Praziquantel


Strukturformel
Praziquantel
1:1-Gemisch aus (R)-Enantiomer (oben) und (S)-Enantiomer (unten)
Allgemeines
Freiname Praziquantel
Andere Namen
  • IUPAC: (RS)-2-(Cyclohexylcarbonyl)- 2,3,4,6,7,11b-hexahydro-1H-pyrazino [2,1-a]isochinolin-4-on
  • Latein: Praziquantelum
Summenformel C19H24N2O2
Kurzbeschreibung

weißes bis fast weißes, polymorphes, kristallines und hygroskopisches Pulver [1]

Externe Identifikatoren/Datenbanken
CAS-Nummer 55268-74-1 (Racemat)
PubChem 4891
DrugBank DB01058
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Arzneistoffangaben
ATC-Code

P02BA01

Wirkstoffklasse

Anthelminthika

Eigenschaften
Molare Masse 312,41 g·mol−1
Schmelzpunkt
  • 136 °C (racemische Verbindung)[2][3]
  • 110 °C (Enantiomere)[2][3]
Löslichkeit
  • sehr schwer löslich in Wasser (400 mg·l−1)[4]
  • leicht löslich in Dichlormethan und Ethanol [1]
Sicherheitshinweise
Bitte die Befreiung von der Kennzeichnungspflicht für Arzneimittel, Medizinprodukte, Kosmetika, Lebensmittel und Futtermittel beachten
GHS-Gefahrstoffkennzeichnung [5]
keine GHS-Piktogramme
H- und P-Sätze H: keine H-Sätze
P: keine P-Sätze
Soweit möglich und gebräuchlich, werden SI-Einheiten verwendet. Wenn nicht anders vermerkt, gelten die angegebenen Daten bei Standardbedingungen.

Praziquantel ist ein Anthelminthikum. Es wirkt gegen Plattwürmer (Plathelminthes) wie Bandwürmer (Cestoda) und Saugwürmer (Trematoda) (einschließlich der Pärchenegel (Schistosoma)). Die durch den Wirkstoff verursachte Öffnung der Calciumkanäle der kontraktilen Zellen der Wurmaußenhaut führt zur spastischen Lähmung des Wurmes und mithin zu dessen Tod und Austreibung mit dem Stuhl bei Innenschmarotzern (Endoparasiten).

Entwicklungsgeschichte

Praziquantel wurde in den 1970er-Jahren im Rahmen einer Forschungskooperation der Bayer AG mit Merck entwickelt. 1980 wurde das Medikament unter dem Namen Biltricide erstmals vermarktet.[7]

Synthese

Eine vierstufige Synthese geht vom Isochinolin aus[8][9][6], wobei im ersten Schritt in Gegenwart von Kaliumcyanid mittels Cyclohexancarbonsäurechlorid eine N-Acylierung entsprechend der Reissert-Reaktion realisiert wird. Die resultierende Additionsverbindung wird dann in Gegenwart von Raney-Nickel hydriert, wobei die Cyclohexancarbonsäureamidfunktion umgelagert wird. Im dritten Schritt erfolgt eine zweite N-Acylierung mittels Chloracetylchlorid. Ein Ringschlußreaktion in Gegenwart von Triethylamin ergibt im letzten Schritt die Zielverbindung. Die Synthesesequenz führt zum Racemat.

Praziquantel synthesis 01.PNG

Die Auftrennung der Enantiomeren aus dem Racemat kann durch eine stufenweise Kristallisation aus Methanol bzw. durch eine kontinuierliche Gegenstromchromatographie über chirale Säulenmaterialien mit Hexan/Propanol-Gemischen erfolgen.[10]

Eigenschaften

Binäres Phasendiagramm von chiralem Praziquantel.

Praziquantel ist chiral und enthält ein Stereozentrum, es gibt also zwei Enantiomere. Die (R)- und die (S)-Form zeigen einen Schmelzpunkt von 110,6 °C. Die Schmelzenthalpie beträgt 18,5 kJ·mol−1, die Schmelzentropie 48,18 kJ·mol−1·K−1.[2][3] Das Racemat weist einen Schmelzpunkt von 136,2 °C auf. Für das Racemat wurde eine Schmelzenthalpie von 25,7 kJ·mol−1 und eine Schmelzentropie von 62,89 kJ·mol−1·K−1 bestimmt.[2][3] Im Phasendiagramm zeigen sich zwischen Enantiomer und Racemat eutektische Schmelzen bei 101 °C mit einem Enantiomerengehalt von 14 %. Aus einer glasig erstarrten Schmelze des Racemats kann bei 90–100 °C eine zweite polymorphe Form mit einem Schmelzpunkt zwischen 133–135 °C erhalten werden.[11]

Die Handelspräparate enthalten den Arzneistoff als Racemat. Die Löslichkeiten des Racemats bei 25 °C betragen in Wasser 0,4 g·l−1[12], in Methanol 158 g·l−1[3], in Ethanol 97 g·l−1[12] und in 2-Propanol 54 g·l−1[3]. Die Temperaturabhängigkeit der Löslichkeit in Methanol ist in folgender Tabelle angegeben:[3]

T in °C 5,4 9,2 15,6 19,1 24,3 29,2 34,7 38,3
S in g·l−1 64,2 75,1 101,7 120,5 157,5 207,9 290,5 363,6

Die Kristallstruktur wurde bisher nur vom (R)- bzw. (-)-Enantiomer untersucht. Dieses kristallisiert in einem monoklinen Kristallgitter und liegt, resultierend aus der Kristallisation aus Methanol/Wasser als Hemihydrat vor.[13]

Anwendung

Praziquantel wird peroral (also durch Schlucken) verabreicht. Seine Plasmahalbwertszeit beträgt – je nach Leber- und Nierenfunktion – ein- bis zweieinhalb Stunden. Es muss je nach Art und Lokalisation des Parasiten in verschiedener Dauer und Dosis gegeben werden. Bei manchen Bandwürmern reicht schon die einmalige Behandlung mit niedriger Dosis (10–25 Milligramm pro Kilogramm Körpergewicht), bei Befall innerer Organe oder gar des Zentralnervensystems ist die Behandlung von bis zu zwei Wochen mit Höchstdosen von bis zu 50 Milligramm pro Kilogramm Körpergewicht indiziert. Praziquantel wird auch veterinärmedizinisch eingesetzt, so auch zur Entwurmung von Aquarienfischen, dort ist aber aufgrund der hohen Fischgiftigkeit eine Kochsalzbehandlung vorzuziehen.[14][15]

Seit 2007 wird Praziquantel gezielt zur Ausrottung der Schistosomiasis (Bilharziose) eingesetzt.[16][17] Die Merck KGaA stellt dazu der Weltgesundheitsorganisation (WHO) für zehn Jahre jährlich über 25 Millionen Praziquantel-Tabletten kostenlos zur Verfügung. Mit den Tabletten können 27 Millionen Kinder behandelt werden.[18][19] 2012 gab Merck bekannt die Anzahl der jährlich gespendeten Tabletten mittelfristig auf 250 Millionen zu verzehnfachen.[20][21]

Bisher (Stand 2011) gibt es keine Anzeichen für eine Resistenzbildung bei den für den Menschen gefährlichen Schistosoma-Arten S. haematobium, S. mansoni und S. japonicum gegenüber Praziquantel.[22]

Nebenwirkungen

Gelegentlich bis häufig treten Leibschmerzen, Myalgien (Muskelschmerz), Übelkeit, Erbrechen, Inappetenz oder Kopfschmerzen als Ausdruck der Wirkungen auf die menschlichen Calciumkanäle auf. Auch Schwäche, Schwindel, Benommenheit, Müdigkeit sowie Temperaturerhöhung und Urtikaria (Nesselsucht) sind häufig. Selten Meningismus und Verwirrtheit.

Zur Nomenklatur der Häufigkeiten siehe Nebenwirkung.

Handelsnamen

Monopräparate

Biltricide (D), Cesol (D), Cysticide (D)

Tiermedizin

Anipracit, Aniprazol KH, Band-ex, Bihelminth, Caniquantel, Cestocur, Docatel, Dolpac, Droncit, Drontal, Equest Pramox, Equimax, Eqvalan duo, Fenprasel, Fenquantel, Furexel Combi, Milbemax, Plerion, Prazifen-Kombi, Prazinex, Praziquasel, Profender, Professional Tremazol, Strantel, Tremazol, Vermis-Ex, VetBancid

Einzelnachweise

  1. 1,0 1,1 1,2 Datenblatt PRAZIQUANTEL CRS (PDF) beim EDQM
  2. 2,0 2,1 2,2 2,3 Liu, Y.; Wang, X.; Wang, J.-K.; Ching, C.B.: Structural Characterization and Enantioseparation of the Chiral Compound Praziquantel in J. Pharm. Sci. 93 (2004) 3039–3046. doi:10.1002/jps.20211.
  3. 3,0 3,1 3,2 3,3 3,4 3,5 3,6 Liu, Y.; Wang, X.; Wang, J.-K.; Ching, C.B.: Investigation of the Phase Diagrams of Chiral Praziquantel in Chirality 18 (2006) 259–264. doi:10.1002/chir.20251.
  4. 4,0 4,1 Eintrag zu Praziquantel in der ChemIDplus-Datenbank der United States National Library of Medicine (NLM).
  5. Datenblatt Praziquantel bei Sigma-Aldrich (PDF). Angabe des Markenparameters in Vorlage:Sigma-Aldrich fehlerhaft bzw. nicht definiertVorlage:Sigma-Aldrich/Abruf nicht angegeben
  6. 6,0 6,1 6,2 A. Klemmann, J. Engel, B. Kutscher, D. Reichert: Pharmaceutical Substances, 4. Auflage (2000),Thieme-Verlag Stuttgart, ISBN 978-1-58890-031-9.
  7. Merck.de: Praziquantel Oktober 2010.
  8. Seubert, J: DE 2457971 (7. Dezember 1974).
  9. Andrews, P.; Thomas, H.; Pohlke, R.; Seubert, J.: Praziquantel in Med. Res. Rev. 3 (1983) 147–200. doi:10.1002/med.2610030204.
  10. Bee-Gim Lim, Chi-Bun Ching, Reginald B.H. Tan, Siu-Choon NG: Recovery of (−)–Praziquantel from Racemic Mixtures by Continuous Chromatography and Crystallisation in Chem. Eng. Sci. 50 (1995) 2289–2298.
  11. Kuhnert–Brandstätter, M.; Geiler, M.; Wurian, I.: Beitrag zur mikroskopischen Charakterisierung und Identifizierung von Arzneimitteln unter Einbeziehungder UV–Spektroskopie in Sci. Pharm. 51 (1983) 34–41.
  12. 12,0 12,1 Seubert, J.; Pohlke, R.; Loebich, F.: Synthesis and properties of praziquantel, a novel broad spectrum anthelmintic with excellent activity against Schistosomes and Cestodes in Cell. Mol. Life Sci. 33 (1977) 1036–1037. doi:10.1007/BF01945954.
  13. Meyer, T.; Sekljic, H.; Fuchs, S.; Bothe, H.; Schollmeyer, D.; Miculka, C.: Taste, A New Incentive to Switch to (R)-Praziquantel in Schistosomiasis Treatment in PLOS Neglected Tropical Diseases 3 (2009) e357. doi:10.1371/journal.pntd.0000357
  14. Andrew J. Mitchell und Melissa S. Hobbs: The Acute Toxicity of Praziquantel to Grass Carp and Golden Shiners. In: North American Journal of Aquaculture. Band 69, Numer3, Juli 2007, S. 203–206.
  15. A. George A. und P. Sparrow: Toxic Treatments in Aquaculture - (II) Praziquantel and its Impact on Goldfish in Baitproduction. In:J Fish Toxic Biochem. (4), 2005, S. 322–335.
  16. ava: Merck Serono will Bilharziose ausrotten. In: Ärzte Zeitung vom 30. Januar 2012
  17. eb: Merck KGaA unterstützt Kampf gegen Bilharziose. In: Ärzte Zeitung vom 15. Dezember 2011
  18. merck.de: Bekämpfung der Tropenkrankheit Bilharziose. Abgerufen am 29. Juni 2010
  19. Merck und WHO beschließen Partnerschaft. In: Ärzte Zeitung vom 26. April 2007
  20. merckgroup.com: Merck verzehnfacht Tablettenspende, um Bilharziose auszurotten. Abgerufen am 12. Februar 2012
  21. Zanzibar: gearing up to eliminate schistosomiasis. Bei: who.int vom 7. März 2012
  22. R. Liu, H. F. Dong u. a.: Efficacy of praziquantel and artemisinin derivatives for the treatment and prevention of human schistosomiasis: a systematic review and meta-analysis. In: Parasites & vectors. Band 4, 2011, S. 201, ISSN 1756-3305. doi:10.1186/1756-3305-4-201. PMID 22004571. PMC 3207908 (freier Volltext). (Review).

Weblinks

  • Datenblatt Praziquantel bei Vetpharm, abgerufen am 11. August 2012.