Langkäfer



Langkäfer

Orychodes indus

Systematik
Klasse: Insekten (Insecta)
Ordnung: Käfer (Coleoptera)
Unterordnung: Polyphaga
Teilordnung: Cucujiformia
Überfamilie: Curculionoidea
Familie: Langkäfer
Wissenschaftlicher Name
Brentidae
Billberg, 1820

Die Langkäfer (Brentidae) sind eine Familie der Käfer (Coleoptera). Sie gehören zur Überfamilie Curculionoidea. Weltweit sind 1690 Arten bekannt (Stand: 2004)[1]. Ihr Verbreitungsschwerpunkt liegt in den Tropen, insbesondere in den Regenwäldern des tropischen Ostasiens. In Europa sind zwei Arten im Mittelmeergebiet nachgewiesen.

Über den Status und die Abgrenzung dieser Familie existieren in der Wissenschaft verschiedene Auffassungen. Für Mitteleuropa besonders relevant ist die Stellung der Apionidae und Nanophyidae, die von zahlreichen Autoren als Unterfamilien der Brentidae geführt werden.

Merkmale

Diurus completus

Die meisten Brentidae sind langgestreckte, zylindrisch geformte Käfer. Einige Formen sind extrem langgestreckt und dünn und haben lange, dünne Beine. Sie sind meist einfarbig braun gefärbt, es kommen aber auch recht kontrastreich bunt gezeichnete Arten vor. Die Oberfläche des Körpers ist meist glatt, sie ist oft behaart, aber nicht beschuppt.

Der Rüssel ist von unterschiedlicher Länge, er ist meist in gerader Verlängerung des Kopfes nach vorn vorgestreckt. Manchmal ist er durch eine Einschnürung in zwei Abschnitte geteilt. Die Fühler sind gerade ohne Knick hinter dem Basisglied (nicht „gekniet“), sie weisen typischerweise keine Fühlerkeule auf, gekeulte Fühler kommen aber insbesondere bei kleineren Arten auch vor. Beim Männchen von Cylas formicarius ist die Keule verlängert und länger als der übrige Fühler. Sie sitzen in der Regel an den Seiten des Rüssels und können nach hinten in Fühlergruben eingelegt werden. Die meist recht kleinen Komplexaugen stehen halbkugelig aus der Kopfkontur vor, ihre Struktur ist für die Familie hoch charakteristisch: Die Einzelaugen (Ommatidien) des Komplexauges sind nicht jedes für sich gewölbt, sondern eine zusammenhängende und glatte Cornea bedeckt die gesamte Augenoberfläche. Bei vielen Arten ist der Kopf nach hinten halsförmig abgeschnürt, manchmal mit verlängerten, backenförmigen Schläfen. Der Halsschild ist meist langgestreckt und von der Breite der Flügeldecken, er kann auch breiter sein als diese. Sein oft ringförmig abgeschnürter Hinterrand (Basis) verdeckt das Schildchen, das so in Ruhelage unsichtbar ist. Die langgestreckten, meist parallelseitigen Flügeldecken erreichen das Hinterleibsende. Oft tragen sie ausgeprägte Rillen oder Punktstreifen. Bei vielen Arten sind sie hinten in auffallende Spitzen ausgezogen. Die häutigen Hinterflügel sind in der Regel vollständig und die Tiere flugfähig. Am Hinterleib sind die ersten beiden frei liegenden Bauchplatten (Sternite) miteinander verschmolzen. Die übrigen Sternite schließen daran etwas tiefer liegend mit einer deutlichen Stufe an. Die Nähte, die das dritte und vierte freiliegende Sternit begrenzen, sind beweglich und bilden eine Art Scharniergelenk aus, mit dem der Käfer den bei geschlossenen Flügeldecken hart gepanzerten Hinterleib öffnen kann.

An den Beinen sind die Trochanteren kurz und dreieckig, dadurch kommen Hüfte (Coxa) und Schenkel (Femur) miteinander in Kontakt. Die Schienen der Vorderbeine weisen oft eine besondere Struktur (eine beborstete Aussparung) auf, die zum Reinigen der Antennen dient. Die Klauen sind frei und ungezähnt. An allen Beinen, mindestens aber an Mittel- und Hinterbeinen, sitzen am Ende der Schienen ein oder zwei Sporne.

Auffallend und sehr charakteristisch für die Familie ist die unterschiedliche Gestalt der Männchen und Weibchen (Sexualdimorphismus). Der Rüssel der Weibchen ist meist lang und dünn, während die Männchen derselben Art kurze, gedrungene Rüsselformen besitzen. Daneben gibt es, als Ausnahme unter den Curculionoidea, auch Arten, bei denen das Männchen den längeren Rüssel besitzt. Die Mandibeln an der Rüssselspitze sind bei den Männchen sehr oft auffallend vergrößert. Sie dienen den Männchen bei den Kämpfen um Weibchen untereinander. Trifft ein Männchen auf ein Paar, versucht es das Männchen mit dem Rüssel vom Rücken des Weibchen herunterzuhebeln,[2] dazu kann der Rüssel dann entsprechend verlängert sein. Beim neuseeländischen Giraffenrüssler Lasiorhynchus barbicornis erreicht er Körperlänge (zusammen bis 86 Millimeter). Misslingt dies, versucht es oft, mit den Mandibeln Beine oder Antennen des Opponenten abzubeißen. Meist lässt dieser los, wenn der Rivale ein Glied gepackt hat, nicht selten sind aber auch Männchen mit abgebissenen Beingliedern zu finden. Die Mandibeln werden bei der Nahrungsaufnahme des Männchens nicht verwendet.

Lebensweise

Die meisten Brentidae leben als Larven in lebendem, öfter aber in totem Holz, in das sie Galerien und Gänge graben, die an diejenigen der Borkenkäfer (Scolytinae) erinnern. Wie bei diesen, sollen für die Ernährung holzbewohnende Pilze wesentlich sein, in dieser Hinsicht ist die Familie aber noch schlecht erforscht. Einige Formen mit besonders langem und schlankem Körperbau sind dazu übergegangen, in Tunnel und Galerien anderer holzbewohnender Insekten einzudringen und deren ursprüngliche Bewohner (meist Borkenkäfer) abzutöten. Sie übernehmen dann deren Tunnelsystem für den eigenen Nachwuchs. Eine ganze Reihe von Arten in allen Erdteilen, darunter auch die beiden europäischen Vertreter, leben in Ameisennestern (Myrmekophilie). Oft besitzen sie besondere Drüsenfelder am Kopf, die von den Ameisen begehrte Sekrete abscheiden. Nur eine Entwicklungslinie (Gattung Cylas und Verwandte) lebt an lebenden Pflanzen; sie besiedeln die Speicherknollen der Süßkartoffel. Die Art Cylas formicarius ist mit den wirtschaftlich bedeutenden Pflanzenknollen verschleppt worden und inzwischen weltweit verbreitet.

Das Weibchen frisst bei vielen Arten mit den Mandibeln an der Spitze des Rüssels eine tiefe Eiablagenische auf der Wirtspflanze, in die es dann die Eier geschützt ins Pflanzegewebe versenken kann. Die Antennen können dabei bei manchen Arten zurückgeschlagen und in eine Rüsselrinne eingelegt werden, sie sind allseits beweglich mit einem Kugelgelenk eingelenkt. Die Begattung erfolgt meist während des Lochbohrens. Die Larve komplettiert ihren Lebenszyklus im Holz oder Wirtsgewebe und verpuppt sich in der Regel auch dort. Über die Biologie der meisten Arten ist wenig bekannt. Ausnahme ist der als Schädling gefürchtete Cylas formicarius. Diese Art benötigt zur Entwicklung vom Ei bis zur Imago etwa ein bis zwei Monate. Sie macht keine obligate Diapause, sondern die Generationen folgen direkt aufeinander, wobei es bei Kälte und schlechtem Wetter zu Entwicklungsverzögerungen oder kurzen Ruhepausen kommt. In Texas werden fünf, in Louisiana acht Generationen pro Jahr gemeldet. Imagines sind das ganze Jahr über zu finden.[3]

Verbreitung

Brentidae sind überwiegend Tiere der Tropen, sie kommen in gemäßigten Breiten nur mit wenigen Arten vor. Sie sind in Australien artenreich, Neuseeland und Neukaledonien werden nur noch mit je einer Art erreicht.[4] Wärmere pazifische Inseln wie Fidschi sind artenreicher besiedelt (hier 22 Arten.[5] In Japan leben 24 Arten,[6] in Nordamerika nur vier,[7] von denen nur zwei außerhalb Floridas leben. In Europa leben zwei Arten, Amorphocephala coronata[8] im gesamten Mittelmeerraum und Orfilaia reichei in Spanien.

Systematik

Die Abgrenzung der Familie Brentidae ist in der Wissenschaft umstritten. Einer Ansicht zufolge[9][10] wird eine weit abgegrenzte Familie bevorzugt, die auch die Ithyceridae, Nanophyidae, Apionidae, Microceridae und Eurhynchidae mit umfasst. Andere[11] betrachten alle diese Gruppen als eigenständige Familien. Andere Autoren gruppieren einige der genannten Gruppen bei den Brentidae ein, während sie andere als eigenständig betrachten. Für Mitteleuropa am problematischsten ist dabei die Stellung der Apionidae, die von etwa gleich vielen Bearbeitern als Unterfamilie der Brentidae betrachtet[12] oder als eigene Familie eingestuft[13]werden.

Für eine weit gefasste Familie Brentidae werden vor allem Merkmale der Larven herangezogen.[14] Die Zusammenführung ist problematisch, auch wenn fast alle Autoren von einer engeren Verwandtschaft dieser Familien ausgehen. Bei einer phylogenetischen Analyse wurde die Gruppierung weder durch die morphologischen noch durch die molekularen Daten gedeckt, trat aber auf, wenn man beide kombinierte, war aber auch hier nur schwach unterstützt.[15] Eine weitere molekulare Studie unterstützte die Gruppierung, aber ebenfalls mit geringer Sicherheit.[16]

Den Studien zufolge wäre am wahrscheinlichsten ein Schwestergruppenverhältnis zwischen der Familie Brentidae im weiteren Sinne und den „höheren“ Rüsselkäfern der (dann ebenfalls weit gefassten) Familie Curculionidae. Die Stellung der Familien/Unterfamilien innerhalb der weit gefassten Brentidae ist derzeit ungeklärt. Wahrscheinlich sind die Ithyceridae die Schwestergruppe der übrigen Familien. Auch die Stellung der Familie Caridae, die manchmal ebenfalls in die Brentidae mit einbezogen worden war, ist nicht endgültig geklärt. Wahrscheinlich sind diese die Schwestergruppe der genannten Gruppen zusammen.

Für eine weit gefasste Familie Brentidae lassen sich zum gegenwärtigen Zeitpunkt keine überzeugenden Autapomorphien angeben.[9] Als einzige Kandidaten werden derzeit genannt: Labrum der Larve mit nur einem mittleren Sensillum, am Mitteldarm nur vier Malpighische Gefäße (auch bei Nemonychidae, Anthribidae und wenigen Curculionidae).

Wirtschaftliche Bedeutung

Cylas formicarius und einige verwandte Arten, die besonders in Afrika vorkommen, sind bedeutsame Schädlinge an Süßkartoffeln. Der nordamerikanische Arrhenodes minutus gilt als Schädling an Nutzholz, besonders an Eichenarten.

Belege

Literatur

  • Elwood C. Zimmerman (1994): Australian Weevils (Coleoptera: Curculionoidea) II (Brentidae, Eurhynchidae, Apionidae) and a Chapter on Immature Stages by Brenda May. CSIRO Publishing. ISBN 9780643051461.
  • Katsura Morimoto (1976): Notes on the Family Characters of Apionidae and Brentidae (Coleoptera), with Key to the Related Families. Japanese journal of entomology 44(4), 469-476.

Einzelnachweise

  1. A. Sforzi & L. Bartolozzi (2004): Brentidae of the world. Monografie di Museo Regionale di Scienze Naturali, Torino 39.
  2. M. J. Meads (1976): Some Observations on Lasiorhynchus barbicornis (Brentidae: Coleoptera). New Zealand Entomologist Vol.6 No.2: 171-176.
  3. http://edis.ifas.ufl.edu/in154 Sweetpotato Weevil, Cylas formicarius. University of Florida document EENY-027 (IN154)]
  4. G. Kuschel (2003): Nemonychidae, Belidae, Brentidae (Insecta: Coleoptera: Curculionoidea). Fauna of New Zealand Number 45 Manaaki Whenua Press.
  5. R.A. Beaver, A. Mantilleri, L.Y. Liu (2009): Checklist and Illustrated Key to Species of Brentidae from Fiji (Coleoptera: Curculionoidea). Bishop Museum Occasional Papers 102: 3–26.
  6. Katsura Morimoto (1976): On the Japanese Species of the Family Brentidae (Coleoptera). Japanese journal of entomology 44(3): 267-282.
  7. Michael C. Thomas (1996): The Primitive Weevils of Florida (Coleoptera: Brentidae: Brentinae). Entomology Circular No. 375 Florida Department of Agriculture & Consumer Services.
  8. [http://www.magrama.gob.es/es/biodiversidad/temas/inventarios-nacionales/amorphocephala_coronata_tcm7-187492.pdf)
  9. 9,0 9,1 Rolf G. Oberprieler, Adriana E. Marvaldi, Robert S. Anderson (2007): Weevils, weevils, weevils everywhere. Zootaxa 1668: 491–520.
  10. Patrice Bouchard, Yves Bousquet, Anthony E. Davies, Miguel A. Alonso-Zarazaga, John F. Lawrence, Chris H. C. Lyal, Alfred F. Newton, Chris A. M. Reid, Michael Schmitt, S. Adam Ślipiński, Andrew B. T. Smith (2011): Family-group names in Coleoptera (Insecta). ZooKeys 88: 1–972. doi:10.3897/zookeys.88.807
  11. M.A. Alonso-Zarazaga & C.H.C. Lyal (1999): A World Catalogue of families and genera of Curculionoidea (Insecta: Coleoptera) excluding (Scolytidae and Platypodidae). (Entomopraxis). 315 pp. ISBN: 978 8 460 59994 4
  12. z.B. Hans Gønget (2003). The Brentidae (Coleoptera) of Northern Europe. Fauna Entomologica Scandinavia 34. Brill, (Leiden, Boston). ISBN 90-04-13663-0.
  13. z.B. Joachim Rheinheimer & Michael Hassler (2010): Die Rüsselkäfer Baden-Württembergs. Verlag Regionalkultur. ISBN 978-3-89735-608-5.
  14. Rolf Oberprieler (2000): The larvae of the weevil tribe Eurhynchini and the phylogeny of the Brentidae (Coleoptera : Curculionoidea). Invertebrate Taxonomy 14(6): 755 - 770.
  15. A.E. Marvaldi, A.S. Sequeira, C.W. O’Brien, B.D. Farrell (2002): Molecular and morphological phylogenetics of weevils (Coleoptera: Curculionoidea): do niche shifts accompany diversification? Systematic Biology 51: 761–785.
  16. D.D. McKenna, A.S. Sequeira, A.E. Marvaldi, B.D. Farrell (2009): Temporal lags and overlap in the diversification of weevils and flowering plants. Proceedings of the National Academy of Sciences USA 106: 7083–7088.

Weblinks

Commons: Langkäfer – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien