

Entwicklung

Nach einer Stratifikation im Winter keimen die Samen meist zeitgleich mit den Wirtspflanzen im Februar und März. Die Samen keimen epigäisch. Durch die Verlängerung der Keimachse wird die Samenhülle über die Keimblätter geschoben und abgeworfen, sobald sich die Keimblätter vergrößern. Die Keimwurzel wird bald von sich seitlich befindenden Wurzeln ersetzt. Ab dem frühen Mai beginnt die Blüte und reicht meist bis in den Juli oder August, gelegentlich auch bis in den September hinein. Ab Juni beginnt die Ausbildung von Früchten. Nach der Samenreife verbleiben die Samen für einige Wochen in den aufgesprungenen Kapseln.

Sonstige Merkmale

Die Chromosomenzahl beträgt $ 2n=22 $. Die Pflanze enthält das Iridoid-Glycosid Rhinanthin (C29H52O20), das möglicherweise für Weidetiere giftig ist.

Vorkommen und Standorte

Kleiner Klappertopf auf Halbtrockenrasen

Der Kleine Klappertopf kommt in ganz Europa inklusive der britischen Inseln vor, ist jedoch im Mittelmeergebiet selten. Im isländischen Flachland gilt die Art als häufig, im Inneren der Insel wurde die Art jedoch nur einmal gefunden. Im Norden Schwedens ist die Art eingeschleppt. Auch in Nordamerika und Asien ist die Art verbreitet. Die nordamerikanischen Verbreitungsgebiete erstrecken sich von Alaska bis nach Kanada, sowie von Labrador bis nach Neuengland und New York, zudem ist die Art aus den Rocky Mountains und dem nordwestlichen Oregon bekannt. Vorkommen, die in Neuseeland gefunden wurden, sind wahrscheinlich eingeschleppt und zählen nicht zur ursprünglichen Flora.

Die Art wächst auf einer Vielzahl von Böden, unter anderem auf Lehm, Sand, Kalk und gelegentlich Torf; an Standorten, deren Boden einen pH-Wert von unter 5,0 aufweist, fehlt die Art. Ebenso ist die Art nicht an sehr trockenen Standorten zu finden, ist aber gelegentlich Bestandteil der Vegetation von Sanddünen, vor allem dort, wo ein hoher Anteil an ausdauernden Pflanzen zu finden ist. Standorte, die im Winter überflutet sind, toleriert die Art ebenso wie im Sommer leicht oder stark überflutete Standorte, die im Winter nur schwach überflutet sind.

In Mitteleuropa ist die Art häufig Bestandteil von Kulturwiesen (Molinio-Arrhenatheretea). Besonders in Deutschland ist die Art in allen Feuchtwiesen (Molinietalia) und in gemähten Frischwiesen und Frischweiden (gemähte Arrhenatheretalia) zu finden. Auch in den Borstgrasweiden (Nardetalia) findet sich die Art. Aus dem Norden Schwedens sind Vorkommen aus artenreichen Anthoxanthum odoratum-Wiesen bekannt, es gibt in Schweden jedoch auch Populationen, die an Straßenrändern wachsen.

Ökologie

Bestäubung

Die Blüten des Kleinen Klappertopfes werden von verschiedenen Hautflüglern (Hymenoptera) besucht, darunter mehrere Arten Hummeln (Bombus) und Honigbienen (Apis). Dabei gibt es unterschiedliche Methoden, mit denen die Blüten angeflogen werden. Beispielsweise die Gartenhummel (Bombus hortorum) und die Grashummel (Bombus ruderarius) landen auf der unteren Lippe der Blüten und gelangen mit dem Kopf nach oben an den Nektar. Im Gegensatz dazu landen die Hellgelbe Erdhummel (Bombus lucorum), die Wiesenhummel (Bombus pratorum) und die Steinhummel (Bombus lapidarius) auf der oberen Lippe und gelangen kopfüber an den Nektar. Es wird angenommen, dass durch letztere eine Selbstbefruchtung der Blüten gefördert wird, während durch erstere eine Kreuzbestäubung wahrscheinlicher wird. Die Hellgelbe Erdhummel tritt auch als Nektardieb auf, indem sie ein Loch in die Krone beißt, um direkt an den Nektar zu gelangen. Diese Löcher werden auch von der Wiesenhummel und der Steinhummel genutzt, die damit als sekundäre Nektardiebe auftreten.

Fraßfeinde und Schädlinge

Wie alle Arten der Gattung Rhinanthus wird der Kleine Klappertopf meist von Weidetieren gemieden, jedoch wurden auch Kühe beobachtet, die die Pflanze fraßen. Verschiedene Schmetterlingsarten sind mit der Art assoziiert. Die Blüten, Samen und Sprossachsen der Pflanzen werden beispielsweise von den Raupen der Wickler-Art Phalonidia permixtana gefressen, andere Wickler wie Falseuncaria ruficiliana und Endothenia marginana fressen die Samen der Pflanzen, die Raupen von Falseuncaria ruficiliana überwintern in den Samenkapseln. Die Raupen der Zünsler-Art Opsibotys fuscalis fressen Blüten und Samenkapseln, unter den Spannern fressen Eupithecia subumbrata und Perizoma albulata an den Pflanzen. Gelegentlich werden die Pflanzen auch von Minierfliegen (Agromyzidae) oder Röhrenblattläusen (Aphididae) befallen.

Verschiedene Pilze befallen den Kleinen Klappertopf, darunter unter anderem Plasmopara densa, Sphaerotheca fusca syn. Sphaerotheca fuliginea, Coleosporium euphrasiae, Coleosporium tussilaginis, Coleosporium rhinanthacearum, Phoma complanata, Phoma deusta, Ephelina lugubris, Heteropatella umbilicata, Sarcopodium circinatum, Doassansia rhinanthi und Leptosphaeria affinis.

Lebensweise

Der Kleine Klappertopf ist ein fakultativer Halbparasit, betreibt also selbst Photosynthese und kann auch ohne Wirt überleben, parasitiert aber durch die Bildung von Haustorien an anderen Pflanzen. Dabei werden über 50 Pflanzenarten aus mindestens 18 Familien befallen, wovon der größte Teil Süßgräser (Poaceae) mit etwa 30 Prozent und Hülsenfrüchtler (Fabaceae) mit etwa 22 Prozent sind. Gelegentlich ist zu beobachten, dass auch andere Exemplare der eigenen Art vom Kleinen Klappertopf parasitiert werden, selten bildet eine Pflanze auch ein Haustorium an einer eigenen Wurzel. Untersuchungen an einem Standort in Ost-England ergaben, dass durchschnittlich vier verschiedene Pflanzenarten von nur einer Pflanze des Kleinen Klappertopfs parasitiert wurden, wobei einige Pflanzen mindestens an sieben anderen Arten parasitierten.[3]

Die Bildung eines Haustoriums beginnt zunächst damit, dass die Wurzel des Wirtes umschlossen wird. Dann wird dessen äußere Rinde von einem Zapfen zerstoßen, der in die Leitbündel des Wirtes eindringt. Die Verbindung zwischen dem Xylem des Wirts und dem Zapfen wird durch ein vom kleinen Klappertopf gebildetes sekundäres Xylem hergestellt. Dieses ist zentral im Haustorium angeordnet und wird durch den sogenannten Hyalinkörper umrundet. Diese Hyalinkörper sind reich an Nuklein, es wird vermutet, dass sie für die Verarbeitung der im Xylemsaft gelösten Stoffe verantwortlich sind. Der Transport des Xylemsaftes vom Wirt zum Parasit erfolgt durch den Ausgleich eines Druckunterschieds, der durch eine erhöhte Wasserverdunstung an den besonders großen Spaltöffnungen des Kleinen Klappertopf entsteht.[4]

Einige Wirtspflanzen reagieren mit Abwehrmechanismen gegen die eindringenden Haustorien, so bildet beispielsweise die Magerwiesen-Margerite (Leucanthemum vulgare) einen verholzenden Bereich um den eindringenden Zapfen, während der Spitzwegerich (Plantago lanceolata) mit einem Absterben der Zellen um den eindringenden Zapfen reagiert und so ebenfalls eine räumliche Trennung zwischen beiden Arten herstellt. Mit beiden Methoden wird verhindert, dass der Kleine Klappertopf eine Verbindung mit dem Leitgefäßsystem der anderen Art aufbauen kann. Bei den Süßgräsern und Hülsenfrüchtlern ist solch ein Mechanismus nicht oder nur kaum ausgeprägt, so dass der Befall hier für den Kleinen Klappertopf effektiver ist. Dies ist vor allem an der Steigerung der produzierten Biomasse erkennbar, oftmals wird das Wachstum des Wirts deutlich geschwächt. Beim Befall einiger Stauden, die oben beschriebene Abwehrmechanismen entwickelt haben, kann die Biomasse des Kleinen Klappertopf sogar geringer sein als bei Pflanzen, die keinen Wirt finden.[4][5]

Systematik

Der Kleine Klappertopf ist eine stark variable Art, der Habitus ist stark von Faktoren wie dem Standort und den Wirtspflanzen abhängig. Daher ist es schwer, innerhalb der Art verschiedene genau abgegrenzte Unterarten zu definieren. Viele der anerkannten Unterarten wurden zunächst als eigenständige Arten erstbeschrieben.

Für Deutschland sind sieben Unterarten bekannt:[6]

  • Rhinanthus minor subsp. minor
  • Rhinanthus minor subsp. rusticulus (Chabert) O. Schwarz
  • Rhinanthus minor subsp. elatior O. Schwarz
  • Rhinanthus minor subsp. balticus (U. Schneid.) U. Schneid.
  • Rhinanthus minor subsp. hercynicus O. Schwarz
  • Rhinanthus minor subsp. monticola (Lamotte) O. Schwarz
  • Rhinanthus minor subsp. stenophyllus O. Schwarz

Aus Großbritannien sind Rhinanthus minor subsp. minor, Rhinanthus minor subsp. stenophyllus, Rhinanthus minor subsp. monticola, Rhinanthus minor subsp. calcareus, Rhinanthus minor subsp. borealis und Rhinanthus minor subsp. lintonii bekannt.

Verwendung

Der Kleine Klappertopf ist für seine medizinische Wirksamkeit bekannt, unter anderem kann er zur Linderung der Symptome von Asthma und trockenem Husten eingesetzt werden, ebenso zur Lösung von Katarrh und als Spülung bei verschiedenen Augenbeschwerden.[7]

Quellen

Einzelnachweise

Die Informationen dieses Artikels entstammen zum größten Teil den unter Literatur angegebenen Quellen, darüber hinaus werden folgende Quellen zitiert:

  1. W. E. Seel and W. D. Jeschke: Simultaneous Collection of Xylem Sap from Rhinanthus minor and the Hosts Hordeum and Trifolium: Hydraulic Properties, Xylem Sap Composition and Effects of Attachment. In: New Phytologist, Band 143, Nummer 2, August 1999. Seiten 281–298
  2. Angelika Lüttig, Juliane Kasten: Hagebutte und Co. Blüten, Früchte und Ausbreitung europäischer Pflanzen. Fauna-Verlag, Nottuln 2003, ISBN 3-935980-90-6, S. 160 f.
  3. C.C. Gibson und A.R. Watkinson: The host range and selectivity of a parasitic plant: Rhinanthus minor L. In: Oecologia, Band 78, 1989. Seiten 401–406.
  4. 4,0 4,1 Duncan D. Cameron und Wendy E. Seel: Functional anatomy of haustoria formed by Rhinanthus minor: linking evidence from histology and isotope tracing. In: New Phytologist, Band 174, 2007. Seiten 412–419. doi:10.1111/j.1469-8137.2007.02013.x
  5. Duncan D. Cameron, Alison M. Coats und Wendy E. Seel: Differential Resistance among Host and Non-host Species Underlies the Variable Success of the Hemi-parasitic Plant Rhinanthus minor. In: Annals of Botany, Band 98, 2006. Seiten 1289–1299. doi:10.1093/aob/mcl218
  6. Werner Rothmaler [Begr], Eckehart J. Jäger, Klaus Werner (Hrsg.): Exkursionsflora von Deutschland. Band 4. Gefäßpflanzen: Kritischer Band. 10., bearb. Auflage. Elsevier, Spektrum Akademischer Verlag, München/Heidelberg 2005, ISBN 3-8274-1496-2.
  7. Duncan B. Westbury: Biological Flora of the British Isles: Rhinanthus minor L.. In: Journal of Ecology, Band 92, 2004. Seiten 906–927. doi:10.1111/j.0022-0477.2004.00929.x

Literatur

  • Duncan B. Westbury: Biological Flora of the British Isles: Rhinanthus minor L.. In: Journal of Ecology, Band 92, 2004. Seiten 906–927. doi:10.1111/j.0022-0477.2004.00929.x

Weblinks

Commons: Kleiner Klappertopf – Album mit Bildern, Videos und Audiodateien